Wegen Hinterziehung der Tabaksteuer macht sich derjenige nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG strafbar, der vorsätzlich seine Verpflichtung, eine Steuererklärung über ins Steuergebiet verbrachte oder versandte Tabakwaren abzugeben, verletzt und hierdurch Steuern verkürzt.

Dies ist bei jemanden nicht der Fall, der erst nach der Beendigung des Verbringungsvorgangs Besitz an den unversteuerten Tabakwaren erlangt hat, damit nicht Steuerschuldner im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG geworden ist und daher auch nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG zur unverzüglichen Abgabe einer Steuererklärung über die Zigaretten verpflichtet war.
Dieser kann sich insbesondere nicht der versuchten Steuerhehlerei bzw. der Beihilfe hierzu wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG oder § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO strafbar gemacht haben. Nach Beendigung des Verbringungsvorgangs fehlt es an der Strafbewehrung etwaiger verbrauchsteuerlicher Erklärungspflichten.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG hat der Steuerschuldner über Tabakwaren, für die Tabaksteuer entstanden ist, unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben. Die Steuer entsteht nach § 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG, wenn Tabakwaren in anderen als den in § 22 Abs. 1 TabStG genannten Fällen entgegen § 17 Abs. 1 TabStG aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbracht oder dorthin versandt werden (gewerbliche Zwecke) und sie erstmals für gewerbliche Zwecke in Besitz gehalten werden. Steuerschuldner dieser Steuer ist dabei gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG, wer die Lieferung vornimmt oder die Tabakwaren in Besitz hält und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat.
Als Steuerschuldner – und daher ohne unverzügliche Abgabe einer Steuererklärung über die Tabakwaren als strafbar wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG) – ist danach neben dem Lieferanten der Tabakwaren nur derjenige anzusehen, der vor Beendigung des Verbringungsvorgangs Besitz an den Tabakwaren erlangt hat1. Der erst nach Beendigung des Verbringungsvorgangs erlangte Besitz an unversteuerten Tabakwaren führt dagegen nicht zur Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung, sondern ist allein über den Straftatbestand der Steuerhehlerei gemäß § 374 Abs. 1 AO strafrechtlich sanktioniert.
Bereits zu der bis 31.03.2010 geltenden Vorgängerregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG in § 19 Satz 2 TabStG aF hat der Bundesgerichtshof entschieden2, dass nur derjenige Besitz an Tabakwaren die Steuerschuldnerschaft begründet, der erlangt wurde, bevor der Verbringungsbzw. Versendungsvorgang beendet ist, bevor also die Tabakwaren in Sicherheit gebracht und „zur Ruhe gekommen“ sind3.
Der Bundesgerichtshof geht – auch mit Blick auf den geänderten Wortlaut zur Person des Steuerschuldners in § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG – weiterhin davon aus, dass der Besitzer, der seinen Besitz an Tabakwaren erst nach Beendigung des Verbringungsvorgangs von einem anderen Mitgliedstaat in das Steuergebiet erlangt hat, keiner strafbewehrten Erklärungspflicht unterliegt4.
Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG und der Systematik der gesetzlichen Neuregelung in § 23 Abs. 1 TabStG ist nur derjenige Besitzer Steuerschuldner, der Besitz an den Tabakwaren vor der Beendigung des Verbringungsoder Versendungsvorgangs erlangt hat, also bevor die Tabakwaren nach dem Verbringungsoder Versendungsvorgang zur Ruhe gekommen sind5. Deutlich wird dies bereits dadurch, dass die Regelung zur Steuerschuldnerschaft in § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG sowohl inhaltlich als auch systematisch unmittelbar an die Regelung zur Entstehung der Steuerschuld in Satz 1 anschließt, die an die Verbringung oder Versendung der Tabakwaren in das Steuergebiet und den damit verbundenen erstmaligen Besitz im Steuergebiet anknüpft. Dieser systematische und inhaltliche Bezug der Regelung zur Person des Steuerschuldners in Satz 2 auf die in Satz 1 geregelte Entstehung des Steueranspruchs bei Verbringung oder Versendung der Tabakwaren ins Steuergebiet und den erstmaligen Besitz zeigt, dass mit Besitz i.S.d. des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG nur ein Besitz im Zusammenhang mit dem Verbringungsvorgang nach Satz 1 gemeint sein kann. Auch die in Satz 2 gewählte enge sprachliche Verbindung der beiden erstgenannten Handlungsalternativen (Vornahme der Lieferung einerseits und In-Besitz-Halten der Tabakwaren andererseits) durch dasselbe Subjekt „wer“ lässt erkennen, dass hier ein inhaltlicher Konnex besteht und dem Besitz daher nur insoweit Bedeutung zukommen kann, als er im Zusammenhang mit dem Liefervorgang steht. Die dritte Alternative des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG („der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat“) wäre überdies überflüssig, wenn jeder Besitz unabhängig von seiner Verbindung zum Liefervorgang bereits von der zweitgenannten Alternative erfasst wäre6.
Ein Bedürfnis für die Regelung der Steuerschuldnerschaft desjenigen Empfängers der Ware, der Besitz erlangt hat, ist nämlich – zur Klarstellung – nur dann erkennbar, wenn nicht ohnehin jeder Besitzer durch die zweitgenannte Alternative („wer die Tabakwaren in Besitz hält“) erfasst ist. Wäre es der Wille des Gesetzgebers gewesen, jeden Besitzer von Tabakwaren – unabhängig von dessen Einbindung in den Liefervorgang – zum Steuerschuldner zu machen, hätte es im Übrigen nahegelegen, dies sprachlich eindeutig zum Ausdruck zu bringen oder zumindest die verschiedenen Anknüpfungspunkte für die Steuerschuldnerschaft entsprechend der Chronologie der tatsächlichen Abläufe in der Rechtswirklichkeit in anderer Reihenfolge aufzuzählen, nämlich diejenigen Personen, die wegen ihrer Einbindung in den Verbringungsvorgang Steuerschuldner sein sollen (Lieferant und Empfänger), zuerst zu nennen und diese gegebenenfalls sprachlich durch ein gemeinsames Subjekt zu verknüpfen, und den Besitzer, der nicht in Verbindung mit dem Verbringungsoder Versendungsvorgang als Entstehungsgrund für die Steuerschuld stehen muss und über den der Anwendungsbereich der Regelung über den Verbringungsvorgang hinaus deutlich erweitert wird, im Anschluss gesondert zu benennen.
Die Nennung des Empfängers der Lieferung, der Besitz erlangt hat, an letzter Stelle der Aufzählung spricht danach ebenfalls dafür, dass nur derjenige Besitz unter § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG fällt, der bis zum Ende des Verbringungsvorgangs und dem „ZurRuheKommen“ der Tabakwaren erlangt wurde7.
Die historische und die teleologische Auslegung stehen dem genannten Verständnis im Ergebnis nicht entgegen.
Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs8 zu § 23 TabStG war die neue Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG9 (Systemrichtlinie) Anlass und Grund für die Neufassung der Regelung über die Entstehung der Steuerschuld, die Steuerschuldnerschaft und die Erklärungspflicht nach dem Tabaksteuergesetz6.
Bereits die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25.02.1992, die durch die neue Systemrichtlinie ersetzt wurde10, bezweckte, in bestimmtem Umfang den Besitz, den Verkehr und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren zu regeln, um zu gewährleisten, dass der Verbrauchsteueranspruch in allen Mitgliedstaaten unter gleichen Umständen gegeben ist11. Dabei stand als Zweck der Regelung im Vordergrund, dass auch ohne dem freien Warenverkehr hinderliche systematische Kontrollen durch die nationalen Behörden eine effektive, sichere und einheitliche Durchsetzung der Verbrauchsteuer in allen Mitgliedstaaten ermöglicht werden sollte12.
