Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuer im Rahmen einer Scheinlieferbeziehung kommt eine Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c StGB) in Höhe der entgegen § 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 UStG nicht angemeldeten Umsätze beim Aussteller der Scheinrechnungen nicht in Betracht, weil die unterlassene Steueranmeldung nicht dazu führt, dass sich ein Vermögensvorteil in dessen Vermögen niederschlägt. Ein gegebenenfalls abzuschöpfender Vermögensvorteil tritt nur im Vermögen desjenigen ein, der auf Grundlage von Scheinrechnungen unberechtigt (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG) Vorsteuerabzüge geltend macht.

Nach § 73 Abs. 1 StGB ist zwingend einzuziehen, was der Täter oder Teilnehmer durch oder für die Tat erlangt hat. Ist die Einziehung des erlangten Gegenstandes nicht möglich, so ist nach § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspricht1.
„Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist jeder Vermögenswert, der dem Tatbeteiligten durch die rechtswidrige Tat zugeflossen ist, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine tatsächliche Verfügungsgewalt übergegangen und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist2. Der Einziehung unterliegen dabei auch geldwerte Vorteile, wie etwa Dienstleistungen oder ersparte Aufwendungen3.
Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für diese Steuern erspart4. Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen durch die Tat beim Täter tatsächlich eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft. Offene Steuerschulden begründen somit nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Steuervorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt5.
Auch in Hinterziehungsfällen im Rahmen einer Umsatzsteuerhinterziehungskette ist die Bestimmung des Erlangten i.S.v. § 73 Abs. 1, § 73c StGB nach diesen Maßstäben vorzunehmen. Ein messbarer wirtschaftlicher Vorteil des Täters ergibt sich daher auch in diesen Fällen nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Tatbeteiligten tatsächlich niederschlägt. In Fällen, in denen die geschuldete Umsatzsteuer – wie vorliegend – nicht aus einer Lieferung oder sonstigen Leistung resultiert, sondern ein unberechtigter Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 UStG ohne zugrundeliegende Leistung vorliegt, ist dies nicht der Fall, weshalb eine Einziehung des Wertes von Taterträgen in Form ersparter Aufwendungen hier nicht in Betracht kommt.
Die Regelung in § 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 UStG, die das Entstehen der Steuerschuld nicht an einen tatsächlichen Warenoder Leistungsumsatz knüpft, sondern allein an den mangels Leistungsaustauschs unberechtigten Steuerausweis, hat eine Sonderstellung im Steuersystem, weil sie – anders als andere Besteuerungstatbestände – nicht primär der Erhebung von Steuern dient, sondern vielmehr dem Zweck, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch Missbrauch der Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs vorzubeugen und das Steueraufkommen zu sichern6. Ein tatsächlicher Vermögensvorteil tritt deshalb in den von § 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 UStG erfassten Fällen gerade nicht bereits mit dem unberechtigten Ausweis von Umsatzsteuer oder dem Unterlassen einer Erklärung des Umsatzsteuerbetrags (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) beim Täter ein, sondern erst beim Rechnungsempfänger, wenn dieser die ausgewiesene Umsatzsteuer unberechtigt mit Festsetzungswirkung als Vorsteuer (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG) geltend gemacht hat.
Der Rechnungsaussteller hat somit durch das Unterlassen der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) keinen Vorteil in Form ersparter Aufwendungen in Höhe des nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG entstandenen, aber mangels Voranmeldung nicht festgesetzten Umsatzsteuerbetrags erlangt. Die durch die unterbliebene Steueranmeldung eingetretene Steuerersparnis hat sich nicht als Vermögensvorteil in seinem Vermögen niedergeschlagen, weil der geschuldeten Umsatzsteuer gerade keine Umsätze aus Lieferungen oder sonstigen Leistungen (§ 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), sondern bloße Scheingeschäfte zugrunde lagen.
Im Übrigen ist es für den Bundesgerichtshof rechtlich nicht zu beanstanden, wenn weder die aufgrund der Rechnungen nach § 14c UStG erklärten Ausgangsumsätze, noch die etwa für die jeweiligen Besteuerungszeiträume gezahlte Umsatzsteuer als Aufwendungen nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB für die Begehung oder Vorbereitung der Taten nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vom Wert des durch die unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) Erlangten in Abzug gebracht wird.
