Das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG schützt die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs1. Das Fernmeldegeheimnis umfasst nicht nur den Kommunikationsinhalt, sondern schützt auch die Kommunikationsumstände. Dazu gehört insbesondere, ob, wann und wie oft zwischen welchen Personen oder Fernmeldeanschlüssen Fernmeldeverkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist.

10 Abs. 1 GG soll für den Bereich der Telekommunikation einen Ausgleich für die technisch bedingte Einbuße an Privatheit schaffen und will den Gefahren begegnen, die sich aus dem Übermittlungsvorgang einschließlich der Einschaltung eines Dritten ergeben. Die Nutzung des Kommunikationsmediums soll in allem vertraulich sein2. Mit der grundrechtlichen Verbürgung der Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses soll vermieden werden, dass der Meinungs- und Informationsaustausch mittels Telekommunikationsanlagen deswegen unterbleibt oder nach Form und Inhalt verändert verläuft, weil die Beteiligten damit rechnen müssen, dass staatliche Stellen sich in die Kommunikation einschalten und Kenntnisse über die Kommunikationsbeziehungen oder Kommunikationsinhalte gewinnen3.
Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses dürfen gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden. Das grundrechtseinschränkende Gesetz ist seinerseits aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung des Fernmeldegeheimnisses und so in seiner grundrechtsbegrenzenden Wirkung selbst wieder im Lichte des Grundrechts auszulegen. Der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegt deshalb, ob die Fachgerichte den Einfluss der Grundrechte auf die Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Normen des einfachen Rechts ausreichend beachtet haben, damit der wertsetzende Gehalt der Grundrechte auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt4.
Die Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung zu strafprozessualen Zwecken setzt nach § 100a Abs. 1 Satz 1 StPO voraus, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, der Beschuldigte habe als Täter oder Teilnehmer eine schwere Straftat aus dem Katalog des § 100a Abs. 2 StPO begangen, die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
Unter den Voraussetzungen des § 100a Abs. 3 StPO kann eine Telekommunikationsüberwachung auch gegenüber Nichtbeschuldigten angeordnet werden. Der Wortlaut der Vorschrift setzt hierfür voraus, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Person für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennimmt oder weitergibt oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt. Soweit Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gegen Nichtbeschuldigte angeordnet werden, ist für die Annahme der Nachrichtenmittlereigenschaft von Verfassungs wegen eine gesicherte Tatsachenbasis unerlässlich. Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Bloßes Gerede, nicht überprüfte Gerüchte und Vermutungen reichen nicht aus. Erforderlich ist, dass aufgrund der Lebenserfahrung oder der kriminalistischen Erfahrung fallbezogen aus Zeugenaussagen, Observationen oder anderen sachlichen Beweisanzeichen auf die Eigenschaft als Nachrichtenmittler geschlossen werden kann5.
Die für den Tatbestand des § 100a Abs. 3 StPO erforderliche Annahme, es werde zwischen dem Nachrichtenmittler und dem Beschuldigten zu einem Austausch oder einer Entgegennahme bestimmter Informationen kommen, darf nicht lediglich auf vagen Anhaltspunkten und bloßen Vermutungen beruhen.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. März 2023 – 2 BvR 626/20
- BVerfGE 67, 157 <172> 106, 28 <35 f.> 115, 166 <182> 120, 274 <306 f.> 124, 43 <54> BVerfGK 11, 119 <124> BVerfG, Beschluss vom 06.07.2016 – 2 BvR 1454/13, Rn. 33[↩]
- vgl. BVerfGE 100, 313 <358> 107, 299 <312 f.> 115, 166 <184> 120, 274 <307> 124, 43 <54> BVerfGK 9, 62 <72 ff.> BVerfG, Beschluss vom 06.07.2016 – 2 BvR 1454/13, Rn. 36[↩]
- BVerfGE 100, 313 <358 f.> 129, 208 <241> BVerfGK 11, 119 <124>[↩]
- BVerfGE 107, 299 <315>[↩]
- vgl. BVerfGE 107, 299 <322 f.> BVerfGK 11, 119 <125>[↩]