Einstweiliger Rechtsschutz – und die Untätigkeit einer Strafvollstreckungskammer

Das Unterlassen der Strafvollstreckungskammer, einen Antrag des Gefangenen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung seiner Dringlichkeit als Eilantrag entsprechend zu behandeln, verletzt diesen in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Einstweiliger Rechtsschutz – und die Untätigkeit einer Strafvollstreckungskammer

19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gibt dem Rechtsschutzsuchenden Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle1. Wirksam ist nur ein Rechtsschutz, der innerhalb angemessener Zeit gewährt wird. Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ergeben sich auch Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen über den Eilrechtsschutz2. Dieser muss darauf ausgerichtet sein, dass der Rechtsschutz sich auch im Eilverfahren nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpft, sondern zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führt3.

Insbesondere der vorläufige Rechtsschutz im Eilverfahren hat so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich eine Maßnahme bei endgültiger richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist4. Wo die Dringlichkeit eines Eilantrages es erfordert, muss das angerufene Gericht, wenn es eine Stellungnahme der Gegenseite einholt, die für eine rechtzeitige Entscheidung erforderliche Zügigkeit der Kommunikation sicherstellen5. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu erfolgen6.

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Diesen Anforderungen ist das Landgericht im hier entschiedenen Fall mit der bereits seit über sieben Monaten ausbleibenden Entscheidung im fachgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren nicht gerecht geworden. Zwar hat das Gericht die Justizvollzugsanstalt bereits innerhalb eines Werktages nach Antragstellung zu einer Stellungnahme binnen eines Werktags aufgefordert und nach weiteren vier Tagen mit einer Verfügung einen gerichtlichen Hinweis erteilt. Dass daraufhin – auch nach Erhebung der Verzögerungsrüge und mehrfacher erneuter Rügen der Verzögerung – auch nach sieben Monaten noch keine Entscheidung über den gestellten Eilrechtsschutzantrag erfolgte, wird allerdings einer effektiven und den Anforderungen von Art.19 Abs. 4 GG genügenden Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht mehr gerecht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Notrufsystem auf den Hafträumen für Gefangene in Notfällen und Gefahrsituationen, dessen Funktionsunfähigkeit der Gefangene rügte, eine wichtige Möglichkeit der Kommunikation darstellt, sodass eine zügige Bearbeitung des Eilrechtsschutzantrages geboten gewesen wäre.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. Mai 2022 – 2 BvR 167/22

  1. vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.> 37, 150 <153> 101, 397 <407> stRspr[]
  2. vgl. BVerfGE 49, 220 <226> 77, 275 <284> 93, 1 <13 f.> stRspr[]
  3. vgl. BVerfGE 40, 272 <275> 61, 82 <111> 67, 43 <58> BVerfGK 1, 201 <204 f.>[]
  4. vgl. BVerfGE 37, 150 <153> 65, 1 <70>[]
  5. vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11.08.2020 – 2 BvR 437/20, Rn. 2; und vom 02.06.2021 – 2 BvR 899/20, Rn. 2 jeweils m.w.N.[]
  6. vgl. BVerfGE 79, 69 <75> BVerfG, Beschlüsse vom 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12, Rn. 3; vom 14.09.2016 – 1 BvR 1335/13, Rn.20; und vom 26.06.2018 – 1 BvR 733/18, Rn. 4; Beschluss vom 21.04.2021 – 1 BvR 683/21 und 1 BvQ 40/21, Rn. 4[]
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