Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit1.

Eigennützigkeit ist auch in den Fällen gegeben, in denen der Dealer Marihuana zum Einkaufspreis oder darunter abgegeben hat oder ihm als Gegenleistung anderweitige Dienste erbracht wurden. Um eine bloße Gefälligkeit handelte es sich nicht, wenn er mit dem Ziel handelte, die Abnehmer zu binden und mit ihnen später lukrativere Geschäfte abzuschließen.
Gewerbsmäßig im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 BtMG handelt ein Täter, wenn er sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen will2.
Auch ein Kleindealer, der sich mit dem Verkauf kleiner Konsummengen Mittel zur Befriedigung seiner Sucht beschafft, kann gewerbsmäßig handeln3.
Zwar kann die Gewerbsmäßigkeit, die sich auch auf die Erzielung bloßer Nebeneinnahmen beziehen kann, dann einer eingehenden Begründung bedürfen, wenn in Anbetracht der Abgabemengen und der Tatfrequenz nur von einem geringen Gewinn auszugehen ist4. So liegt der Fall im hier entschiedenen Fall aber nicht. Hier hatte der Dealer in Gewinnerzielungsabsicht von Juli 2013 bis zu seiner Inhaftierung im September 2014 in 176 Fällen an minderjährige Abnehmer und in fünf weiteren Fällen an erwachsene Abnehmer Marihuana regelmäßig für 12 Euro bis 15 Euro je Gramm bei einem durchschnittlichen Einkaufspreis von 10 Euro verkauft hat oder ihm bei niedrigeren Verkaufspreisen konkrete Gegenleistungen zugewendet wurden oder er durch den günstigen Preis seine Abnehmer an sich binden wollte, um zukünftig lukrativere Geschäfte abschließen zu können. Die die Annahme von Gewerbsmäßigkeit rechtfertigende Nachhaltigkeit der Absicht, sich eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Gewicht zu verschaffen, ist damit auf Grund der Vielzahl der Taten und der zeitlichen Abfolge ausreichend belegt. Auch seine wirtschaftlichen Verhältnisse (Schulden und geringes Einkommen) legen eine nachhaltige Gewinnerzielungsabsicht von einigem Gewicht nahe.
Gewerbsmäßig im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG handelt ein Täter dann, wenn er sich eine fortlaufende Einnahmequelle durch wiederholte Vornahme gerade solcher Handlungen verschaffen will, die den Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfüllen5. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Täter die erstrebten Einnahmen ausschließlich aus Rauschgiftgeschäften mit Minderjährigen erzielen will, sondern es reicht aus, dass er sich fortlaufende Einnahmen auch aus derartigen Geschäften verschaffen will.
Die einzelnen 176 Verkaufsfälle stehen vorliegend zueinander in Tatmehrheit (§ 53 StGB). Der Bundesgerichtshof hielt es hier nicht für erforderlich, insoweit die Möglichkeit von Bewertungseinheiten zu erörtern:
Durch den Begriff der Bewertungseinheit werden alle Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Menge an Betäubungsmitteln richten, zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens verbunden, weil der Erwerb und der Besitz von Betäubungsmitteln, die zum Zwecke gewinnbringender Weiterveräußerung bereitgehalten werden, bereits den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen. Zu dieser Tat gehören als unselbständige Teilakte im Sinne einer Bewertungseinheit alle späteren Veräußerungsgeschäfte, soweit sie dasselbe Rauschgift betreffen6.
Dabei setzt die Annahme einer Bewertungseinheit konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass bestimmte Einzelverkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren7.
Die bloße Möglichkeit, dass Einzelmengen einer Gesamtmenge entnommen sein können, genügt dabei nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine konkrete Zuordnung bestimmter Einzelverkäufe zu einer bestimmten erworbenen Gesamtmenge fehlen. Eine lediglich willkürliche Zusammenfassung ohne ausreichende Tatsachengrundlage kommt dabei nicht in Betracht, auch der Zweifelssatz gebietet in solchen Fällen nicht die Annahme einer einheitlichen Tat8.
Solche Anhaltspunkte fehlten im hier entschiedenen Fall, in dem von wöchentlichen Erwerbsvorgängen des Dealers von fünf bis zehn Gramm Marihuana auszugehen war, die nahezu vollständig zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen waren; nur ein geringfügiger Teil wurde in der Wohnung konsumiert oder verschenkt.
Dass die von dem Dealer verkauften Kleinmengen sämtlich oder auch nur mehrere von ihnen aus einer einheitlich erworbenen Vorratsmenge stammen, wurde nicht festgestellt. Dabei ist davon auszugehen, dass bereits die Erwerbsvorgänge nicht festgestellt werden konnten.
Der Dealer hat angegeben, dass er sämtliche „Marihuanaprodukte“ von einer Person, welche er namentlich nicht nennen wolle, erworben habe. Er würde mit Marihuana und Kräutermischungen handeln, die er zu einem Grammpreis von durchschnittlich 10 Euro erworben habe, „mal mehr, mal weniger“. Der Einkaufspreis für Marihuana sei nicht immer konstant gewesen, habe aber seiner Einschätzung nach im Durchschnitt 10 Euro betragen. Er habe wöchentlich 5 bis 10 Gramm Marihuana erworben.
