Eine „Terminmitteilung“, die einen Angeklagten von Termin und Ort der gegen ihn geführten Hauptverhandlung unterrichtet und ihn in einer beigefügten Mitteilung über umfangreiche pro-zessuale Verteidigungsrechte belehrt, genügt inhaltlich den Anforderungen an eine ausreichen-de Bekanntgabe des Verhandlungstermins im Sinne von § 83 Abs. 2 Nr. 1 IRG und § 84b Abs. 3 Nr. 1 IRG.

Der Hinweis an einen Angeklagten, dass eine Verurteilung auch in seiner Abwesenheit erfolgen kann, muss nicht ausdrücklich erfolgt sein. Es ist ausreichend, dass der Angeklagte auf Grundlage der Bekanntgabe des Hauptverhandlungstermins vernünftigerweise mit seiner Verurteilung in Abwesenheit rechnen musste. Enthält die Bekanntgabe einer Hauptverhandlung an den Angeklagten Informationen dazu, dass seine Teilnahme freiwillig ist, in seiner Abwesenheit Beweiserhebungen erfolgen können und wird er gleichzeitig über mögliche Rechtsmittel gegen ein „Urteil“ belehrt, muss er vernünftigerweise mit der Möglichkeit seiner Verurteilung rechnen.
Übt die Staatsanwaltschaft im Exequaturverfahren im Rahmen der Vorabbewilligungsentscheidung kein Ermessen aus, ist die Strafvollstreckungskammer zu einer Entscheidung in der Sache berechtigt, wenn ersichtlich keine der tatbestandlichen, das Ermessen eröffnenden Voraussetzungen vorliegt. Das Oberlandesgericht Celle neigt der Auffassung zu, dass die Staatsanwaltschaft derzeit zur abschließenden Ermessenausübung beim Vorliegen von Bewilligungshindernissen im Sinne des § 84d IRG aufgrund ihrer Weisungsgebundenheit ohnehin nicht befugt ist.
Die Abwesenheit eines Verurteilten in der zum ausländischen Urteil führenden Verhandlung führt zwar gemäß § 84b Abs. 1 Nr. 2 IRG grundsätzlich zur Unzulässigkeit der Vollstreckung im Inland. In Umsetzung europäischen Rechts (Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26.02.2009 zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist) und insofern auch rechtsstaatlich unbedenklich bestimmen die § 84b Abs. 3 Nr. 1 Buchstaben a bis c IRG Ausnahmen vom vorgenannten Grundsatz. Danach ist die Vollstreckung nicht unzulässig, weil der Verurteilte rechtzeitig von der zum polnischen Urteil führenden Verhandlung in Kenntnis gesetzt wurde und dabei darauf hingewiesen wurde, dass ein Erkenntnis auch in seiner Abwesenheit ergehen kann.
Im hier vom Oberlandesgericht Celle entschiedenen Fall hat der Verurteilte in ausreichender Form Kenntnis von der zum Urteil führenden Verhandlung erlangt. Hierzu ist gemäß § 84b Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a und b IRG, der Art. 5 Nr. 1 des Rb 2008/299/JI in nationales Recht umsetzt, erforderlich, dass der Verurteilte zur Verhandlung geladen oder auf andere Weise tatsächlich offiziell in Kenntnis von Termin und Ort der Gerichtsverhandlung gesetzt worden ist. Beide Alternativen, die persönliche Ladung sowie die von öffentlicher Seite tatsächliche Inkenntnissetzung von dem Termin und Ort der Verhandlung implizieren, dass die betroffene Person nicht nur über das Verfahren informiert wird, sondern ihr die Möglichkeit eröffnet wird, sich in dem Termin zu dem Vorwurf zu äußern, entlastende Umstände vorzutragen sowie deren umfassende und erschöpfende Nachprüfung und gegebenenfalls auch Berücksichtigung zu erreichen und so ihre Verteidigungsrechte zu wahren. Die Art und Weise der Unterrichtung richtet sich grundsätzlich nach der Verfahrensordnung des ersuchenden Staates, deren Einhaltung nicht durch den ersuchten Staat bzw. durch die deutschen Gerichte zu überprüfen ist1.
Daran gemessen besteht an der rechtzeitigen Kenntnis des Verurteilten im vorliegenden Fall kein Zweifel. In der per Einschreiben an ihn versandten Terminmitteilung vom 14.03.2017 wurde er „als Angeklagter“ durch das polnische Amtsgericht über Zeit und Ort der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung vom 25.04.2017 unter Nennung von Uhrzeit und Gerichtsaal in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde ihm die Anklage übersandt. Aus dem den Mitteilungen hierzu beigefügten Merkblatt ist darüber hinaus ersichtlich, dass er als Angeklagter als Ausfluss der Gewährung rechtlichen Gehörs umfangreiche prozessuale Rechte hätte geltend machen können und hierzu ein Anwesenheitsrecht gehabt hätte. Dass das Schreiben nicht als „Ladung“ bezeichnet ist, ist dabei unschädlich und von deutschen Gerichten hinzunehmen, weil sich die Art und Weise der Unterrichtung grundsätzlich nach der Verfahrensordnung des ersuchenden Staates richtet, die durch die deutschen Gerichte nicht zu überprüfen ist.
Der Verurteilte wurde mit der Mitteilung von Ort und Zeit der Gerichtsverhandlung darauf hingewiesen, dass ein Erkenntnis in seiner Abwesenheit ergehen kann. Auch insoweit gilt, dass die Art und Weise der Unterrichtung sich grundsätzlich nach der Verfahrensordnung des ersuchenden Staates richtet und es ausreicht, dass derjenige Angeklagte, der auf sein bestehendes, aus Art. 6 EMRK folgendes Anwesenheitsrecht verzichtet, vernünftigerweise die Konsequenzen seines Handelns vorhersehen kann2. Zwar enthält insoweit weder die Terminsmitteilung, noch die mitgesandte Belehrung einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass ein Urteil auch auf eine in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführte Verhandlung ergehen kann. Vernünftigerweise musste der Verurteilte aber auch damit aufgrund der ihm mit der Terminsmitteilung erteilten Hinweise rechnen. Aus Nr. 2 der mit der Terminsmitteilung vom 14.03.2017 übersandten Belehrung des Angeklagten folgt insoweit bereits, dass es einem Angeklagten – vorbehaltlich einer vorliegend nicht erfolgten Anordnung zum persönlichen Erscheinen – freisteht, an der Hauptverhandlung teilzunehmen; jedenfalls hat er hierzu aber ein Recht. Aus den Belehrungen ist auch ersichtlich – etwa in Nr. 1, dass Beweiserhebungen auch in Abwesenheit erfolgen werden. Unabhängig davon, dass Gerichtsverhandlungen regelmäßig stets mit einer gerichtlichen Entscheidung enden, musste sich dem Verurteilten bei vernünftigem Verständnis spätestens aus dem Hinweis in Nr. 10 aufdrängen, dass die Verhandlung, über die er unterrichtet wurde, mit einem Urteil enden könnte, nachdem er dort ausführlich über mögliche Rechtsmittel hiergegen belehrt wurde.
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 1. April 2022 – 2 Ws 36/22
- vgl. zu vorstehendem BT-Drs 18/3562, S. 78f. zum gleichlautenden § 83 Abs. 2 IRG, vgl. zu § 84b insoweit die Verweisung in BT-Drs 18/4347 S. 117[↩]
- BT-Drs 18/3562, S. 79[↩]
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