Nur die berufs- oder gewerbsmäßige Abgabe von Arzneimitteln, die apothekenpflichtig oder von einem Arzt verschrieben worden sind, an Endverbraucher außerhalb von Apotheken unterliegt der Strafbarkeit nach §§ 95 Abs. Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 3 Satz 1 AMG. Die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Verbraucher ist nach § 96 Nr. 13 AMG nur strafbar, wenn der Handelnde Apotheker oder eine sonst zur Abgabe von Arzneimitteln befugte Person ist. Das Tatbestandsmerkmal der Berufs- oder Gewerbsmäßigkeit bezieht sich auf sämtliche Tathandlungen des § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG.

Nach der am 11. September 1998 in Kraft getretenen Fassung des § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG wird bestraft, wer entgegen § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 oder 3 Satz 1 mit Arzneimitteln, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, Handel treibt oder diese Arzneimittel abgibt. Die „Abgabe“ von Arzneimitteln bezieht sich auf die Verbotsnormen des § 43 Abs. 2 AMG (Abgabe durch juristische Personen an ihre Mitglieder) und des § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG (Abgabe auf Verschreibung außerhalb der Apotheken). Das Handeltreiben knüpft an § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG an; von „Abgabe“ ist hier nicht die Rede. Eine andere Auslegung würde schon die Grenze des Wortlauts des § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG überschreiten (BGH NStZ 2004, 457 [458]).
Die Strafbestimmung des § 95 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG ist jedoch einschränkend auszulegen. § 43 AMG normiert das Monopol der Apotheken beim Inverkehrbringen von Arzneimitteln. Hiermit korrespondiert die in dieser Bestimmung ausgesprochene Apothekenpflicht, wonach Arzneimittel nur in Apotheken abgegeben werden dürfen1. Dem entspricht es, dass § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG nur ein berufs- oder gewerbsmäßiges Inverkehrbringen (also auch eine Abgabe, § 4 Abs. 17 AMG) der dort bezeichneten Arzneimittel durch Apotheken vorschreibt. Satz 2 untersagt ein Handeltreiben hiermit. Hierdurch sollte nach dem Willen des Gesetzgebers jede entgeltliche Abgabe von Arzneimitteln durch andere nicht am Arzneimittelverkehr Beteiligte unterbunden werden, auch wenn dies nicht berufs- oder gewerbsmäßig geschieht. Insbesondere sollten Einzelfälle der Abgabe von Ersatzdrogen erfasst werden2. Abs. 3 Satz 1 bestimmt, dass verschriebene Arzneimittel nur von Apotheken abgegeben werden dürfen. Hiermit sollen die Fälle erfasst werden, in denen Arzneimittel, die von einem Arzt verschrieben worden sind (unabhängig davon, ob sie verschreibungspflichtig sind), auch dann nicht im Einzelhandel außerhalb der Apotheken abgegeben werden dürfen, wenn sie nicht apothekenpflichtig sind3. Jedes verschriebene Arzneimittel darf daher nur in einer Apotheke abgegeben werden. Durch eine unentgeltliche Abgabe von Arzneimitteln wird das Apothekenmonopol und die Apothekenpflicht wohl kaum beeinträchtigt4. Danach scheidet eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG aus, wenn die Abgabe des Arzneimittels unentgeltlich erfolgt.
Dies war auch der Fall unter der Geltung der bis zum 10. September 1998 gültigen Fassung des § 43 AMG, der gleichfalls das o.a. Monopol der Apotheken statuierte. Danach durften Arzneimittel im Einzelhandel nur in Apotheken in Verkehr gebracht (Abs. 1) und solche auf Verschreibung auch nur dort abgegeben werden (Abs. 3). Aus der Formulierung „im Einzelhandel“ wurde gefolgert, dass hiermit nur eine berufs- oder gewerbsmäßige Abgabe gemeint war5.
Aus einem Vergleich der Strafnorm des § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG mit dem Bußgeldtatbestand des § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG folgt, dass von § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG nur eine gewerbs- oder berufsmäßige Abgabe erfasst wird. Nach § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG ist nur ein berufs- oder gewerbsmäßiges Inverkehrbringen (und damit nach § 4 Abs. 17 AMG auch eine berufs- oder gewerbsmäßige Abgabe) von Arzneimitteln entgegen § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße bedroht6. Wollte man § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG dahin auslegen, dass jede Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken strafbar wäre, würde die Strafbarkeit weiter reichen als das nur bußgeldbewehrte Verbot in § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, das lediglich das berufs- und gewerbsmäßige Inverkehrbringen für den Endverbrauch erfasst7.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Änderung des § 43 AMG durch das Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 7. September 19988. Hierdurch sollte in Abs. 1 Satz 1 klargestellt werden, dass die der Apothekenpflicht unterliegenden Arzneimittel im Einzelhandel nur in Apotheken in Verkehr gebracht werden durften und auch eine unentgeltliche Abgabe über die Notfallversorgung hinaus unterbleiben musste. Die Änderung erschien nach der Absicht des Gesetzgebers9 zweckmäßig, weil § 43 AMG auf Grund des Begriffs „Einzelhandel“ dahin ausgelegt worden war, dass die unentgeltliche Abgabe von Arzneimitteln durch Ärzte auch über eine Notfallversorgung hinaus zulässig gewesen war. Somit sollte durch den Wegfall der Worte „im Einzelhandel“ eine Auslegung des § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG dahingehend, dass auch eine unentgeltliche Weitergabe von Arzneimitteln von § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG erfasst ist, nicht ermöglicht werden.
