Unterbringung in der Psychiatrie – und die Feststellungen zum Defektzustand

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht.

Unterbringung in der Psychiatrie – und die Feststellungen zum Defektzustand

Der Defektzustand muss, um die notwendige Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Prognostisch muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB).

Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen1.

Erforderlich ist insoweit auf der Ebene der Darlegungsanforderungen stets eine konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat2. Diese Anforderungen gelten auch in Fällen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit3.

Weiterlesen:
Der Dealer - und die Tateinheit

Auf der Grundlage, dass der Beschuldigte im Tatzeitraum unter schweren psychotischen Beeinträchtigungen gelitten hat, deren Symptome sich bei ihm vor allem durch verworrenes Denken und Verhalten gezeigt haben und diese auch im Tatbild Ausdruck gefunden haben, ist der Schluss auf eine durch krankheitsbedingte kognitive Einbußen sicher erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit tragfähig4. Eine durch kognitive Verzerrungen hervorgerufene relevante Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit setzt auch nicht zwingend wahnhaftes Erleben voraus.

Selbst wenn diese Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit durch Alkohol mitverursacht worden wäre, hinderte dies nicht die Annahme einer dauerhaften Störung im Sinne des § 63 StGB. Denn tragender Grund für den Zustand im Sinne des § 63 StGB ist die Psychose des Beschuldigten. Dann kommt es nicht darauf an, ob die Schwelle zur verminderten Steuerungsfähigkeit durch ein alltägliches Ereignis, nämlich den Alkoholkonsum überschritten wurde5. Dies gilt zumal, da der Beschuldigte mit der zunehmenden Symptomatik seiner Psychose vermehrt Alkohol trank.

Soweit das Landgericht zudem eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht auszuschließen vermochte, wirkt sich dies nicht zum Nachteil des Beschuldigten aus. Hier führt es nur dazu, dass der Beschuldigte keine zusätzliche Freiheitsstrafe erhält. Bleiben aber nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht behebbare tatsächliche Zweifel bestehen, die sich auf die Art und den Grad des psychischen Ausnahmezustandes beziehen, ist zugunsten des Täters zu entscheiden6. Zu Lasten des Beschuldigten wirkende Folgen aus der Annahme der nicht ausschließbar aufgehobenen Einsichtsfähigkeit sind nicht erkennbar.

Weiterlesen:
Strafe für die Tötung eines Radfahrers bei einer Trunkenheitsfahrt

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. August 2017 – 1 StR 63/17

  1. st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 21.12 2016 – 1 StR 594/16 Rn. 3, NStZ-RR 2017, 76; vom 13.10.2016 – 1 StR 445/16 Rn. 13 ff., StV 2017, 585; und vom 12.10.2016 – 4 StR 78/16 Rn. 9[]
  2. st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 21.12 2016 – 1 StR 594/16 Rn. 5, NStZ-RR 2017, 76; vom 12.10.2016 – 4 StR 78/16 Rn. 11, NStZ-RR 2017, 74; und vom 17.06.2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306[]
  3. vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29.04.2014 – 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305; vom 23.08.2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; und vom 24.04.2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239[]
  4. vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19.12 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145 mwN[]
  5. BGH, Beschluss vom 19.01.2017 – 4 StR 595/16 Rn. 11, NStZ-RR 2017, 203 mwN; Urteil vom 17.02.1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 375[]
  6. BGH, Beschluss vom 19.11.2014 – 4 StR 497/14, NStZ-RR 2015, 71 mwN[]