Im Hinblick auf Art.19 Abs. 4 GG ist im Strafvollzugsverfahren ein allgemeiner Feststellungsantrag trotz vorprozessualer Erledigung zulässig.

Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt1. Die in Art.19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert. Sie treffen Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne fachgerichtliche Prüfung zu tragen hat2. Dabei fordert Art.19 Abs. 4 GG zwar keinen Instanzenzug3. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art.19 Abs. 4 GG dem Bürger in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle4. Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leerlaufen“ lassen5.
Die Annahme, das isolierte Feststellungsanträge im Strafvollzugsverfahren grundsätzlich unzulässig seien, verkennt diese verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses soll sicherstellen, dass der möglicherweise von einer Grundrechtsverletzung Betroffene nicht allein deshalb rechtsschutzlos bleibt, weil sich der Eingriff, gegen den er um Rechtsschutz nachsucht, bereits vor der Entscheidung über das Rechtsschutzgesuch oder sogar bereits vor Antragstellung erledigt hat6.
In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung und im Hinblick auf Art.19 Abs. 4 GG ist auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig anerkannt, dass im Strafvollzugsverfahren ein allgemeiner Feststellungsantrag trotz vorprozessualer Erledigung zulässig ist, obwohl das Strafvollzugsgesetz – anders als die Verwaltungsgerichtsordnung – einen solchen nicht ausdrücklich regelt7.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. Juni 2015 – 2 BvR 1206/13
- vgl. BVerfGE 67, 43, 58; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 94, 166, 213[↩]
- vgl. BVerfGE 87, 48, 61; 92, 365, 410; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 40, 272, 274 f.; 54, 94, 96 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 78, 88, 99[↩]
- vgl. grundlegend BVerfGE 96, 27, 39 ff.; 104, 220, 233; vgl. für die Zulässigkeit isolierter Feststellungsanträge im Strafvollzug BVerfG, Beschluss vom 14.11.2000 – 2 BvR 1931/00 4 und Beschluss vom 12.09.2003 – 2 BvR 1220/03, NStZ-RR 2004, S. 59, 60[↩]
- vgl. nur OLG Dresden, Beschluss vom 28.07.2006 – 2 Ws 624/05, NStZ 2007, S. 707, 708; Thüringer OLG, Beschlüsse vom 19.08.2003 – 1 Ws 205/03, NStZ 2004, S. 229; und vom 20.08.2003 – 1 Ws 220/03, OLG-NL 2003, S. 235, 236; OLG Frankfurt a.M., Beschlüsse vom 18.07.2003 – 3 Ws 578/03 (StVollz), NJW 2003, S. 2843, 2844 und – 3 Ws 606/03, NStZ-RR 2004, S. 29, 29; OLG Hamm, Beschluss vom 25.10.1982 – 7 Vollz (Ws) 111/82, NStZ 1983, S. 240; vgl. auch dazu, dass in diesen Fällen ein Vorschaltverfahren nicht erforderlich ist, OLG Hamm, Beschluss vom 13.06.1989 – 1 Vollz (Ws) 376/88 12; vgl. zur Zulässigkeit eines isolierten Feststellungsantrages in entsprechender Anwendung des § 115 Abs. 3 StVollzG übereinstimmend auch die Kommentarliteratur, Bachmann, in: LNNV, StVollzG, 12. Aufl.2015, Abschn. P Rn. 31 und 78; Euler, in: Graf, Beckscher Online Kommentar zum StVollzG (Juli 2014), § 115 Rn. 15; Laubenthal, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 6. Aufl.2013, § 115 Rn. 17; Kamann/Spaniol, in: Feest/Lesting, StVollzG, 6. Aufl.2012, § 109 Rn. 32 und § 115 Rn. 77; Arloth, StVollzG, 3. Aufl.2011, § 109 Rn. 5 und § 115 Rn. 10; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl.2008, § 115 Rn. 16[↩]