Auch die Einfügung des § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG lässt eine solche Folgerung nicht zu. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes zur Entgeltlichkeit ein Gewinnstreben hinzukommen muss, da nur dann ein Handeltreiben vorliegt7.
Ferner ergibt die Änderung des § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG keine durchgreifenden Einwände gegen diese Auffassung. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung10 sollte im Hinblick auf das umfassendere Verbot des Handeltreibens durch Nichtbefugte – was hier nach den Feststellungen gerade nicht vorliegt – die Strafbewehrung für verschreibungspflichtige Arzneimittel entsprechend angepasst werden. An der Strafbarkeit der bloßen Abgabe entgegen § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG wurde nichts geändert.
Deshalb entspricht es übereinstimmender Auffassung, dass § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG nur berufs- oder gewerbsmäßig begehbar ist11. Damit ist auch nach der Änderung des § 43 AMG im Jahre 1998 die Rechtsprechung zu dem tatbestandseinschränkenden Erfordernis der Gewerbs- oder Berufsmäßigkeit12 nicht überholt.
Auch im Rahmen des § 96 Nr. 13 (Nr. 11 a.F.) AMG i.V.m. § 48 Abs. 1 AMG, wonach schuldig ist, wer Arzneimittel an Verbraucher abgibt, obwohl keine ärztliche Verschreibung vorliegt, kann Täter nur ein Apotheker oder eine sonst zur Abgabe von Arzneimitteln befugte Person sein. Hierfür spricht der Wortlaut des § 48 Abs. 1 AMG, der den Apotheker oder den Befugten im Blick hat, der ohne Rezept Arzneimittel abgibt. Dies folgt auch aus dem Zusammenhang des § 48 Abs. 1 AMG mit § 43 Abs. 3 Satz 1 AMG, der – wie dargelegt – bestimmt, dass verschriebene Arzneimittel nur in Apotheken abgegeben werden dürfen, und damit das Apothekenmonopol ausgestaltet. Aus der systematischen Stellung dieser Vorschriften ergibt sich damit die einschränkende Auslegung des Täterbegriffs13.
Nach § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 43 Abs. 1, 2 oder 3 Satz 1 AMG Arzneimittel berufs- oder gewerbsmäßig in den Verkehr bringt oder mit Arzneimitteln, die ohne Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, Handel treibt oder diese Arzneimittel abgibt. Unter die Regelung fallen sämtliche über § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG und § 96 Nr. 13 AMG hinausgehenden Verstöße gegen die Apothekenpflicht. Nach dem Wortlaut des § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG bezieht sich das Tatbestandsmerkmal der Gewerbs- oder Berufsmäßigkeit nur auf die Variante des Inverkehrbringens. Weder der Normzweck des § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG noch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gebieten dies jedoch. Denn es war keinesfalls das Ziel des Gesetzgebers, sämtliche auf den eigennützigen Umsatz von apothekenpflichtigen Arzneimitteln gerichteten Bemühungen mit einem Bußgeld zu belegen14. Im Ergebnis ist die Berufs- oder Gewerbsmäßigkeit für sämtliche Tathandlungsalternativen nach § 97 Abs. 2 Nr. 10 AMG zu verlangen15.
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 18. Januar 2012 – 4 Ss 664/11
- s. etwa Deutsch/Lippert, AMG, 2. Aufl., § 43 Rn. 1; Rehmann, AMG, 3. Aufl., § 43 Rn. 1[↩]
- BT-Drucksache 13/9996 S. 16[↩]
- s. Erbs-Kohlhaas-Pelchen/Anders, Strafrechtliche Nebengesetze, 171. Ergänzungslieferung, § 43 AMG Rn. 8; Rehmann aaO Rn. 5[↩]
- MünchKomm-StGB/Freund, § 95 AMG Rn. 46[↩]
- OLG Köln NStZ 1981, 444[↩]
- s. Körner/Patzack/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 95 AMG Rn. 206[↩]
- BGH aaO[↩][↩]
- BGBl I S. 2649 ff.[↩]
- BT-Drucksache 13/9996 S. 15 f.[↩]
- BT-Drucksache 13/9996, S. 17[↩]
- Körner/Patzack/Volkmer aaO; MünchKomm-StGB/Freund aaO Rn.47; Rehmann aaO § 95 Rn. 13; nach Deutsch/Lippert aaO § 43 Rn. 9 ist Normadressat nur der Apotheker[↩]
- OLG Köln aaO; s. auch OLG Hamburg NStZ 1995, 598[↩]
- ebenso im Ergebnis OLG Hamburg aaO; Erbs-Kohlhaas-Pelchen/Anders aaO § 96 AMG Rn. 32; Körner/Patzack/Volkmer aaO § 96 AMG Rn. 221; in diese Richtung auch BGHSt 21, 291 [294 f.]; a. A. MünchKomm-StGB/Freund aaO § 96 Rn. 19, wonach ein Verstoß des Unbefugten, der noch gefährlicher als der des grundsätzlich befugten Apothekers sei, auch nach dem Wortlaut des § 96 Nr. 13 AMG i.Vm. § 48 AMG ohne weiteres von dieser Norm zu erfassen sei[↩]
- s. BT-Drucksache 13/9996, S. 17[↩]
- Körner/Patzack/Volkmer a.a.O., § 97 AMG Rn. 35 – 39[↩]