Die Auslieferung eines Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls ist nach § 73 IRG unzulässig, wenn nicht sichergestellt ist, dass die dortigen Haftbedingungen den in Art. 3 EMRK verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen genügen.

Die Prüfung, ob die Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat Art. 3 EMRK genügen, hat anhand der vom EGMR in seiner Grundsatzentscheidung vom 20.10.20161 aufgestellten Kriterien zu erfolgen2.
Danach stellt eine Haftraumgrundfläche von 3 m² pro Inhaftiertem bei Belegung eines Haftraumes mit mehreren Gefangenen das von Art. 3 EMRK verlangte Minimum dar. Die Unterschreitung dieses Minimalstandards begründet eine starke Vermutung für eine unmenschliche Behandlung.
Um entgegen der Regelvermutung einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu verneinen, müssen drei (kompensatorische) Voraussetzungen kumulativ gegeben sein. Erstens darf die Haftraummindestgröße von 3 m² pro Gefangenem nur kurzzeitig, gelegentlich und geringfügig unterschritten werden. Zweitens muss die Reduktion der Haftraummindestgröße einhergehen mit ausreichender Bewegungsfreiheit außerhalb der Zellen und adäquaten Aktivitäten außerhalb der Hafträume. Und drittens muss die betreffende Haftanstalt generell angemessen ausgestattet sein und darf es keine anderen den Gefangenen beschwerenden Haftumstände geben.
Der Zulässigkeitserklärung steht das Rechtshilfeverbot des § 73 IRG entgegen. Nach dieser Vorschrift ist – europarechtskonform3 – die Leistung von Rechtshilfe im Auslieferungsverkehr mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union unzulässig, wenn ihre Erledigung zu den in Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) enthaltenen Grundsätzen im Widerspruch stünde. Dies aber ist vorliegend der Fall. Denn es ist nicht sichergestellt, dass die Haftbedingungen, die der Verurteilte im Falle seiner Auslieferung an Rumänien im dortigen Strafvollzug zu erwarten hat, den in Art. 3 EMRK verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen genügen. Die Anforderungen, die Art. 3 EMRK normiert, gehören gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV zu den von § 73 IRG in Bezug genommenen Grundsätzen des Art. 6 EUV4.
Nach der Rechtsprechung des EuGH5 sind Europäische Haftbefehle gemäß Art. 1 Abs. 2 RbEuHB vom ersuchten Mitgliedstaat nach dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens prinzipiell zu vollstrecken. Lediglich ausnahmsweise kommt, um das dem RbEuHB zu Grunde liegende System der gegenseitigen Anerkennung und des freien Verkehrs strafrechtlicher justizieller Entscheidungen nicht zu konterkarieren, eine Ablehnung der Auslieferung in Betracht. Dies ist dann der Fall, wenn ein Verstoß gegen das – nicht nur in Art. 3 EMRK, sondern wortgleich auch in Art. 4 der EU-Grundrechtecharta aufgestellte – Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung droht. Bei der Prüfung, ob eine solche Gefahr besteht, ist nach dem vorgenannten Urteil des EuGH zweistufig vorzugehen.
Zunächst ist zu klären, ob generell und abstrakt eine Gefahr menschenrechtswidriger Haftbedingungen im ersuchenden Staat besteht. Die Justizbehörden des ersuchten Staates haben zunächst zu prüfen, ob objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben für die Annahme systemischer oder allgemeiner, bestimmte Personengruppen oder bestimmte Haftanstalten betreffende Mängel der Haftbedingungen im ersuchenden Mitgliedstaat vorliegen. Diese Angaben können sich unter anderem aus Entscheidungen internationaler Gerichte (Urteilen des EGMR), aus Entscheidungen von Gerichten des ersuchenden Staates oder aus Entscheidungen, Berichten oder anderen Schriftstücken von Organen des Europarates oder aus dem System der Vereinten Nationen ergeben.
