Tateinheit oder Tatmehrheit?

Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt eine Tat im Sinne des materiellen Rechts vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt. Eine mehrfache Gesetzesverletzung kann vorliegen in Fällen, in denen ein Willensentschluss zu einer Handlung führt, die das Gesetz mehrfach verletzt1.

Tateinheit oder Tatmehrheit?

Über den Wortlaut des § 52 Abs. 1 StGB hinaus liegt eine Tat im Rechtssinne auch vor, wenn zwischen mehreren strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten als ein einheitliches Tun erscheint2.

Die Annahme von Tateinheit kommt auch in Betracht, wenn mehrere Tatbestandsverwirklichungen dergestalt objektiv zusammentreffen, dass die Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind3.

Dagegen genügt ein einheitliches Motiv, die Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mittel-Zweck-Verknüpfung oder eine Grund-Folge-Beziehung nicht, um Tateinheit zu begründen4.

Ob im Einzelfall eine die Annahme einer Tat im Rechtssinne tragende Teilidentität der Ausführungshandlungen gegeben ist, richtet sich nach dem materiellen Recht.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Juni 2016 – 2 StR 355/15

  1. LK/Rissingvan Saan, StGB, 12. Aufl., vor § 52 Rn. 9, § 52 Rn. 6[]
  2. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30.11.1995 – 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368[]
  3. BGH, Beschluss vom 31.07.2013 – 4 StR 223/13, NStZ-RR 2014, 144, 145[]
  4. BGH, Beschluss vom 25.11.1997 – 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317, 319; Urteil vom 16.07.2009 – 3 StR 148/09, NStZ 2011, 97[]
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