Therapieunterbringungsgesetz verfassungskonform?

Das Therapieunterbringungsgesetz ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts Koblenz verfassungskonform.

Therapieunterbringungsgesetz verfassungskonform?

Ein 66-jähriger Mann, der fast zwölf Jahre in Sicherungsverwahrung verbracht hat, bleibt damit nach seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung vorläufig in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht. Die vorläufige Unterbringung nach dem Therapieunterbringungsgesetz soll die Prüfung ermöglichen, ob eine dauerhafte Unterbringung erforderlich ist. Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz wies mit seiner Entscheidung vom 15. Dezember 2011 (Az. 1 W 695/11) eine Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss des Landgerichts Koblenz zurück. Es handelt sich in dieser Sache um die erste Beschwerde eines Betroffenen nach dem Therapieunterbringungsgesetz des Bundes (in Kraft seit 1. Januar 2011), über die das Oberlandesgericht Koblenz zu entscheiden hatte.

Der Untergebrachte war durch Urteil des Landgerichts Trier vom 28. Mai 1996 u.a. wegen versuchten schweren Menschenhandels, Körperverletzungs- und Sexualdelikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden; zugleich war seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden.

Nach dem zum Zeitpunkt der Verurteilung des Betroffenen geltenden Recht betrug die Höchstdauer der Sicherungsverwahrung zehn Jahre. Diese zeitliche Beschränkung entfiel mit dem am 31.Januar 1998 in Kraft getretenen Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte mit Urteil vom 17. Dezember 2009 fest, dass die nachträgliche Festschreibung einer dann unbefristeten Sicherungsverwahrung gegen die Menschenrechtskonvention verstoße.

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Nach der sich hieran anschließenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann eine solche „Rückwirkung“ der Sicherungsverwahrung nur dann verfassungsgemäß sein, wenn bei dem Verurteilten eine hochgradige Gefahr der künftigen Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten bestehe und der Verurteilte an einer psychischen Störung leide. Da bei dem Verurteilten diese Voraussetzungen nicht erfüllt waren, war er Ende Oktober 2011 aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Koblenz vom 1. Juli 2011 – rechtskräftig seit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 13. September 2011 – aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen.

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Diez beantragte jedoch bereits frühzeitig die Unterbringung des Betroffenen in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung nach der Maßgabe des Therapieunterbringungsgesetzes. Dieses Gesetz wurde mit dem Ziel geschaffen, bei Betroffenen, die wegen des Verbots der Rückwirkung aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen sind, unter ganz engen Voraussetzungen eine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung zu ermöglichen.

Mit Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 10. Oktober 2011 wurde die vorläufige Unterbringung des Betroffenen angeordnet. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss hatte nun vor dem 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz keinen Erfolg. Im Rahmen des bereits anhängigen Hauptsacheverfahrens wird in einer förmlichen Beweisaufnahme zu prüfen sein, ob eine längerfristige Unterbringung erforderlich ist.

Das Oberlandesgericht Koblenz hatte dagegen keine durchgreifenden Bedenken an der Verfassungsgemäßheit der hier anzuwendenden Regelungen des Therapieunterbringungsgesetzes. So sei die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben und nach dem Inhalt des Gesetzes auch die Anordnung und Vollziehung der Therapieunterbringung deutlich von der Strafvollstreckung getrennt. Auch das Rückwirkungsverbot sei nicht verletzt. Das Gesetz formuliere mit der „psychischen Störung“ eine zentrale zusätzliche Voraussetzung für die Anordnung der Therapieunterbringung und konkretisiere damit die Anforderungen des EGMR.

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Das Oberlandesgericht Koblenz entschied, bei dem Betroffenen seien die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Therapieunterbringungsgesetz erfüllt. Der Betroffene leide an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung. Zudem bestünden tragkräftige Gründe für die Annahme, dass er in Freiheit bei Würdigung aller Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Körperverletzungen und Sexualdelikte begehen würde.

Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 1 W 695/11