wenn danach tatsächliche Anhaltspunkte für menschenrechtswidrige Haftbedingungen vorliegen, ist nach dem vorgenannten Urteil des EuGH auf einer zweiten Prüfungsstufe einzelfallbezogen zu klären, ob die Haftbedingungen, die der konkrete Verfolgte im Falle seiner Auslieferung im ersuchenden Staat zu erwarten hat, menschenrechtswidrig sind oder nicht. Insofern sind Erklärungen des ersuchenden Staates und Zusicherungen hinsichtlich der Haftbedingungen einzuholen. Kann nach dem Ergebnis dieses Konsultationsverfahrens letztlich das Vorliegen einer „echten Gefahr“ menschenrechtswidriger Haftbedingungen im konkreten Einzelfall nicht (innerhalb einer angemessenen Frist) ausgeschlossen werden, muss die Auslieferung abgelehnt werden6.
Die vom EuGH als Voraussetzung für die Statthaftigkeit und zugleich Notwendigkeit eines Eintritts in eine einzelfallbezogene Prüfung der Haftbedingungen im konkreten Auslieferungsfall verlangte allgemeine Besorgnis menschenrechtswidriger Haftbedingungen ist zu bejahen7. Das Oberlandesgericht verweist insofern auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Bremen8, des Oberlandesgerichts Stuttgart9 und des Oberlandesgerichts Hamm10, mit denen jeweils die Auslieferung eines Verfolgten zum Zwecke der Strafvollstreckung an Rumänien für unzulässig erklärt wurde, weil eine Prüfung ergeben habe, dass ein den menschenrechtlichen Mindestanforderungen genügender Strafvollzug in Rumänien nicht gewährleistet sei. Hinzu kommt, dass der EGMR in einer Vielzahl von Entscheidungen die Haftbedingungen in rumänischen Justizvollzugsanstalten als EMRK-widrig beanstandet hat11.
Mithin war vorliegend auf der zweiten Prüfungsstufe zu klären, welche Haftbedingungen der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung konkret zu erwarten hat, und waren diesbezügliche Erklärungen und Zusicherungen der rumänischen Justiz einzuholen.
Zu Recht hat die Generalstaatsanwaltschaft Celle deshalb bereits mit Schreiben vom 18.11.2016 von der rumänischen Justiz eine Mitteilung erbeten, ob sichergestellt sei, dass der Verfolgte während der Vollstreckung der Strafe in einem Haftraum untergebracht sei, in dem jedem Gefangenen mindestens 3 m² Raumfläche zur Verfügung steht. Mit Schreiben an die zuständige rumänische Justizbehörde vom 20.12 2016 hat die Generalstaatsanwaltschaft ihre Nachfrage wiederholt und um eine konkrete, einzelfallbezogene und detaillierte Zusicherung hinsichtlich der Haftbedingungen ersucht, die der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in Rumänien zu erwarten habe. Erforderlich dafür, dass eine Auslieferung des Verfolgten vom Oberlandesgericht Celle für zulässig erklärt werden könne, sei eine Zusicherung dahingehend, dass der Haftraum eine Grundfläche von mindestens 3 m² pro Gefangenem (einschließlich Bett, sonstiger Möbel und Gemeinschaftsflächen innerhalb der Zelle) aufweise.