Bei der Anmeldung der sich aus den Scheinrechnungen ergebenden Ausgangsumsätze handelt es sich schon nicht um Aufwendungen, weil die Angeklagten damit ihre aus § 14c UStG folgenden Pflichten erfüllt haben. Die Umsatzsteuerzahlungen sind keine Aufwendungen für die der Einziehung jeweils zugrundeliegenden Taten, die allein in der Abgabe der unrichtig angemeldeten Vorsteuern liegen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 14c Abs. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), weil deren Begehung von der möglichen (späteren) Zahlung der angemeldeten Umsatzsteuerbeträge unabhängig ist.
Hinsichtlich der eingezogenen Beträge ist in Höhe des Wertes der unberechtigt vorgenommenen Vorsteuerabzüge keine gesamtschuldnerische Haftung der Teilnehmer an der Hinterziehungskette anzuordnen. Eine Gesamtschuld besteht hinsichtlich der jeweils bei ihnen einzuziehenden Beträge nicht.
Die Einziehung ist gegen mehrere Beteiligte als Gesamtschuldner anzuordnen, wenn diese zumindest vorübergehend (Mit)Verfügungsgewalt über das Erlangte hatten7. Dies ist hinsichtlich der Steuerersparnisse der Teilnehmer an der Hinterziehungskette nicht der Fall. Denn die bei ihnen durch die jeweils unberechtigt geltend gemachten Vorsteuern eingetretenen Steuerersparnisse sind diesen jeweils ausschließlich durch die von ihnen als Alleintäter begangenen Taten nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO zugeflossen, weil ihre eigene individuelle Steuerschuld aufgrund der jeweils unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung in Höhe des zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerbetrags zu niedrig bemessen und das eigene Vermögen daher in geringerem Maße belastet wurde, als dies bei Beachtung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG der Fall gewesen wäre. Eine (Mit)Verfügungsgewalt des einen Teilnehmers an der entsprechenden Steuerersparnis des jeweils anderen Teilnehmers liegt insoweit nicht vor.
Die Frage, ob hinsichtlich der ihnen aus dem Hinterziehungssystem zugeflossenen Barbeträge eine Gesamtschuldnerschaft besteht, bedurfte hier keiner Entscheidung, weil diese Beträge nicht Gegenstand der Einziehungsentscheidung waren.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Juni 2019 – – 1 StR 208/19
- vgl. dazu BGH, Urteile vom 15.05.2018 – 1 StR 651/17 Rn. 42; und vom 08.02.2018 – 3 StR 560/17 Rn. 6[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 08.02.2018 – 3 StR 560/17 Rn. 10; und vom 24.05.2018 – 5 StR 623/17 und 624/17 Rn. 8 mwN; Beschluss vom 21.08.2018 – 2 StR 311/18 Rn. 8 mwN; BT-Drs. 18/9525, S. 61[↩]
- vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn.20 mwN; Schmidt, Vermögensabschöpfung, 2. Aufl. S. 24 f., Rn. 9095 mit Verweis auf BT-Drs. 18/9525, S. 61 f.[↩]
- st. Rspr.; BGH, Urteil vom 18.12 2018 – 1 StR 36/17 Rn. 18 mwN; Beschlüsse vom 04.07.2018 – 1 StR 244/18 Rn. 7; vom 11.05.2016 – 1 StR 118/16 Rn. 8; vom 13.07.2010 – 1 StR 239/10, wistra 2010, 406; und vom 28.11.2000 – 5 StR 371/00 Rn. 16 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn.20; Köhler, NStZ 2017, 497, 503 f.; Reh, wistra 2018, 414, 415[↩]
- BGH, Urteil vom 11.07.2019 – 1 StR 620/18 Rn.19[↩]
- Leipold in Sölch/Ringleb, UStG, 85. EL, § 14c Rn. 11 ff.; HundtEßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, 316. AL, § 14c UStG Rn. 33 ff.; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, 177. Lieferung, § 14c UStG Rn. 14 ff.; jeweils mwN[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 05.06.2019 – 5 StR 670/18 Rn. 7; und vom 28.10.2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39 Rn. 18; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 29 mwN[↩]
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