Eine genaue Zuordnung des in unterschiedlichen Mengen eingekauften Marihuanas zu den zeitlich nicht näher festgelegten Einzelverkäufen, die mengenmäßig ebenfalls nicht mehr genau festgestellt werden können, lässt diese Einlassung und lassen auch die Angaben der einzelnen Käufer, soweit sie ermittelt werden konnten, nicht zu.
Der Zweifelssatz gebietet es nicht, festgestellte Einzelverkäufe zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen, nur weil eine nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, dass diese ganz oder teilweise aus einer einheitlich erworbenen Menge stammen. Auch wenn die Möglichkeit besteht, dass jeweils eine gewisse – freilich kaum konkret quantifizierbare – Anzahl der abgeurteilten Verkaufs- bzw. Abgabemengen aus einheitlichen Vorräten stammen könnten, kann kein unverhältnismäßiger Aufwand verlangt werden, um eventuell eine Bewertungseinheit festzustellen9. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, dass naheliegende Aufklärungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft worden wären; vielmehr steht aufgrund der Einlassung des Angeklagten, den Erkenntnissen der Telefonüberwachungen und den Angaben der Abnehmer, soweit sie ermittelt werden konnten, fest, dass die Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind.
Der Frage, unter welchen Umständen dann gleichwohl im Wege einer Schätzung Feststellungen hinsichtlich einer (oder mehrerer) Bewertungseinheit(en) zu treffen sind10, braucht der Bundesgerichtshof hier nicht nachzugehen.
Die Feststellungen zur Menge des abgegebenen Marihuanas sind nicht annähernd deckungsgleich mit den Feststellungen zur Menge des erworbenen Marihuanas. Vielmehr ist, wie schon die unterschiedlichen Mengen von erworbenem und abgegebenem Rauschgift zeigen, insgesamt nur ein begrenzter Teil der auf Erwerb und Abgabe bezogenen Handlungen des Angeklagten erfasst.
Es fehlen somit tatsächliche Grundlagen für eine tragfähige Schätzung dafür, welche und wie viele der zahlreichen abgegebenen Einzelmengen jeweils aus einem Erwerbsvorgang stammen und wie dies abzugrenzen und zeitlich einzuordnen wäre. Es käme daher lediglich eine willkürliche Zusammenfassung in Betracht, die rechtlich aber nicht zulässig ist11.
Allerdings kann unerlaubtes (gewerbsmäßiges) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 BtMG nicht in Tateinheit mit unerlaubter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG verwirklicht werden. Denn der Grundtatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 BtMG tritt einschließlich der in § 29 Abs. 3 BtMG enthaltenen Zumessungsregeln hinter einem der in §§ 29a, 30 und 30a BtMG aufgeführten Verbrechenstatbestände, hier also des § 29a Abs. 1, § 30 BtMG, zurück. Die Erfüllung des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG behält aber für die Strafbemessung innerhalb des in dem Qualifikationstatbestand vorgesehenen Strafrahmens Bedeutung12.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Oktober 2015 – 1 StR 317/15
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.10.2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 mwN[↩]
- st. Rspr.; vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29, Teil 26, Rn. 12[↩]
- st. Rspr.; vgl. Patzak aaO § 29, Teil 26, Rn. 15, 17[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 09.05.2012 – 4 StR 67/12, NStZ-RR 2012, 279 f.; und vom 20.03.2008 – 4 StR 63/08, NStZ-RR 2008, 212[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.07.1997 – 4 StR 222/97, StV 1997, 636; vgl. BGH, Beschluss vom 13.12 1995 – 2 StR 575/95, NStZ 1996, 285, 286[↩]
- st. Rspr.; vgl. Patzak, aaO, § 29, Teil 4, Rn. 409 mwN[↩]
- st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 23.05.2012 – 5 StR 12/12, NStZ 2012, 517 mwN; vgl. Patzak, aaO, § 29, Teil 4, Rn. 412 mwN[↩]
- st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 23.05.2012 – 5 StR 12/12, NStZ 2012, 517 f. mwN; Patzak, aaO, § 29, Teil 4, Rn. 412 mwN[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10.06.1997 – 1 StR 146/97, NStZ-RR 1997, 344; Beschluss vom 29.05.2012 – 1 StR 178/12, NStZ-RR 2012, 280, 281; zusammenfassend Patzak, aaO, § 29, Teil 4, Rn. 412 mwN[↩]
- vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 05.03.2002 – 3 StR 491/01, NJW 2002, 1810 f.[↩]
- st. Rspr.; BGH, Urteile vom 10.06.1997 – 1 StR 146/97, NStZ-RR 1997, 344; und vom 16.11.2005 – 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 55; Beschlüsse vom 26.05.2000 – 3 StR 162/00, NStZ 2000, 540, 541; und vom 29.05.2012 – 1 StR 178/12, NStZ-RR 2012, 280, 281[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 17.09.1993 – 4 StR 509/93, NStZ 1994, 39; und vom 21.12 1995 – 1 StR 697/95, StV 1996, 267; Patzak, aaO, § 30, Teil 6, Rn. 69 mwN[↩]