Die rumänischen Justizbehörden haben der Generalstaatsanwaltschaft Celle auf deren Anfragen hin zunächst am 29.12 2016 ein allgemeines Schreiben der Nationalen Verwaltung der Justizvollzugsanstalten vom 28.11.2016 übermittelt. Ausweislich der Darlegungen in diesem Schreiben der Nationalen Verwaltung der Justizvollzugsanstalten wird in Rumänien zwischen vier Arten des Strafvollzuges differenziert: dem Hochsicherheitsvollzug, dem geschlossenen Vollzug, dem halboffenen Vollzug und dem offenen Vollzug. Bei der Entscheidung darüber, welchem Vollzugsregime ein Strafgefangener zugewiesen wird, würden primär die Dauer der Haftstrafe, aber auch die Gefährlichkeit des Verurteilten, seine Vorstrafen, sein Alter und sein Gesundheitszustand, das Verhalten des Verurteilten sowie weitere Kriterien berücksichtigt. Der Hochsicherheitsvollzug sei grundsätzlich vorgesehen für Personen, die zu einer lebenslangen oder dreizehn Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt wurden. In dieser Vollzugsform seien zudem gefährliche Gefangene untergebracht. Im geschlossenen Vollzug würden Gefangene grundsätzlich dann untergebracht, wenn sie eine Haftstrafe mit der Dauer von über drei und bis zu dreizehn Jahren zu verbüßen hätten. Der halboffene Vollzug sei grundsätzlich vorgesehen für Personen mit einer Haftstrafe von mehr als einem und bis zu drei Jahren. Der offene Vollzug sei grundsätzlich für Personen vorgesehen, die eine bis zu einem Jahr dauernde Haftstrafe zu verbüßen haben. Die Zuweisung zu einer Vollzugsform erfolge allerdings nicht nur nach Maßgabe der Haftdauer, sondern sei letztlich einzelfallabhängig. Die Zuweisung zu einer Vollzugsform erfolge durch einen Vollzugsausschuss, der seine Entscheidung am Ende eines dreiwöchigen Beobachtungszeitraumes treffe. Die Zuweisung am Ende der dreiwöchigen Beobachtungsphase zu Beginn der Haftzeit sei nicht endgültig. Vielmehr sei abhängig vom vollzuglichen Verhalten des Verurteilten ein Wechsel in eine restriktivere oder weniger restriktive Vollzugsform möglich.
In der Erklärung heißt es weiter, dass Strafgefangenen in den beiden geschlossenen Vollzugsformen (Hochsicherheitsvollzug und geschlossener Vollzug) pro Person im Haftraum eine Fläche von 3 m² (einschließlich Bett und Möbel) zur Verfügung stehe. Im halboffenen und offenen Vollzug betrage diese Fläche 2 m². Die Hafträume verfügten über das notwendige Mobiliar, eine natürliche Belüftung und Beleuchtung sowie über eine Heizung. Die Gefangenen hätten ständigen Zugang zu Wasserversorgung und zu sanitären Einrichtungen.
Der Verfolgte werde, so das Schreiben der Nationalen Verwaltung der Justizvollzugsanstalten vom 28.11.2016, voraussichtlich seine Haftstrafe in einer Vollzugsanwalt in der Nähe seines Wohnortes in der Vollzugsform des geschlossenen Vollzuges verbüßen.
In Reaktion auf diese Mitteilung der rumänischen Justiz hat die Generalstaatsanwaltschaft Celle mit Schreiben an die rumänischen Behörden vom 30.12 2016 darauf hingewiesen, dass eine Auslieferung auf der Basis dieser Zusicherung für unzulässig erklärt werden würde, weil für den halboffenen Vollzug lediglich eine Mindestraumfläche pro Gefangenem von 2 m² zugesichert sei. Es werde deshalb um eine Prüfung gebeten, ob eine ergänzende Zusicherung dahingehend erfolgen könne, dass dem Verfolgten auch bei einer Verlegung in den halboffenen Vollzug eine Raumfläche von mindestens 3 m² zur Verfügung stehe.
