Grundlage für die Zumessung der Strafe ist bei einer Steuerhinterziehung – wie bei jeder anderen Straftat – die persönliche Schuld des Täters.

Dabei sind auch die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 StGB).
§ 46 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmt, dass bei der Zumessung der Strafe die Umstände gegeneinander abzuwägen sind, die für und gegen den Täter sprechen. Namentlich kommen die in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannten Umstände in Betracht.
Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht.
„Auswirkungen der Tat“ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens [1].
Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO [2].
Dies gilt nicht nur für die Strafrahmenwahl (vgl. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), sondern auch für die Strafzumessung innerhalb des vom Tatgericht zugrunde gelegten Strafrahmens.
Dass der Hinterziehungsbetrag dann, wenn er hoch ist, ein auch für die konkrete Strafzumessung wichtiger Strafschärfungsgrund ist, zeigt insbesondere die gesetzgeberische Wertung in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zur Hinterziehung in großem Ausmaß als Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung [3]. Das Merkmal in großem Ausmaß ist bereits erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt [4].
Deshalb kommt bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht [5].
Unerheblich ist dabei, ob dieser Hinterziehungsumfang durch eine einzelne Tat oder durch mehrere Einzeltaten erreicht worden ist [6].
Auch wenn der Hinterziehungsbetrag ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung ist, der eine an der Höhe der verkürzten Steuern ausgerichtete Differenzierung der Einzelstrafen nahelegt [7], kann allein das Ausmaß der Steuerverkürzung nicht in dem Sinne ausschlaggebend für die Strafhöhenbemessung sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe des Hinterziehungsbetrages schematisch und quasi „tarifmäßig“ verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 StGB vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen [8].
Bei Tatserien ist zudem nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Verkürzungsumfang maßgeblich für die Bemessung der Einzelstrafe; vielmehr muss auch bei der Zumessung der Einzelstrafen die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamthinterziehungsumfang in den Blick genommen werden [9].
Kommt bei Serienstraftaten in der systematischen Vorgehensweise ein besonderes Maß an krimineller Energie zum Ausdruck, kann auch dieser Gesichtspunkt und nicht der konkrete Verkürzungsumfang bei der Bestimmung der Einzelstrafen im Vordergrund stehen [7].
Zwar erfordert das Schuldmaßprinzip (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB) regelmäßig eine differenzierende Zumessung der Einzelstrafen [10], die bei Steuerstraftaten eine an der Höhe der verkürzten Steuern ausgerichtete Differenzierung der Einzelstrafen nahelegt [7]. Dies schließt jedoch nicht aus, dass bei Steuerstraftaten – wie auch sonst bei Vermögensstraftaten –, denen gleichgelagerte Begehungsformen zugrunde liegen, eine Kategorisierung nach der Schadenshöhe erfolgen kann. Zwar muss diese immer am Maß des der konkreten Tat immanenten Schuldumfangs orientiert sein [11].
Allerdings kann bei Tatserien der durch die Einzeltat verursachte Verkürzungsumfang gegenüber der systematischen Vorgehensweise zur Erreichung einer Gesamthinterziehung dergestalt in den Hintergrund treten [12], dass Schwankungen bei den Verkürzungsbeträgen im Rahmen der fortgesetzten Tatbegehung bei der Bemessung der Einzelstrafen keine erhebliche Bedeutung mehr zukommt.
Soweit dies der Fall ist, dürfen auch Taten mit unterschiedlichem Hinterziehungsumfang für die Bemessung der Einzelstrafen zu Gruppen zusammengefasst werden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 02.12 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 21, BGHSt 53, 71, 80; vom 01.08.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 120; und vom 25.01.1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 5; Beschluss vom 23.03.1994 – 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, 111 und Urteil vom 01.02.1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100, 102[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.12 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 21, BGHSt 53, 71, 80 und Beschluss vom 18.03.1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.12 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 22, BGHSt 53, 71, 80[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2015 – 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 02.12 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 42, BGHSt 53, 71, 86; und vom 07.02.2012 – 1 StR 525/11, Rn. 29, BGHSt 57, 123, 130 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2012 – 1 StR 103/12, wistra 2012, 350[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 18.03.1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270[↩][↩][↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2012 – 1 StR 423/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 26 sowie die Beispiele für Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründe in BGH, Urteil vom 02.12 2008 – 1 StR 416/08, Rn. 44 ff., BGHSt 53, 71, 81[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2009 – 1 StR 627/08, Rn. 48, BGHSt 53, 221, 232 mwN und Beschluss vom 29.11.2011 – 1 StR 459/11, NZWiSt 2012, 112; vgl. auch Beschluss vom 25.09.2012 – 1 StR 407/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 24[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 06.11.2002 – 5 StR 361/02, NStZ-RR 2003, 72; und vom 29.06.2011 – 1 StR 136/11, wistra 2011, 423[↩]
- BGH aaO NStZ-RR 2003, 72[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 18.03.1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270 sowie Urteil vom 17.03.2009 – 1 StR 627/08, Rn. 48, BGHSt 53, 221, 232 und Beschluss vom 29.11.2011 – 1 StR 459/11, wistra 2012, 151[↩]