Das vom Gericht nicht zur Kenntnis genommene Vorbringen

Liegen im Einzelfall besondere Umstände vor, die deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist, kommt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG in Betracht1.

Das vom Gericht nicht zur Kenntnis genommene Vorbringen

Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war2

So auch im hier entschiedenen Fall: Der Beschwerdeführer hat in seiner Rechtsbeschwerde ausdrücklich einen bestimmten Verstoß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts gegen dessen Pflichten gerügt; es stellte wesentliches Vorbringen des Beschwerdeführers dar. Vor diesem Hintergrund deutet der Umstand, dass das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde mit einer Tenorbegründung als unzulässig verworfen hat, ohne auf die Rüge des Beschwerdeführers einzugehen, darauf hin, dass das Oberlandesgericht den diesbezüglichen Vortrag nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und erwogen hat3. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Oberlandesgerichte gemäß § 119 Abs. 3 StVollzG unter den dort bezeichneten Voraussetzungen berechtigt sind, eine Rechtsbeschwerde ohne Begründung zu verwerfen4. Vielmehr weist der ergänzende Hinweis des Oberlandesgerichts auf zwei Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamburg über die Regelung der Vergütung von Gefangenen und Sicherungsverwahrten in Hamburg darauf hin, dass das Oberlandesgericht sich zwar inhaltlich mit der Rechtsbeschwerde auseinandergesetzt hat, jedoch gerade den vorgetragenen Verstoß des Landgerichts gegen die richterlichen Prüfpflichten aus Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG außer Acht gelassen hat. 

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Überraschungsentscheidung bei verletzter gerichtlicher Sachaufklärungspflicht

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. April 2023 – 2 BvR 526/22

  1. vgl. BVerfGE 65, 293 <295> 70, 288 <293> 86, 133 <146>[]
  2. vgl. auch BVerfGE 47, 182 <189>[]
  3. vgl. BVerfGE 18, 380 <383>[]
  4. vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.03.2008 – 2 BvR 378/05, Rn. 33; Beschluss vom 24.07.2008 – 2 BvR 610/08, Rn. 6[]

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