Daraufhin hat die rumänische Justiz der Generalstaatsanwaltschaft Celle ein ergänzendes Schreiben der Nationalen Verwaltung der Justizvollzugsanstalten vom 20.01.2017 zu den Haftbedingungen übermittelt, die der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in Rumänien zu erwarten hat. Ausweislich dieses Schreibens würde der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung zunächst für den üblichen dreiwöchigen „Quarantänezeitraum“ in der Justizvollzugsanstalt B. R. inhaftiert werden. Die dortigen Hafträume seien so groß, dass jedem Gefangenen eine Mindestraumfläche von 3 m² zur Verfügung stehe. Angesichts der Dauer der Haftzeit, die der Verfolgte zu verbüßen habe, und seines früheren Wohnortes in Rumänien (J.) werde er im Anschluss an die „Quarantänezeit“ zunächst dem Haftregime des „geschlossenen Vollzuges“ zugewiesen und werde seine Haftstrafe jedenfalls zunächst in der Justizvollzugsanstalt A. vollstreckt werden. Die Hafträume in der Justizvollzugsanstalt A. seien auf eine Unterbringung von höchstens fünf Gefangenen ausgelegt, üblicherweise würden jedoch nur vier Gefangene in einem Haftraum untergebracht. Die Größe der Hafträume betrage einschließlich Flur und Toilette 20, 09 m². Der Größe des Haftraums einschließlich des von diesem nicht durch eine Tür abgetrennten Flures liege bei 17, 41 m²; der Haftraum selbst habe eine Größe von 15, 37 m². Die Hafträume in der Justizvollzugsanstalt A. verfügten über große Fenster, die eine natürliche Beleuchtung und eine gute Belüftung der Zellen gewährleisteten. Ferner gebe es eine Zentralheizung und habe jeder Gefangene ein Einzelbett und einen Schrank für persönliche Sachen. Jeder Haftraum verfüge über eine räumlich abgetrennte Toilette.
Allerdings sei eine Änderung des Vollstreckungsregimes möglich, abhängig unter anderem vom vollzuglichen Verhalten des Verfolgten und erforderlichen Behandlungs- und Beschäftigungsmaßnahmen. Die gesetzlichen Bestimmungen sähen vor, dass nach Vollstreckung von einem Fünftel der Haftstrafe eine Überprüfung der Zuweisung zu einem Vollstreckungsregime erfolge und dann gegebenenfalls eine Zuweisung des Verfolgten in eine andere Vollzugsform vorgenommen werde. Eine konkrete Vorhersage bezüglich des Verfolgten könne insofern nicht gemacht werden, weil zum einen die Entscheidung über eine Änderung der Vollzugsform von einer unabhängigen Kommission getroffen werde und zum anderen die Entscheidung vom bis dahin gezeigten Verhalten des Verfolgten im Strafvollzug abhängig sei.
Sollte der Verfolgte nach Vollstreckung von einem Fünftel der Haftzeit in den halboffenen Vollzug überführt werden, dann werde er in die Abteilung für den halboffenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt T. verlegt werden. Die dortigen Hafträume verfügten über Einzelbetten, eigene Belüftung, natürliche und künstliche Beleuchtung sowie einen Toilettenraum mit WC, Waschbecken und Dusche. Die Hafträume seien im halboffenen Vollzug tagsüber geöffnet, und zwar in der Zeit zwischen 8.00 Uhr und 12.00 Uhr sowie 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Während dieser Zeiten könnten sich die Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt frei bewegen und sich auch im Freien aufhalten; es gebe insgesamt acht Spazierhöfe mit Sportmöglichkeiten. Weiter heißt es allerdings abschließend in dem ergänzenden Schreiben der Nationalen Verwaltung der Justizvollzugsanstalten vom 20.01.2017, die Mindesthaftraumfläche, die jedem Gefangenen im halboffenen (sowie im offenen) Vollzug im Haftraum zur Verfügung stehe, betrage 2 m².
Diese Zusicherungen genügen nicht12.
Insofern ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), die erst im Oktober 2016 durch eine Grundsatzentscheidung der Großen Kammer des Gerichts13 bestätigt und konkretisiert worden ist, Haftbedingungen grundsätzlich gegen das in Art. 3 EMRK normierte Verbot der erniedrigenden Behandlung verstoßen, wenn nicht jeder in einer Gemeinschaftszelle untergebrachte Gefangene über wenigstens 3 m² Bodenfläche verfügt. Eine Haftraumgrundfläche von 3 m² pro Gefangenem stellt danach bei Belegung eines Haftraumes mit mehreren Gefangenen das von Art. 3 EMRK verlangte Minimum dar14.
