Steuerhehlerei bei noch nicht beendeter Steuerhinterziehung

Steuerhehlerei kann jedenfalls in Form von Absatzhilfe auch vor Beendigung der vorangegangenen Steuerhinterziehung begangen werden.

Steuerhehlerei bei noch nicht beendeter Steuerhinterziehung

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshofs in einem Fall von zum Verkauf übernommener, unversteuerter „Schmuggelzigaretten“. Als der Angeklagte Kontakt mit dem Schmuggler aufnahm, war die Steuerhinterziehung zwar bereits vollendet, aber noch nicht beendet, da die Zigaretten bereits im Inland, aber noch nicht „zur Ruhe gekommen“ waren1.

Es wird unterschiedlich beurteilt, ob Steuerhehlerei nur nach Beendigung der Vortat begangen werden kann. Die Beendigung der Vortat wird z.B. ohne nähere Begründung und für Fallgestaltungen, bei denen nicht Steuerhehlerei in Form der Absatzhilfe im Raum stand, von Bundesgerichtshof für erforderlich gehalten2. Eine Vollendung der Vortat halten hingegen einige Stimmen in der Literatur für ausreichend3.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs kann Steuerhehlerei jedenfalls in Form der Absatzhilfe – hinsichtlich anderer Begehungsformen ist dies hier nicht zu prüfen – auch dann vorliegen, wenn die Vortat (hier Steuerhinterziehung) zwar vollendet, aber noch nicht beendet ist.

Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass Sachhehlerei grundsätzlich eine abgeschlossene Vortat erfordert4.

Jedoch kann für Sachhehlerei sogar eine nur versuchte Tat als Vortat dann ausreichen, wenn diese den Vortäter bereits in den Besitz der Sache gebracht hat5. Dieser Gesichtspunkt ist hier nicht einschlägig, weil die vorangegangene Steuerhinterziehung nicht unmittelbar an die rechtswidrige Erlangung von Sachherrschaft anknüpfte6. Wenn jedoch sogar eine nur versuchte Vortat Grundlage der Sachhehlerei sein kann, zeigt dies aber, dass nicht allein auf das formale Stadium der Vortat abzustellen ist, sondern dass auch die tatsächlichen Verhältnisse in den Blick zu nehmen sind. Gründe für die Annahme, dass dies nur für Sachhehlerei, aber nicht für Steuerhehlerei gelten würde, sind nicht ersichtlich.

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Die hier maßgeblichen Gesichtspunkte ergeben sich bereits aus dem Wesen der Absatzhilfe. Diese ist eine zur Täterschaft erhobene Beihilfe, weil die Absatztat für den Vortäter nicht gesondert strafbar ist7. Dennoch ist die Möglichkeit des Absatzes regelmäßig der eigentliche Grund für die der Steuerhehlerei vorangegangene Steuerhinterziehung in Form des „(Zigaretten-)Schmuggels“. Denn in Fällen der vorliegenden Art werden, anders als z.B. beim Diebstahl als Vortat einer Sachhehlerei, zunächst Kosten für den Erwerb der Zigaretten aufgewendet. Hinzu treten die Kosten für ihren Transport und das Risiko der Entdeckung mit allen Folgen. Der Vortäter würde all dies nicht auf sich nehmen, wenn er bei Begehung der Steuerhinterziehung nicht bereits die sichere Erwartung des gewinnbringenden Weiterverkaufs der Zigaretten vor Augen hätte, sondern lediglich deren Verwahrung in einem Versteck, wo sie zur Ruhe kommen, oder – noch fernliegender – eigenen Verbrauch.

Hilfe bei dem für den Vortäter also wesentlichen Absatz (Absatzhilfe) kann typischerweise (wie auch vorliegend) in der Vermittlung von Kontakten zu Kaufinteressenten liegen8. Die Absatzhilfe geht im Erfolgsfalle der Übertragung an den Abnehmer jedenfalls regelmäßig voraus. Sie beschränkt sich also nicht auf Fallgestaltungen, in denen die Steuerhinterziehung bereits beendet ist, weil die Ware schon aus anderem Grunde zur Ruhe gekommen ist9. Vielmehr sind auch die – häufigeren – Fälle erfasst, in denen die Steuerhinterziehung erst mit der Übergabe der „Schmuggelware“ an den Kaufinteressenten beendet wird. Eine Verurteilung allein wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung würde das nach gesetzlicher Wertung beim Tatbeteiligten eigenständige Unrecht, das in der Mitwirkung am Absatz liegt, nicht erfassen.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Februar 2012 – 1 StR 438/11

  1. vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 02.02.2010 – 1 StR 635/09 mwN[]
  2. BGH, Urteil vom 04.09.1956 – 5 StR 64/56 ; ebenso BGH, Urteil vom 24.06.1952 – 1 StR 316/51, BGHSt 3, 40, 44 noch zu § 398 RAbgO, hier sollte „die Ware aus der … gefährlichen Nähe der Grenze“ weggebracht werden; sowie BayObLG wistra 2003, 316, 317 und HilgersKlautzsch in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 374 AO Rn. 26 ff. mwN[]
  3. z.B. Jäger in FGJ, 7. Aufl., § 374 AO Rn. 13; Wegner in MüKo AO, § 374 Rn. 23 f.; Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 374 AO Rn. 17, in vergleichbarem Sinne auch BGH, Beschluss vom 18.07.2000 – 5 StR 245/00[]
  4. vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 09.11.2011 – 2 StR 386/11; zusammenfassend Fischer, StGB, 59. Aufl., § 259 Rn. 8 mwN[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 07.03.1995 – 1 StR 523/94, StV 1996, 81 f. mwN; ebenso Walter in LK, 12. Aufl., § 259 Rn.19, wonach dies im Ergebnis unstreitig sei[]
  6. vgl. Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 374 AO Rn.19[]
  7. vgl. Jäger in FGJ, 7. Aufl., § 374 AO Rn. 21 mwN[]
  8. vgl. zur Sachhehlerei Jahn in SSW, § 259 StGB Rn. 26[]
  9. vgl. zu dieser Fallgestaltung BGH, Beschluss vom 18.07.2000 – 5 StR 245/00[]
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