Kehrt ein ausgewiesener Verurteilter nach vorherigem Absehen von der Vollstreckung (§ 456a StPO) zurück, ist die Vollstreckung grundsätzlich auch dann nachzuholen, wenn die Rückkehr aufenthaltsrechtlich erlaubt erfolgt.

Der der Staatsanwaltschaft durch § 456 Abs. 2 Satz 3 StPO eingeräumte Ermessensspielraum wird durch § 17 Abs. 2 StVollstrO – wonach die Vollstreckung für den Fall der Rückkehr nachgeholt werden soll – dahingehend eingegrenzt wird, dass die Nachholungsanordnung der Regelfall ist. Denn der ausländische Strafgefangene ist durch § 456a Abs. 1 StPO gegenüber anderen Strafgefangenen privilegiert, die nur unter den Voraussetzungen des § 57 StGB entlassen werden können. Kehrt der ausgewiesene Verurteilte freiwillig zurück, unterwirft er sich wieder der deutschen Rechtsordnung und muss dann allen anderen abgeurteilten Straftätern in einer vergleichbaren Situation rechtlich gleichgestellt werden; dazu gehört auch die Gleichstellung hinsichtlich des bisher noch nicht verbüßten Teils der Strafe. Ohne besondere Umstände verdichtet sich deshalb das Vollstreckungsrecht zur Vollstreckungspflicht1. Solche besonderen Umstände, die angesichts der Art und Schwere der Taten und anderer berücksichtigungsfähiger Tatsachen ein Absehen von der danach regelmäßig zu treffenden Vorweganordnung als möglich erscheinen ließen und deshalb eine nähere Begründung der getroffenen Entscheidung erfordert hätten, sind vorliegend nicht ersichtlich2.
Nur die Entscheidung über das Absehen von der Vollstreckung ist gemäß § 456a Abs. 1 StPO insoweit an die aufenthaltsrechtliche Beurteilung gekoppelt, als dies eine bestandskräftige Ausweisung des Verurteilten voraussetzt. Dagegen ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 456 Abs. 2 StPO, dass die Nachholung der Vollstreckung allein an die Rückkehr des Verurteilten in das Bundesgebiet anknüpft.
Dementsprechend ist es anerkannt, dass die Nachholung der Vollstreckung auch dann zulässig ist, wenn der Verurteilte nach aufenthaltsrechtlichen Maßstäben erlaubt nach Deutschland zurückkehrt3. Im Hinblick darauf, dass die Nachholung der Vollstreckung die Regel darstellt, ist es danach nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft der auf der Grundlage des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19.09.20134 geänderten aufenthaltsrechtlichen Situation des Verurteilten keine durchgreifende Bedeutung beigelegt hat.
Soweit der Verurteilte im vorliegenden Fall beanstandet hat, nicht ordnungsgemäß über die Bedeutung der Entscheidung nach § 456a Abs. 1 StPO und insbesondere die Folgen einer Rückkehr nach Deutschland belehrt worden zu sein, kann dies nicht nachvollzogen werden. Der Bescheid der Staatsanwaltschaft T. vom 01.02.2001 enthielt den der Rechtslage entsprechenden und eindeutigen Hinweis, dass die Vollstreckung bei der Rückkehr in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nachgeholt wird. Soweit dies dem Verurteilten nur in deutscher Sprache mitgeteilt wurde, war der Verurteilte nach Aktenlage der deutschen Sprache hinreichend mächtig. Im Übrigen ergibt sich aus der Einlassung des Angeklagten bei seiner Festnahme, dass ihm sich die aus § 456a Abs. 2 StPO ergebenden Folgen einer Rückkehr nach Deutschland bekannt waren, er seinerzeit auch keineswegs im Vertrauen auf einen geänderten aufenthaltsrechtlichen Status ins Bundesgebiet gekommen war, sondern sich schlicht im Irrtum über die Dauer der Ausschreibung zur Festnahme befunden hatte.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 5. Mai 2015 – 2 Ws 158/15
- vgl. OLG Karlsruhe, Die Justiz 1999, 345; OLG Hamburg NStZ-RR 1999, 123; OLG Oldenburg StraFo 2015, 84; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl.2014, § 456a Rn. 6; Graalmann-Scheerer in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl.2010, § 456a Rn. 22[↩]
- vgl. zum Ganzen OLG Stuttgart OLGSt StPO § 456a Nr. 4 und 5[↩]
- OLG Köln OLGSt StPO § 456a Nr 9; OLG Düsseldorf MDR 1991, 889; Graalmann-Scheerer a.a.O.[↩]
- EuGH NJW 2014, 527[↩]