Zwar bestehen danach keine Anhaltspunkte für EMRK-widrige Haftbedingungen, soweit der Verfolgte im Anschluss an den obligatorischen dreiwöchigen Beobachtungszeitraum zunächst und jedenfalls für das erste Fünftel seiner Haftzeit im geschlossenen Vollzug (in der Justizvollzugsanstalt A.) untergebracht werden soll. Hinsichtlich der Unterbringung im Haftregime des geschlossenen Vollzugs liegt eine detaillierte Erklärung der rumänischen Behörden vor, der eine insofern menschenrechtskonforme Inhaftierung zu entnehmen ist, wobei es nicht auf die Zusage einer Inhaftierung in einer namentlich genannten Haftanstalt, sondern auf die konkrete Zusicherung menschenrechtskonformer Haftbedingungen ankommt. Nach dieser Zusicherung würde der Verfolgte im geschlossenen Vollzug in einem Haftraum mit anderen Gefangenen untergebracht werden, der so groß ist, dass die Raumfläche pro Gefangenem bei mehr als 3 m² liegt. Zudem haben die rumänischen Behörden für die Inhaftierung im geschlossenen Vollzug hinreichende Belüftung, Beleuchtung, Heizung und sanitäre Anlagen zugesichert.
Jedoch ist in Rechnung zu stellen, dass der Verfolgte möglicherweise nach Ablauf von einem Fünftel seiner Haftzeit in den halboffenen Vollzug verlegt werden wird. Dabei handelt es sich nach den dem Oberlandesgericht vorliegenden Informationen der rumänischen Justiz nicht nur um eine rein theoretische Möglichkeit, die außer Betracht bleiben könnte. Vielmehr hat der Verfolgte die realistische Chance, nach einiger Zeit in das gelockerte Haftregime des halboffenen Vollzuges verlegt zu werden. Die Haftbedingungen, die der Verurteilte dann zu erwarten hat, lassen indes nach den von der rumänischen Justiz übermittelten Informationen eine Unvereinbarkeit mit Art. 3 EMRK ernstlich besorgen. Denn die Mindesthaftraumfläche, die jedem Gefangenen im halboffenen15 Vollzug in mit mehreren Gefangenen belegten Hafträumen zur Verfügung steht und die auch der Verfolgte dort zu erwarten hat, beträgt lediglich 2 m² und liegt damit unterhalb der vom EGMR für eine Vereinbarkeit mit Art. 3 EMRK geforderten 3 m².
Das Oberlandesgericht hat nicht außer Acht gelassen, dass nach der jüngst durch die Große Kammer des Gerichtshofs16 bestätigten und konkretisierten Rechtsprechung des EGMR nicht zwingend ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK vorliegt, wenn die Haftraumgröße einer mit mehreren Gefangenen belegten Zelle geringer ist als 3 m² pro dort untergebrachtem Gefangenen, sondern eine Unterschreitung dieses Minimalstandards „lediglich“ eine starke Vermutung für eine unmenschliche Behandlung darstellt, die im Einzelfall im Hinblick auf kompensatorische Maßnahmen widerlegt werden kann17.
Nach jüngster Rechtsprechung des EGMR18 kann bei Unterschreitung der Mindesthaftraumgröße von 3 m² pro Gefangenem aber nur dann entgegen der Regelvermutung ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausnahmsweise verneint werden, wenn drei (kompensatorische) Voraussetzungen kumulativ gegeben sind: Erstens darf die Haftraummindestgröße von 3 m² pro Gefangenem nur kurzzeitig, gelegentlich und geringfügig unterschritten werden („the reductions in the required minimum personal space of 3 sq. m are short, occasional and minor“). Zweitens muss die Reduktion der Haftraummindestgröße einhergehen mit ausreichender Bewegungsfreiheit außerhalb der Zellen und adäquaten Aktivitäten außerhalb der Hafträume („such reductions are accompanied by sufficient freedom of movement outside the cell and adequate out-of-cell activities“). Und drittens muss die betreffende Haftanstalt generell angemessen ausgestattet sein und darf es keine anderen den Gefangenen beschwerenden Haftumstände geben („the applicant is confined in what is, when viewed generally, an appropriate detention facility, and there are no other aggravating aspects of the conditions of his or her detention“).
