Stimmt die Strafvollstreckungskammer einer Zwangsbehandlung nach § 20 Abs. 3 PsychKHG BW zu, hat sie in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbaren Weise darzulegen, dass die Belastungen nicht außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen; hierbei sind insbesondere die Wahrscheinlichkeit und das Gewicht möglicher Nebenwirkungen von Bedeutung. Ferner hat sich die Entscheidung dazu zu verhalten, ob der erwartbare Nutzen der Behandlung mögliche Schäden der Nichtbehandlung deutlich überwiegt. Der Zustimmung zur Zwangsbehandlung steht nicht entgegen, dass die Behandlung auf mehr als sechs Wochen angelegt ist.

Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer muss grundsätzlich den Anforderungen genügen, die § 267 StPO an die Begründung eines strafgerichtlichen Urteils stellt. Im Rahmen der Beweiswürdigung müssen dabei die tatsächlichen Grundlagen gezogener Schlüsse und rechtlicher Bewertungen mitgeteilt werden, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine rechtliche Nachprüfung zu ermöglichen [1].
Zu den materiellen Voraussetzungen der Zustimmung zur ärztlichen Zwangsbehandlung gehört nach § 20 Abs. 3 Satz 4 PsychKHG, dass die Belastungen nicht außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen dürfen. Die dazu im angefochtenen Beschluss getroffene Feststellung, dass die drohenden Nebenwirkungen der Medikation im Verhältnis zu dem näher festgestellten Nutzen „als nicht von entgegenstehender Schwere einzustufen sind“, ist nicht in einer Weise begründet, die dem Oberlandesgericht eine Überprüfung erlaubt, ob diese Wertung frei von Rechtsfehlern ist. Die Strafvollstreckungskammer hat sich dazu der gutachterlichen Bewertung des psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen, die jedoch im angefochtenen Beschluss nur unzureichend wiedergegeben wird. Will ein Gericht – wie vorliegend – dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens ohne Angabe eigener Erwägungen folgen, müssen in den Gründen der Entscheidung wenigstens die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen mitgeteilt werden [2]. Der Inhalt des Sachverständigengutachtens wird indes nur dahingehend referiert, dass das Medikament von vielen Patienten gut vertragen werde, jedoch „mit unterschiedlichen Häufigkeiten im Einzelnen benannte Nebenwirkungen“ auftreten. Auch unter Berücksichtigung des weiteren vom Landgericht in seine Bewertung einbezogenen Umstandes, dass die zu Beginn der Behandlung vorgesehene Aufdosierung „im Fall besonders gravierender Nebenwirkungen“ bei Bedarf eine Anpassung oder den Abbruch der Behandlung ermögliche, können danach Wahrscheinlichkeit und Gewicht möglicher Nebenwirkungen nicht beurteilt und in Beziehung zu dem erwartbaren Nutzen der Behandlung gesetzt werden. Allerdings wird insoweit regelmäßig nicht eine lückenlose Darstellung etwaiger Nebenwirkungen erforderlich sein. Der Umfang der insoweit gebotenen Darlegungen wird vielmehr durch Wahrscheinlichkeit und Gewicht etwaiger Nebenwirkungen bestimmt.
Als lückenhaft erweist sich der angefochtene Beschluss zudem, weil er sich entgegen § 20 Abs. 3 Satz 5 PsychKHG nicht dazu verhält, ob der erwartbare Nutzen der Behandlung mögliche Schäden der Nichtbehandlung deutlich feststellbar überwiegt.
Der Zustimmung zur beantragten Zwangsbehandlung steht nicht entgegen, dass die Behandlung nach dem Inhalt des Antrags auf mehr als sechs Wochen angelegt ist. Dagegen spricht bereits die in § 329 Abs. 1 Satz 2 FamFG vorgesehene Möglichkeit, die Zwangsbehandlung über die Höchstfrist von sechs Wochen hinaus zu verlängern. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes [3].
Soweit geltend gemacht wird, der Untergebrachten seien von der Vollzugsanstalt rechtswidrig Vollzugslockerungen versagt worden, kommt dem nach der Auffassung des Oberlandesgerichts zwar keine unmittelbare Bedeutung für die zu treffende Entscheidung zu. Die Strafvollstreckungskammer wird sich jedoch damit auseinanderzusetzen haben, ob das in § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 lit. b PsychKHG formulierte Ziel nicht durch weniger einschneidende Mittel erreicht werden kann. Es wird deshalb bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit auch darauf einzugehen sein, ob den von der Untergebrachten ausgehenden Gefahren im Rahmen der Führungsaufsicht hinreichend begegnet werden kann [4]. In diesem Rahmen ist auf die bei Vollzugslockerungen gewonnenen Erkenntnisse zurückzugreifen und ggf. auch die rechtswidrige Versagung von Lockerungen zu bewerten [5].
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 8. Juli 2015 – 2 Ws 239/15
- zuletzt OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.06.2015 – 2 Ws 156/15; OLG Hamburg NStZ 2005, 592[↩]
- BGHSt 12, 311, 314, NStZ 2012, 650; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl.2015, § 267 Rn. 13 – jeweils zu § 267 StPO[↩]
- vgl. dazu BT-Drs. 17/11513 S. 8[↩]
- vgl. BVerfGE 70, 297; und BVerfG, Beschluss vom 12.12.2013 – 2 BvR 1690/13[↩]
- vgl. BVerfG NJW 1998, 2202[↩]