Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Rechtssuchenden „leer laufen“ lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden [1].

Zwar fordert Art.19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art.19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle [2].
Diesen Anforderungen hielt der hier vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffene Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts [3] nicht stand:
§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt, von einer Begründung der Rechtsbeschwerde-entscheidung abzusehen, wenn das Oberlandesgericht die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet, was das Bundesverfassungsgericht vorliegend getan hat. Dies ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden [4]. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich der Beschluss selbst verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen [5]. Dies ist angesichts der aufgezeigten inhaltlichen Abweichung der Entscheidungsgründe des (erstinstanzlichen) Landgerichts Amberg von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hier der Fall.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Dezember 2020 – 2 BvR 2194/19
- vgl. BVerfGE 96, 27 <39> 117, 244 <268> 122, 248 <271> stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.> 54, 94 <96 f.> 122, 248 <271> stRspr[↩]
- BayObLG, Beschluss vom 05.12.2019 – 203 StObWs 2324719[↩]
- vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.> 71, 122 <135> 81, 97 <106>[↩]
- vgl. BVerfGK 19, 306 <317 f. m.w.N.> BVerfG, Beschluss vom 06.02.2020 – 2 BvR 1719/19, Rn. 26[↩]
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