Diese Voraussetzungen, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK trotz Unterschreitung der Haftraummindestgröße von 3 m² pro Gefangenem ausnahmsweise verneinen zu können, sind vorliegend jedoch für das Haftregime des halboffenen Vollzugs nicht erfüllt.
Erstens ist nach den dem Oberlandesgericht übermittelten Informationen der rumänischen Justiz die Unterschreitung der Haftraummindestgröße im Haftregime des halboffenen Vollzuges nicht auf einen kurzen Zeitraum beschränkt. Zweitens stellt die Gewährleistung einer Haftraummindestgröße von lediglich 2 m² pro Gefangenem eine nicht nur geringfügige Unterschreitung des Minimalstandards dar. Drittens wird die geringe Raumfläche pro Gefangenem nicht durch besonders lange Aufschlusszeiten, etwa durch einen Einschluss nur zur Zeit der üblichen Nachtruhe, kompensiert. Zwar haben die rumänischen Behörden mitgeteilt, dass die Hafträume im halboffenen Vollzug tagsüber geöffnet seien und die Gefangenen sich dann in der Justizvollzugsanstalt frei bewegen und auch im Freien aufhalten könnten. Jedoch ist dem Oberlandesgericht weiter mitgeteilt worden, dass die Hafträume konkret in der Zeit zwischen 8.00 Uhr und 12.00 Uhr sowie von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet seien. Dies aber bedeutet, dass sich die Gefangenen auch im halboffenen Vollzug während längerer Zeiträume des Tages in ihren – unzureichend großen – Hafträumen aufzuhalten haben. Die mitgeteilten Aufschlusszeiten führen damit nicht zu einer ausreichenden Bewegungsfreiheit außerhalb der Zellen. Denn nach den gegenwärtigen europäischen Mindeststandards, wie sie vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe des Europarats („CPT“) formuliert worden sind, soll bereits Gefangenen, die nicht in überbelegten Hafträumen untergebracht sind, pro Tag über einen Zeitraum von mindestens acht Stunden Bewegungsfreiheit außerhalb der Haftzellen gewährleistet werden19.
Damit sind ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR menschenrechtskonforme Haftbedingungen für den Verfolgten nicht für die gesamte Zeit seines Strafvollzuges in Rumänien mit hinreichender Sicherheit gewährleistet, so dass die Auslieferung des Verfolgten nicht für zulässig erklärt werden kann.
Soweit das OLG Hamburg kürzlich in einem vergleichbaren Verfahren losgelöst von den vorgenannten Prüfungskriterien des EGMR eine Gesamtbetrachtung der Haftsituation vorgenommen hat, in seine Entscheidung zudem das Interesse an einer Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege innerhalb der Europäischen Union eingestellt hat und auf dieser Basis eine Auslieferung für zulässig erachtet hat20, vermag das Oberlandesgericht Celle dem nicht beizutreten21. Denn die vom OLG Hamburg vorgenommene Gesamtbetrachtung widerstreitet den mit dem vorgenannten Urteil des Großen Oberlandesgerichts des EGMR vom 20.10.2016 aufgestellten konkreten Prüfungsmaßstäben, die auch von der deutschen Rechtsprechung zu beachten sind22.
Aufgrund der festgestellten Unzulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten nach Rumänien ist zugleich die Grundlage für den förmlichen Auslieferungshaftbefehl des Oberlandesgerichts entfallen, sodass dieser aufzuheben war (§ 24 Abs. 1 IRG). Der Verfolgte ist daher unverzüglich in vorliegender Sache aus der Auslieferungshaft zu entlassen.