Dieser Zweck erforderte es nach der (erst nach Inkrafttreten des § 23 TabStG ergangenen) Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, den Begriff des Besitzers weit zu verstehen, nämlich in dem Sinne, dass jeder Besitzer der Waren auch Steuerschuldner ist13.
Dieser Rechtsprechung hat sich der Bundesfinanzhof angeschlossen, nachdem er zunächst ebenfalls davon ausgegangen war, dass der Verbringungsvorgang mit dem ZurRuheKommen der Tabakwaren endet14, und er die Auslegung des Begriffs des Besitzers nach § 19 Satz 2 TabStG aF offengelassen hatte15, jedoch nach Inkrafttreten der Neuregelung in § 23 Abs. 1 TabStG ein weiteres Verständnis des Besitzes im Sinne des § 19 Satz 2 TabStG aF zugrunde legen wollte und die Frage daher dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Entscheidung vorgelegt hatte16. Er hat insoweit ausgeführt, zur effektiven Auslegung des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25.02.1992 sei es geboten, denjenigen in Anspruch nehmen zu können, in dessen unmittelbarer Obhut sich eine Ware befinde und der deshalb anhand objektiver Umstände relativ leicht ausgemacht und zur steuerrechtlichen Verantwortung gezogen werden könne17. Gleichzeitig hat er aber selbst wiederholt zutreffend darauf hingewiesen, dass für die strafrechtliche Auslegung im Lichte des Art. 103 Abs. 2 GG ein anderes Verständnis geboten sein kann18.
Die neue Systemrichtlinie verfolgt den Zweck einer effektiven, sicheren und einheitlichen Durchsetzung des Verbrauchsteueranspruchs in den Mitgliedstaaten weiter, wie sich insbesondere aus deren Erwägungsgründen (1) und (8) ergibt. So ist Erwägungsgrund (1) zu entnehmen, dass die bisherige Verbrauchsteuerrichtlinie lediglich wegen erforderlich gewordener Änderungen aus Gründen der Klarheit durch die neue Systemrichtlinie ersetzt wurde, der Regelungszweck aber derselbe geblieben ist. Zweck der Richtlinie ist dabei ausweislich des Erwägungsgrundes (8) insbesondere die Sicherung des freien Warenverkehrs durch Klarstellung auf Gemeinschaftsebene, zu welchem Zeitpunkt die Überführung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr erfolgt und wer der Verbrauchsteuerschuldner ist.
Nach Art. 33 Abs. 3 der neuen Systemrichtlinie soll dabei Steuerschuldner diejenige Person sein, die die Lieferung vornimmt oder in deren Besitz sich die zur Lieferung vorgesehenen Waren befinden oder an die die Waren im anderen Mitgliedstaat geliefert werden. Alle Varianten dieser Regelung weisen somit – mehr noch als diejenigen der Vorgängerregelungen in Art. 7 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25.02.1992, zu der die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 03.07.2014 – C165/13 ergangen ist, einen engen Bezug zum Liefervorgang auf; insbesondere die Variante des Besitzes bezieht sich auf die „zur Lieferung vorgesehenen Waren“, was auch unter Berücksichtigung des Art. 33 Abs. 1 der neuen Systemrichtlinie ein Verständnis nahelegt, wonach – entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – nur der Besitz bis zur Beendigung des Liefervorgangs erfasst sein kann. Der Gerichtshof der Europäischen Union, dem insoweit nach Art. 267 EUV ein Auslegungsmonopol zukommt19, hat indes in seiner Entscheidung vom 03.07.201420 sein weites, dem Zweck einer möglichst effektiven Durchsetzung des Steueranspruchs geschuldetes Verständnis vom Begriff des Besitzes – ohne nähere Auseinandersetzung mit deren Wortlaut – durch die Regelung in Art. 33 Abs. 3 der neuen Systemrichtlinie bestätigt gesehen.
