19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gibt dem Rechtsschutzsuchenden Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle1. Wirksam ist nur ein Rechtsschutz, der innerhalb angemessener Zeit gewährt wird.

Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ergeben sich auch Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen über den Eilrechtsschutz2. Dieser muss darauf ausgerichtet sein, dass der Rechtsschutz sich auch im Eilverfahren nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpft, sondern zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führt3.
Insbesondere der vorläufige Rechtsschutz im Eilverfahren hat so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich eine Maßnahme bei endgültiger richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist4.
Wo die Dringlichkeit eines Eilantrages es erfordert, muss das angerufene Gericht, wenn es eine Stellungnahme der Gegenseite einholt, die für eine rechtzeitige Entscheidung erforderliche Zügigkeit der Kommunikation sicherstellen5. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu erfolgen6.
Es spricht jedenfalls in einer Gesamtschau viel dafür, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg diesen Anforderungen im hier entschiedenen Fall nicht gerecht geworden ist. So erweist es sich bereits als bedenklich, dass der am 4.11.2022 beim Landgericht eingegangene und auch optisch als solcher erkennbare Eilrechtsschutzantrag des Beschwerdeführers, der eine grundrechtssensible Anordnung im Maßregelvollzug zum Gegenstand hatte, offenbar erstmals am 11.11.2022 durch den zuständigen Richter gesichtet wurde. Auch die weitere gerichtliche Behandlung des Antrags lässt eine insoweit gebotene zügige Vorgehensweise nicht erkennen. Schon bei der Gewährung einer einwöchigen Stellungnahmefrist für die Fachklinik musste es sich der Strafvollstreckungskammer aufdrängen, dass eine gerichtliche Entscheidung über den Antrag gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 StVollzG allenfalls noch kurz vor dem Auslaufen der auf vier Wochen befristeten Anordnung möglich sein würde. Soweit die Abfassung einer Entscheidung nach Eingang der angefragten Stellungnahme wegen der Abwesenheit des zur Entscheidung berufenen Richters nicht möglich gewesen sein sollte, vermag dies das Nichtergehen einer Sachentscheidung ebenso wenig zu rechtfertigen wie die offenbar irrige Annahme eines Geltungszeitraums der angegriffenen Anordnung von einem Monat (statt vier Wochen). Durch die späte Eingangsbearbeitung, die Stellungnahmefrist von einer Woche für die Fachklinik und die Gestaltung des weiteren Verfahrens nach Eingang der Stellungnahme hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts den Antrag des Beschwerdeführers faktisch leerlaufen lassen, ohne dass die geschilderte Vorgehensweise unausweichlich gewesen wäre.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 3. August 2023 – 2 BvR 49/23
- vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.> 37, 150 <153> 101, 397 <407> stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 49, 220 <226> 77, 275 <284> 93, 1 <13 f.> stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 40, 272 <275> 61, 82 <111> 67, 43 <58> BVerfGK 1, 201 <204 f.>[↩]
- vgl. BVerfGE 37, 150 <153> 65, 1 <70>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.08.2020 – 2 BvR 437/20, Rn. 2; Beschluss vom 02.06.2021 – 2 BvR 899/20, Rn. 22; Beschluss vom 25.05.2022 – 2 BvR 167/22, Rn.20[↩]
- vgl. BVerfGE 79, 69 <75> Beschluss vom 25.05.2022 – 2 BvR 167/22, Rn.20 m.w.N.[↩]