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 2. März 2017 – 1 AR (Ausl) 99/16
- EGMR, Entscheidung vom 20.10.2016 – 7334/13, Mursic/Kroatien[↩]
- entgegen OLG Hamburg, Beschluss vom 03.01.2017 – Ausl 81/16[↩]
- vgl. Erwägungsgründe 12 und 13 der Präambel zum Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl [RbEuHB] sowie Art. 1 Abs. 3 RbEuHB[↩]
- vgl. insofern OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.10.2016 – OLG Ausl 9/2016 [47/16]; OLG Stuttgart Beschluss vom 08.06.2016 – 1 Ausl. 321/15[↩]
- EuGH, Urteil vom 05.04.2016 – C-404/15, – C-659/15 PPU, NJW 2016, 1709[↩]
- näher zu diesem vom EuGH vorgegebenen Prüfungsmaßstab OLG Hamburg Beschluss vom 03.01.2017 – Ausl 81/16; OLG Bremen, Beschluss vom 30.06.2016 – 1 Ausl. A 23/15[↩]
- so auch OLG Hamburg Beschluss vom 03.01.2017 – Ausl 81/16[↩]
- OLG Bremen, Beschluss vom 30.06.2016 – 1 Ausl. A 23/15[↩]
- OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.06.2016 – 1 Ausl. 6/16[↩]
- OLG Hamm, Beschluss vom 23.08.2016 – 2 Ausl 125/16[↩]
- zuletzt EGMR, Urteil vom 14.02.2017 – 14249/07, Lazar/Rumänien[↩]
- ebenso für vergleichbare Fallkonstellationen bereits OLG Celle, Beschluss vom 23.12 2016 – 1 AR [Ausl] 80/16; OLG Celle, Beschluss vom 22.12 2016 – 1 AR [Ausl] 59/16 sowie OLG Bremen, Beschluss vom 30.06.2016 – 1 Ausl. A 23/15; OLG Hamm, Beschluss vom 23.08.2016 – 2 Ausl 125/16; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.06.2016 – 1 Ausl. 6/16[↩]
- EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 20.10.2016 – 7334/13, Murši?/Kroatien, Rn. 91 ff.[↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 14.02.2017 – 14249/07, Lazar/Rumänien, Rn. 36; EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 20.10.2016 – 7334/13, Murši?/Kroatien, Rn. 110, 136; EGMR, Urteil vom 10.01.2012 – 42525/07 u. 60800/08, Ananyev u. a./Russland, NVwZ-RR 2013, 284, Rn. 139. Siehe auch Meyer-Ladewig/Lehnert, in: Meyer-Ladewig u.a. [Hrsg.], EMRK, 4. Aufl.2017, Art. 3 Rn. 32 m.w.N.; Sinner, in: Karpenstein/Mayer [Hrsg.], EMRK, 2. Aufl.2015, Art. 6 Rn. 13 m.w.N.[↩]
- sowie im offenen[↩]
- EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 20.10.2016 – 7334/13, Murši?/Kroatien, Rn. 122 ff.[↩]
- vgl. nur EGMR, Urteil vom 14.02.2017 – 14249/07, Lazar/Rumänien, Rn. 36; EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 20.10.2016 – 7334/13, Murši?/Kroatien, Rn.137: „When the personal space available to a detainee falls below 3 sq. m of floor surface in multi-occupancy accommodation in prisons, the lack of personal space is considered so severe that a strong presumption of a violation of Article 3 arises. The burden of proof is on the respondent Government which could, however, rebut that presumption by demonstrating that there were factors capable of adequately compensating for the scarce allocation of personal space“[↩]
- EGMR, Urteil vom 14.02.2017 – 14249/07, Lazar/Rumänien, Rn. 36; EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 20.10.2016 – 7334/13, Murši?/Kroatien, Rn. 138[↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 14.02.2017 – 14249/07, Lazar/Rumänien, Rn. 44; EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 20.10.2016 – 7334/13, Murši?/Kroatien, Rn. 48; EGMR, Urteil vom 24.10.2012 – 35972/05, Iacov Stanciu/Rumänien, Rn. 121[↩]
- OLG Hamburg Beschluss vom 03.01.2017 – Ausl 81/16[↩]
- so bereits OLG Celle, Beschluss vom 28.02.2017 – 1 AR [Ausl] 108/16[↩]
- vgl. insofern BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 [315 ff.][↩]