Aus der Begründung des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des § 23 TabStG ergibt sich allerdings, dass der nationale Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Neuregelung im Wesentlichen der bisherigen Regelung entspricht21. Hieraus ist abzuleiten, dass sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers durch die Neuregelung an der bisherigen Rechtslage nichts Wesentliches ändern sollte22. Mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Hinterziehung von Tabaksteuer lässt sich dies nur in dem Sinne verstehen, dass trotz der Aufnahme der zweitgenannten Alternative des „InBesitzHaltens“ von Tabakwaren in die Regelung zur Steuerschuldnerschaft (§ 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG) keine inhaltliche Erweiterung des Kreises der einer Strafdrohung unterworfenen Steuerschuldner erfolgen sollte.
Der Grundsatz der europafreundlichen Auslegung gebietet strafrechtlich keine Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG, die dem erst nach der Neuregelung der Voraussetzungen für die Steuerschuldnerschaft in § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG entwickelten Verständnis des Europäischen Gerichtshofs vom Begriff des „Besitzes“ i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 TabStG aF und des ihm folgenden Bundesfinanzhofs entspricht.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kommt den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der Bestimmtheit des anzuwendenden Rechts gerade im Strafrecht besondere Bedeutung zu; sie setzen jeder Auslegung von Strafnormen Grenzen23. Diesen Grundsätzen und dem Zweck der Systemrichtlinie, eine effektive und in allen Mitgliedstaaten einheitliche Erhebung der Verbrauchsteuern zu ermöglichen, ist durch eine streng am Wortlaut des Gesetzes orientierte Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG durch die Strafgerichte Rechnung getragen. Denn die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jeden Besitzer von unversteuerten Tabakwaren treffende Steuerschuldnerschaft24 ermöglicht dem Fiskus die Erhebung der Tabaksteuer bei jedem, der die Tabakwaren im Steuergebiet in Besitz hat. Die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gebotene effektive Durchsetzung dieses nach dem Verständnis des Bundesfinanzhofs bestehenden Steueranspruchs mittels wirkungsvoller abschreckender Maßnahmen25 ist auch bei der streng am Wortlaut orientierten Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG gewährleistet, weil vorsätzlich steuerrechtswidriges Verhalten eines jeden Besitzers von unversteuerten Tabakwaren strafrechtlich sanktioniert ist, nämlich im Fall des Verbringens in das Steuergebiet nach § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO (und nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG als mitbestrafte Nachtat), im Fall des Besitzers, der die Tabakwaren nicht selbst ins Steuergebiet verbringt, aber den Besitz vor Beendigung des Verbringungsvorgangs erlangt, über den Straftatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG und im Falle eines Besitzers, der den Besitz erst nach Beendigung des Verbringungsvorgangs erhält, über den Tatbestand der Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 Variante 1, 2 AO).
Mit den Strafnormen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO und des § 374 Abs. 1 Varianten 1, 2 AO wird zwar – zum Schutz desselben Steueranspruchs – unterschiedliches Tatunrecht sanktioniert, nämlich die Verletzung einer eigenen steuerrechtlichen Pflicht des Täters durch die Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO) einerseits und die Perpetuierung des durch den Vortäter geschaffenen steuerrechtswidrigen Zustands durch den Tatbestand der Steuerhehlerei26 andererseits. Allerdings greifen beide Straftatbestände dergestalt ineinander, dass eine lückenlose strafrechtliche Verfolgung von vorsätzlich steuerrechtswidrigem Verhalten und damit eine effektive Durchsetzung des staatlichen Steueranspruchs gewährleistet ist.
