Eine Urkundenfälschung auf der Wahlbenachrichtigungskarte bezüglich des Antrags auf Erteilung von Briefwahlunterlagen und eine nachfolgende Wahlfälschung unter Verwendung des aufgrund dieses Antrags ausgegebenen Stimmzettels sind nicht im Sinne einer Bewertungseinheit tateinheitlich verbunden, sondern stehen im Verhältnis von Tatmehrheit zueinander. Der Umstand, dass der Täter die Urkundenfälschung nur begeht, um in den Besitz der Briefwahlunterlagen zu kommen und den Stimmzettel selbst ausfüllen zu können, ändert daran nichts.

Eine Urkundenfälschung auf der Wahlbenachrichtigungskarte bezüglich des Antrags einerseits und eine Wahlfälschung unter Verwendung des aufgrund dieses Antrags ausgegebenen Stimmzettels (sowie Delikte hinsichtlich der zugleich auf dem Wahlschein abgegebenen Versicherung an Eides Statt) andererseits stehen nicht in Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander.
In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall beging der Angeklagte die Urkundenfälschungen hinsichtlich der Anträge nur, um in den Besitz der Briefwahlunterlagen zu kommen und die Stimmzettel selbst ausfüllen zu können. Deshalb, so das Landgericht im angefochtenen Urteil, seien die Taten beider Komplexe im Sinne einer Bewertungseinheit in Tateinheit verbunden. Diese Auffassung teilt der Bundesgerichtshof nicht, ohne dass hier sämtlichen Aspekten der noch nicht vollständig geklärten Rechtsfigur der Bewertungseinheit1 nachzugehen wäre.
Es geht bei einer Bewertungseinheit regelmäßig um einen Tatbestand, der typischerweise im Gesetz in pauschalierender, weit gefasster und verschiedene natürliche Handlungen zusammenfassender Weise beschrieben ist und der dementsprechend trotz mehrerer – nicht wegen teilweisen Zusammenfallens von Tathandlungen oder wegen eines auch räumlich/zeitlich engen Zusammenhangs tateinheitlich verbundener – derartiger Handlungen als nur einmal erfüllt angesehen wird2. Eine derartige oder eine damit vergleichbare Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.
Wahlfälschung wird nicht notwendiger- oder auch nur typischerweise mittels einer vorangegangenen Urkundenfälschung begangen, noch weniger erstrebt der Täter einer Urkundenfälschung notwendiger- oder typischerweise eine Wahlfälschung. Wahlfälschung einerseits und Urkundenfälschung andererseits sind Delikte mit unterschiedlicher Schutzrichtung. Auch führt allein die Verfolgung eines einheitlichen Ziels nicht dazu, dass derartige Delikte, die aus anderem Grunde nicht tateinheitlich verbunden sind, im Blick auf eine Bewertungseinheit doch tateinheitlich verbunden wären3.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. März 2011 – 1 StR 407/10
- vgl. hierzu eingehend Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., vor § 52 Rn. 23 ff. m. zahlr. w. Nachw.[↩]
- vgl. zum Fall des Handeltreibens mit [der selben Menge] Betäubungsmitteln grundlegend BGH, Beschluss vom 7. Januar 1981 – 2 StR 618/80, BGHSt 30, 28, 31; zum Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot, dem „das Element der Wiederholung [einzelner Handlungen] immanent ist“, BGH, Beschluss vom 11. Februar 2000 – 3 StR 486/99, BGHSt 46, 6, 15 sowie Beschluss vom 12. Januar 2010 – 3 StR 466/09, NStZ 2010, 455; weitere Beispiele bei Rissingvan Saan, aaO, Rn. 24 ff.; von Heintschel–Heinegg in MünchKommStGB, § 52 Rn. 41 ff.[↩]
- zur [nicht identischen, aber vergleichbaren] Verneinung einer natürlichen Handlungseinheit trotz eines mit verschiedenen Taten verfolgten einheitlichen Ziels vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1997 – 1 StR 481/97, NStZRR 1998, 68; vgl. auch Eschelbach in SSW StGB § 52 Rn. 31 mwN[↩]