Bei der Frage, ob sich ein medizinischpsychiatrischer Befund in der Tatsituation „erheblich“ auf das Steuerungsvermögen im Sinne des § 21 StGB ausgewirkt hat, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Gericht in eigener Verantwortung und ohne Bindung an die Ausführungen des Sachverständigen zu entscheiden hat.

Zu beurteilen ist, ob der Täter defektbedingt motivatorischen und situativen Tatanreizen wesentlich weniger Widerstand entgegensetzen konnte als ein Durchschnittsbürger1.
Hierzu bedarf es einer konkretisierenden und widerspruchsfreien Darlegung, aus der sich ergibt, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat2.
Den sich daraus ergebenden Anforderungen wurden in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall die landgerichtlichen Urteilsgründe nicht gerecht:
Die sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, dass der Angeklagte an einer krankhaften seelischen Störung in Form einer „atypischen Schizophrenie gepaart mit einer posttraumatischen Belastungsstörung“ leide. Aufgrund dessen habe er sich „allgemein vor Verfolgern gefürchtet“ und sei davon überzeugt gewesen, dass er fliehen müsse. Seine Flucht habe er sich mit dem erbeuteten Geld und dem Fahrzeug erleichtern wollen. Dabei sei seine Einsichtsfähigkeit voll erhalten und seine Steuerungsfähigkeit zwar beeinträchtigt, aber nicht aufgehoben gewesen. Denn der Angeklagte habe die Situationen jeweils erkannt und adäquat gehandelt. Seine Taten hätten eine rationale Vorplanung und ein überlegtes Verhalten gefordert, wozu er in der Lage gewesen sei. Äußerliche Zeichen einer Verwirrtheit hätten sich nicht ergeben.
Damit hat das Landgericht zwar begründet, warum es nicht von einer Aufhebung der Einsichtsoder Steuerungsfähigkeit ausgegangen ist. Dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB sicher erheblich vermindert war, hat es dagegen nicht dargelegt. Hierzu wären aber gerade mit Rücksicht auf das festgestellte „rationale und überlegte Verhalten“ des Angeklagten nähere Ausführungen erforderlich gewesen. Die Feststellung, dass die Tatmotivation des Angeklagten psychotisch beeinflusst war, begründet für sich genommen noch nicht, dass er den sich daraus ergebenden Tatanreizen wesentlich weniger Widerstand entgegensetzen konnte als ein Durchschnittsbürger.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 505/18
- vgl. BGH, Urteil vom 17.04.2012 – 1 StR 15/12, NStZ 2013, 53 Rn. 25; Urteil vom 19.10.2011 – 2 StR 172/11 Rn. 4; Urteil vom 17.03.2009 – 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221 Rn. 15 ff. mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.04.2018 – 4 StR 446/17 Rn. 7; Beschluss vom 28.01.2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135, 136; Beschluss vom 19.12 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146 mwN[↩]