Im vorliegenden Zusammenhang ist der Straftatbestand der Steuerhehlerei (§ 374 AO) aber auch insoweit von Bedeutung, als er bei einer Auslegung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO und der die hierfür relevanten Erklärungspflichten begründenden Regelungen mit in den Blick genommen werden muss. Eine auch strafrechtlich beachtliche Steuerschuldnerschaft und damit verbundene Erklärungspflicht über die Tabakwaren bei nahezu jedem Besitz würde den gerade zur Sanktionierung einer Aufrechterhaltung steuerrechtswidriger Besitzlagen geschaffenen Tatbestand der Steuerhehlerei weitgehend entwerten, weil kaum besitzlose Verschaffungsoder Absatzvorgänge vorstellbar sind. Ein solches Auslegungsergebnis entspräche nicht dem Willen des Gesetzgebers, weil durch eine Entgrenzung des Straftatbestands der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Verbindung mit den Regelungen über die an den Besitz anknüpfenden verbrauchsteuerlichen Erklärungspflichten für den Straftatbestand der Steuerhehlerei mit seinem spezifischen Wertungssystem für steuerbare Gegenstände kein nennenswerter Anwendungsbereich verbliebe. Dieses Ergebnis tritt dann nicht ein, wenn – wie es für die Tabaksteuer der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG nahelegt – der erst nach Beendigung des Verbringungsvorgangs erlangte Besitz (in strafrechtlicher Hinsicht) keine Steuerschuldnerschaft begründet und damit allein unter dem Gesichtspunkt der Steuerhehlerei geahndet wird.
Dabei ist auch dem zu beachtenden Grundsatz der gemeinschaftsfreundlichen Auslegung zwecks effektiver Durchsetzung des Unionsrechts Genüge getan, weil strafrechtlich keine Schutzlücken entstehen. Vor dem Hintergrund der Zielsetzungen der Systemrichtlinie ist es ohne Bedeutung, ob die verbrauchsteuerlichen Pflichten über die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO oder über die Steuerhehlerei gemäß § 374 AO geschützt werden.
Für den hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall bedeutete dies:
Die Angeklagten erlangten an den unversteuerten Zigaretten erst nach deren Einlagerung in den Containern Besitz. In Anbetracht der erheblichen Zeit der Lagerung der Zigaretten in den Containern steht dabei außer Frage, dass diese mit dem Abladen in den Containern zur Ruhe gekommen waren und der Verbringungsvorgang beendet war. Die Angeklagten waren daher nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG als Steuerschuldner zur unverzüglichen Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet; eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist nicht gegeben.
Die Angeklagten haben sich auch nicht wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO strafbar gemacht. Eine Strafbarkeit der Angeklagten nach dieser Regelung scheidet bereits deshalb aus, weil die Norm nur das pflichtwidrige Unterlassen der Verwendung von Steuerzeichen im Rahmen der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr des Steuergebiets unter Strafe stellt27, wie sich aus dem Regelungszusammenhang der § 17 Abs. 1 Satz 3, § 15 Abs. 1, § 21 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG ergibt, wonach die Steuerzeichen verwendet sein müssen, wenn die Steuer entsteht (§ 17 Abs. 1 Satz 3 TabStG), also mit Überführen in den steuerrechtlich freien Verkehr (§ 15 TabStG), der Einfuhr aus einem Drittland ins Steuergebiet (§ 21 Abs. 1 TabStG) oder dem Verbringen oder Versenden der Tabakwaren in das Steuergebiet (§ 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG, vgl. Jäger in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 391). Die Angeklagten waren am Verbringungsvorgang, der mit der Einlagerung in den Containern abgeschlossen war, nicht (vorsätzlich) beteiligt, sondern haben ihre Tatbeiträge in Kenntnis der die Strafbarkeit begründenden Umstände erst nach dessen Beendigung erbracht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. April 2019 – – 1 StR 81/18
