Regelmäßig ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender und damit als Unternehmer sowie Schuldner der Umsatzsteuer anzusehen ist.

Dies ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist1.
Schuldner der Umsatzsteuer aus einem Leistungsaustausch ist grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten ist. Dies ist derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist; ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich ausführt oder durch einen anderen, etwa einen Subunternehmer, ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts verbleibt2.
In dem hier entschiedenen Fall eines Schlüsseldienstes bedeutete dies:
Die D. war Vertragspartnerin der Kunden und damit leistende Unternehmerin (§ 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 UStG). Soweit die Monteure keine Arbeitnehmer waren, setzte die D. sie als Subunternehmer ein.
Die Kunden einigten sich mit der D. bereits am Telefon über alle wesentlichen Vertragsbestandteile (§§ 145 ff. BGB), nämlich über den geschuldeten Erfolg gegen Entgelt: Öffnen einer bestimmten Tür zu den ortsüblichen Sätzen (§ 632 Abs. 2 BGB). Nach außen erklärten die Kunden, wie nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) zu bestimmen ist, das Unternehmen zu beauftragen, das sie anriefen. Der nicht zum Ausdruck gekommene Vorbehalt der Telefonisten, Werkleistungen angeblich nur vermitteln zu wollen, ist unbeachtlich (§ 116 Satz 1 BGB).
Diese mit der D. zustande gekommenen Werkverträge änderten die Kunden und der vor Ort eingetroffene Monteur nicht ab, insbesondere nicht bezüglich des beauftragten Unternehmens. Entsprechende Willenserklärungen zur Änderung des Vertragspartners gaben die Beteiligten nicht ab. Eine (stillschweigende) Vertragsänderung wurde auch nicht durch Verwenden und Unterzeichnen des Auftragsformulars vor Ausführung der Werkleistung herbeigeführt. Hierfür fehlte den Kunden erkennbar das Erklärungsbewusstsein, weil das Eintragen eines Preises aus Sicht des objektiven Empfängers als bloße Konkretisierung des ortsüblichen Preises zu verstehen war und die Kunden davon ausgingen, allein mit der D. außen trat allein die D. in zu kontrahieren. Nach diesem Sinne auf, weil die Monteure erklärten, im Namen des angerufenen Unternehmens zu handeln. Damit kommt es auf die gegenteiligen Firmenangaben in den Auftrags- und Rechnungsformularen sowie die Gewerbeanmeldungen und Umsatzsteuererklärungen der Monteure nicht mehr an3.
Es handelt sich deswegen auch nicht um Strohmanngeschäfte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Strohmann im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung handelt4.
Die von den Monteuren abgegebenen Umsatzsteuererklärungen ändern nichts daran, dass im Steuerschuldverhältnis zur D. Umsatzsteuern verkürzt wurden. Diese Erklärungen sind nicht ?gegenzurechnen?. Dies ist keine Frage des Kompensationsverbots (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO).
Steuern sind nach § 370 Abs. 4 Satz 1 AO namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Eine Steuer ist nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO auch dann hinterzogen, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. Demnach dürfen aufgrund des Kompensationsverbots nur solche Steuerermäßigungen versagt werden, die der Steuerpflichtige aus „anderen Gründen“ hätte beanspruchen können. Das Tatbestandsmerkmal „andere Gründe“ konkretisiert durch seine Bezugnahme auf § 370 Abs. 4 Satz 1 und 2 AO den Begriff der Steuerverkürzung und wirkt sich demnach auch auf den Umfang des geschützten Rechtsguts der Steuerhinterziehung aus. Rechtsgut der Steuerhinterziehung ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, das heißt des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens. Um zu verhindern, dass der staatliche Steueranspruch verletzt wird, stellt § 370 Abs. 1 AO Verhaltensweisen unter Strafe, mit denen den Finanzbehörden die zur Feststellung der Anspruchshöhe notwendigen Tatsachen (Besteuerungsgrundlagen) entweder falsch erklärt oder pflichtwidrig vorenthalten werden. Maßgeblich für das Verständnis des Kompensationsverbots ist sein innerer Bezug zur Tatbestandsverwirklichung. Demnach sind dem Täter nur derartige Steuervorteile anzurechnen, die sich aus der unrichtigen Erklärung selbst ergeben oder die – im Falle des Unterlassens – ihm bei richtigen Angaben zugestanden hätten. Dies gilt jedenfalls, wenn diese mit den verschleierten steuererhöhenden Tatsachen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen und dem Täter ohne weiteres von Rechts wegen zugestanden hätten5.
Die D. war damit die Umsatzsteuerschuldnerin. In diesem Steuerschuldverhältnis wurden die Umsatzsteuern zu niedrig festgesetzt. Ob bei einer Gesamtbetrachtung der Steuerausfall durch (ungerechtfertigte) Leistungen aus anderen Steuerschuldverhältnissen ausgeglichen wird, ist jedenfalls für den Schuldspruch unerheblich.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Januar 2020 – 1 StR 113/19
- BFH, Beschlüsse vom 31.01.2002 – V B 108/01 Rn.19, BFHE 198, 208, 212; und vom 02.01.2018 – XI B 81/17 Rn. 18; Urteile vom 12.05.2011 – V R 25/10 Rn. 16; vom 07.07.2005 – V R 60/03 Rn.20; und vom 26.06.2003 – V R 22/02 Rn.20; BGH, Beschluss vom 05.02.2014 – 1 StR 422/13 Rn.19[↩]
- BFH, Beschluss vom 31.01.2002 – V B 108/01 Rn. 21, BFHE 198, 208, 213; Urteile vom 07.07.2005 – V R 60/03 Rn. 21; und vom 26.06.2003 – V R 22/02 Rn. 21[↩]
- vgl. dazu BFH, Beschluss vom 02.01.2018 – XI B 81/17 Rn.19[↩]
- dazu BFH, Beschluss vom 31.01.2002 – V B 108/01 Rn. 21, BFHE 198, 208, 213; Urteile vom 12.05.2011 – V R 25/10 Rn.20; vom 07.07.2005 – V R 60/03 Rn. 21; und vom 26.06.2003 – V R 22/02 Rn. 21; BGH, Beschlüsse vom 05.02.2014 – 1 StR 422/13 Rn.20; und vom 08.07.2014 – 1 StR 29/14 Rn. 10[↩]
- st. Rspr.; BGH, Urteil vom 13.09.2018 – 1 StR 642/17, BGHSt 63, 203 Rn. 16; Beschlüsse vom 13.09.2010 – 1 StR 220/09 Rn. 75; und vom 17.04.2008 – 5 StR 547/07 Rn. 23[↩]
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