Die Verhältnisse in einem Jahresabschluss sind im Sinne des § 331 HGB unrichtig wiedergegeben, wenn die Darstellung mit den objektiven Gegebenheiten am Maßstab konkreter Rechnungslegungsnormen und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung nicht übereinstimmt (§ 264 Abs. 2 Satz 1, § 243 HGB)1.

Der unzutreffende Ausweis als Kapitalrücklage und damit als Eigenkapital verfälscht das Gesamtbild der Verhältnisse der Gesellschaft auch erheblich.
In den Jahresabschluss sind das Anlage- und Umlaufvermögen, das Eigenkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten gesondert aufzunehmen und aufzugliedern (§ 246 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 247 HGB). Zum Eigenkapital gehören auch die Kapitalrücklagen (§ 266 Abs. 3 A. II. HGB). Die Darstellung im Jahresabschluss muss dabei der objektiven Sachlage entsprechen, auf die subjektive Vorstellung des Handelnden kommt es nicht an. Die unrichtige Wiedergabe beschränkt sich nicht auf unwahre Angaben. Unrichtig können nicht nur Aussagen über Tatsachen, sondern auch – evtl. auf zutreffenden Tatsachen beruhende – Schlussfolgerungen, wie Bewertungen, Schätzungen und Prognosen sein2.
Eigenkapital hat eine Haftungs- oder Garantiefunktion, ist gegenüber den übrigen Ansprüchen der Gläubiger nachrangig zurückzuzahlen und steht der Gesellschaft dauerhaft, also nachhaltig zur Verfügung3. Trifft dies nicht zu, vermittelt die Verbuchung in der Kapitalrücklage damit insbesondere gegenüber Anlegern den unzutreffenden Eindruck, dass die erhaltenen Zahlungen der Gesellschaft bereits dauerhaft und vorbehaltlos zur Verfügung standen.
Die Kapitalrücklage nach § 272 HGB umfasst hauptsächlich solche Kapitalbeträge, die der Kapitalgesellschaft von außen zugeführt und nicht aus dem erwirtschafteten Ergebnis gebildet werden4.
Nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB sind andere Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten, in die Kapitalrücklage einzustellen. Der Gesellschafter muss demnach eine gewollte Zahlung in das Eigenkapital erbringen, was sich bereits aus dem Begriff der Leistung selbst ergibt5.
Da damit im vorliegenden Fall jedenfalls die Verbuchung in die Kapitalrücklage schlechthin unvertretbar war6, braucht der Bundesgerichtshof nicht zu entscheiden, ob ein Ausweis der Zahlungen als Fremdkapital (Verbindlichkeit) hätte erfolgen müssen oder der Ausweis eines Sonderpostens zwischen Eigen- und Fremdkapital den Rechnungslegungsnormen und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprochen hätte. Angesichts der Besonderheiten des Falles – der Angeklagte beherrschte aufgrund seiner mittelbaren und unmittelbaren Beteiligungen die AG und konnte auch die Beschlüsse in der Hauptversammlung treffen, zudem wurden die versprochenen Kapitalerhöhungsmaßnahmen faktisch durchgeführt und eingetragen – kam neben der Bilanzierung als Verbindlichkeit auch der Ausweis eines Sonderpostens in Betracht (sog. eigenkapitalähnliche Posten, Quasi-Eigenkapital oder Eigenkapitalsurrogat; vgl. MünchKomm-HGB/Reiner/Haußer, 3. Aufl., HGB § 266 Rn. 99). Eine der beiden Darstellungen in der Bilanz hätte jedenfalls dem von § 331 HGB bezweckten Schutz des Vertrauens in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen über die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft7 genügt. Hingegen verletzt gerade die fehlerhafte Einbuchung in die Kapitalrücklage das nach Außen ersichtliche Bilanzergebnis und erfüllt damit den Tatbestand des § 331 HGB.
Der Verstoß ist auch erheblich. Nicht jede Verletzung von Rechnungslegungsvorschriften führt zu einer Verletzung von § 331 HGB, vielmehr muss es sich um eine solche handeln, die die Interessen der Gläubiger, der Arbeitnehmer oder der Gesellschafter berührt8. Die unzutreffende Buchung von Eigenkapital betrifft das gesamte Bilanzergebnis. Gläubiger und Gesellschafter erhalten auf diese Weise einen falschen Eindruck von der Liquidität und Kreditwürdigkeit der Gesellschaft und werden in ihrem Vertrauen auf die Richtigkeit der dargestellten wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft enttäuscht.
Soweit die Buchungsvorgänge jeweils den selben Jahresabschluss betreffen, bilden mehrere falsche Angaben eine einheitliche Handlung als natürliche Handlungseinheit9.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Mai 2017 – 1 StR 306/16
- MünchKomm-StGB/Sorgenfrei, 2. Aufl., HGB § 331 Rn. 49[↩]
- MünchKomm-AktG/Schaal, 3. Aufl., § 400 AktG Rn. 35; Beck Bil-Komm/Grottel/H. Hoffmann, 10. Aufl., HGB § 331 Rn. 11[↩]
- vgl. Küting/Kessler, BB 1994, 2103, 2104 f. mwN[↩]
- Beck Bil-Komm/K. Hoffmann/Winkeljohann, 10. Aufl., HGB § 272 Rn. 160[↩]
- vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum RegE BiRiLiG, BT-Drs. 10/4268 S. 106 f.: Die Leistung in das Eigenkapital muss „gewollt sein, so daß verdeckte Einlagen oder auch verlorene Zuschüsse nicht ohne weiteres erfaßt“ werden; OLG Hamm, Beschluss vom 22.01.2008 – 15 W 246/07, FGPrax 2008, 120; Heymann in Beck´sches Handbuch der Rechnungslegung, Stand November 2016, Band 1, B. 231, Rn. 88 ff.; MünchKomm-HGB/Reiner, 3. Aufl., HGB § 272 Rn. 100, 104; Baumbach/Hopt/Merkt, 37. Aufl., HGB § 272 Rn. 9; Kropff in MünchKomm-Bilanzrecht, HGB § 272 Rn. 141[↩]
- vgl. hierzu Beck Bil-Komm/Grottel/H. Hoffmann, 10. Aufl., HGB § 331 Rn. 5; KG Berlin, Beschluss vom 11.02.2010 – 1 Ws 212/08, Rn. 6, wistra 2010, 235[↩]
- MünchKomm-StGB/Sorgenfrei, 2. Aufl., HGB § 331 Rn. 1; Raum in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl., 11. Kapitel Rn. 48 f.[↩]
- vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.08.2006 – 2 BvR 822/06, NJW-RR 2006, 1627 mwN; Beck Bil-Komm/Grottel/H. Hoffmann, 10. Aufl., HGB § 331 Rn.20[↩]
- BGH, Beschluss vom 21.08.1996 – 4 StR 364/96, wistra 1996, 348; MünchKomm-HGB/Quedenfeld, 3. Aufl., § 331 Rn. 106[↩]