- vgl. auch Weidemann, wistra 2014, 433; Allgayer/Sackreuther, NZWiSt 2014, 235, 237 f.; a.A. Bongartz, in: Bongartz/SchröerSchallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 3. Aufl., S. 457 f.; Jäger in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 400[↩]
- BGH, Urteil vom 02.02.2010 – 1 StR 635/09 Rn. 7 ff. mwN[↩]
- vgl. auch BGH, Urteile vom 24.06.1952 – 1 StR 316/51 Rn. 31, BGHSt 3, 40, 44; und vom 14.03.2007 – 5 StR 461/06 Rn. 40 mwN; Middendorp, ZfZ 2011, 197, 202 f. mwN; Höll, PStR 2011, 50; Leplow, wistra 2014, 421, 423[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 08.07.2014 – 1 StR 240/14 Rn. 3; und vom 14.10.2014 – 1 StR 521/14 Rn. 18[↩]
- vgl. Weidemann, wistra 2014, 433; zum Wortlaut a.A. Middendorp, ZfZ 2011, 197, 202; Höll, PStR 2011, 50, 51[↩]
- vgl. auch Allgayer/Sackreuther, NZWiSt 2014, 232, 237[↩][↩]
- vgl. auch Allgayer/Sackreuther, NZWiSt 2014, 232, 237; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 63. Lieferung, § 370 AO Rn. 362[↩]
- BR-Drs. 169/09 S. 1, 135, 144; BT-Drs. 16/12257 S. 74, 80[↩]
- Abl.EU L 9 vom 14.01.2009, S. 12[↩]
- vgl. Erwägungsgrund 1 der neuen Systemrichtlinie[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.07.2014 – C165/13 Rn. 17[↩]
- EuGH aaO Rn. 26[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.07.2014 – C165/13 Rn. 25 zu § 19 TabStG aF; a.A. Middendorp, ZfZ 2011, 197, 202 unter Hinweis auf den Wortlaut des Art. 33 RL 2008/118/EG[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 13.10.2005 – – VII S 46/05 [PKH] Rn.20 ff.; anders dann allerdings BFH, Urteil vom 07.03.2006 – – VII R 23/04 Rn. 21 ff., BFHE 212, 321, 325 f.[↩]
- BFH, Urteile vom 22.05.2012 – – VII R 51/11 Rn. 14, BFHE 237, 559, 562 und – VII R 50/11 Rn. 15, BFHE 237, 554, 558[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 12.12 2012 – – VII R 44/11, BFHE 240, 458; Urteil vom 11.11.2014 – – VII R 44/11 Rn. 13 ff., BFHE 248, 271, 275 ff.[↩]
- BFH, Urteil vom 11.11.2014 – – VII R 44/11 Rn. 15, BFHE 248, 271, 276 mwN[↩]
- BFH, Urteile vom 11.11.2014 – – VII R 44/11 Rn. 18, BFHE 248, 271, 277; und vom 27.11.2014 – – VII R 40/12 Rn. 16[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 20.11.2008 – 1 StR 354/08 Rn. 12, BGHSt 53, 45, 50[↩]
- EuGH, Urteil vom 03.07.2014 – C-165/13, Rn. 27[↩]
- BR-Drs. 169/09 S. 144; BT-Drs. 16/12257 S. 80[↩]
- vgl. auch Middendorp, ZfZ 2011, 197, 202, 205[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 05.12 2017 – C42/17 Rn. 51 f., 59[↩]
- BFH, Urteil vom 11.11.2014 – – VII R 44/11 Rn. 13 ff., BFHE 248, 271, 275 ff.[↩]
- vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 05.12 2017 – C42/17 Rn. 30; Jäger, Gedächtnisschrift für Joecks, S. 513, 518[↩]
- BGH, Beschluss vom 09.06.2011 – 1 StR 21/11 Rn. 9 mwN; Urteil vom 07.11.2007 – 5 StR 371/07 Rn. 24[↩]
- vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 63. Lieferung, § 370 AO Rn. 360 f. mwN; Middendorp, ZfZ 2011, 197, 204[↩]