Der grundrechtliche Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG beinhaltet, dass jede staatliche Stelle bei ihrem Handeln, unabhängig von der Handlungsform und dem betroffenen Lebensbereich, die in dem Gleichheitssatz niedergelegte Gerechtigkeitsvorstellung zu beachten hat. Der staatlichen Stelle ist es daher verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien einer Vergabe willkürlich zu bestimmen. Darüber hinaus kann die tatsächliche Vergabepraxis zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen. Eine Abweichung von solchen Vorgaben kann eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG bedeuten1. Das subjektive Recht auf Gleichbehandlung ist im Rahmen des Justizgewährungsanspruchs gerichtlich verfolgbar und Teil der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art.19 Abs. 4 GG2.

Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt3. Die Gerichte sind verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten4 und den Zugang zu den eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren5. Art.19 Abs. 4 GG ist verletzt, wenn das Gericht durch unzumutbare Anforderungen an das prozesserhebliche Verhalten des Rechtsuchenden den Zugang zum Gericht unangemessen erschwert oder für den geltend gemachten Verfahrensgegenstand keinen der an sich eröffneten Rechtswege für gegeben hält und dabei verkennt, dass der Rechtsuchende ein Verhalten der öffentlichen Gewalt zum Verfahrensgegenstand macht, bei dem auf der Grundlage des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht ausgeschlossen werden kann, dass es ihn in Grundrechten verletzt6. Die Fachgerichte sind verpflichtet, auslegungsfähige Anträge nicht daran scheitern zu lassen, dass die Rechtslage unübersichtlich ist, und die Anträge sachdienlich auszulegen7.
Der fachgerichtliche Spielraum ist überschritten, wenn das Gericht bei der Gesetzesauslegung und -anwendung in offensichtlich nicht zu rechtfertigender Weise den vom Gesetzgeber gewollten und im Gesetzestext ausgedrückten Sinn des Gesetzes verfehlt8 oder das zu berücksichtigende Grundrecht völlig unbeachtet gelassen hat9. Die fachgerichtliche Überprüfung kann die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte zudem nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht. Das Gericht hat im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von sich aus die zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Maßnahmen zu treffen10. Um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes zu genügen, darf ein Gericht auf die Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten daher nur verzichten, wenn Beweismittel unzulässig, schlechterdings untauglich, unerreichbar oder für die Entscheidung unerheblich sind. Dagegen darf es von einer Beweisaufnahme nicht schon dann absehen, wenn die Aufklärung besonders arbeits- oder zeitaufwendig erscheint11.
Diesen Maßstäben wurde der in dem hier entschiedenen Verfassungsbeschwerdeverfahren angegriffene Beschluss des Landgerichts Regensburg12 nicht gerecht. Soweit es die Mitteilung der Justizvollzugsanstalt, die Vermittlung einer ehrenamtlichen Besuchsbetreuung sei derzeit aus Kapazitätsgründen nicht möglich, nicht als Ablehnung des Antrags des Beschwerdeführers und damit als gerichtlich überprüfbare, hoheitliche Maßnahme, sondern als bloßen Verweis auf mangelnde Kapazitäten bewertet, nimmt es ihm faktisch jede Möglichkeit, das von ihm beanstandete Vergabeverfahren der Justizvollzugsanstalt im Hinblick auf Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG fachgerichtlich überprüfen zu lassen. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer vorgetragen hat, seinem Begehr und seinen wiederholt gestellten Anträgen werde mit dieser Begründung schon seit Jahren nicht entsprochen.
Dem Beschwerdeführer obliegt nach § 109 Abs. 2 StVollzG zwar eine Darlegungslast dahingehend, dass sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine Rechtsverletzung als möglich erscheinen lässt, wobei die Anforderungen aber nicht überspannt werden dürfen und der Antrag sachdienlich auszulegen ist13. Der Sache nach hat der Beschwerdeführer sein Anliegen wie auch den aus seiner Sicht gegebenen Sachverhalt plausibel dargestellt und dem Gericht Anhaltspunkte, die es für weitere Sachermittlungen von Amts wegen brauchte, mitgeteilt. Einen Hinweis auf eine aus Sicht des Gerichts mangelnde Substantiierung, die der Beschwerdeführer durch Nachtrag konkreter, von ihm im Rechtsbeschwerdeverfahren auch vertieft vorgetragener Angaben (etwa zu einem namentlich benannten Mitgefangenen) hätte ausräumen können, hat das Landgericht Regensburg erkennbar weder gegeben noch erwogen. Die Einschätzung des nach § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG in Verbindung mit § 244 Abs. 2 StPO zur Amtsermittlung verpflichteten Gerichts, der Vortrag des Beschwerdeführers sei „nicht belegbar“, „pauschal“ und es könne diesem „in keiner Weise nachgehen“, vermag nicht zu überzeugen. Es liegt in der Natur der vom Landgericht Regensburg selbst angeführten eingeschränkten Nachweismöglichkeiten des strafgefangenen Beschwerdeführers, dass er keinen Zugriff auf etwaige Gefangenenlisten mit Einlieferungs- und Antragstellungsdaten sowie Wartelisten und Zuteilungskriterien hat. Es wäre bei dem gegebenen Sachvortrag und dem erkennbaren Begehr des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG geboten gewesen, die Justizvollzugsanstalt um Darlegung der Vergabekriterien, Übersendung der Warteliste und ergänzende Stellungnahme zum Vorbringen des Beschwerdeführers zu ersuchen.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch im Hinblick auf den die Beschwerde zurückweisenden Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts14 begründet. Der Beschluss verletzt den Beschwerdeführer ebenfalls in seinem Grundrecht aus Art.19 Abs. 4 GG. Die fachgerichtliche Auslegung des § 116 Abs. 1 StVollzG wird der Bedeutung der Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs. 4 GG nicht gerecht.
Abs. 4 GG fordert keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art.19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle15. Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden16.
§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn das Oberlandesgericht die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet, was das Bundesverfassungsgericht vorliegend auch getan hat. Dies ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden17. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich der Beschluss selbst verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen18. Dies ist angesichts der aufgezeigten inhaltlichen Abweichung der Entscheidungsgründe des Landgerichts Regensburg von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hier der Fall.
Da die Entscheidungen des Landgerichts und des Bayerischen Obersten Landesgerichts schon wegen des Verstoßes gegen Art.19 Abs. 4 GG keinen Bestand haben, kann offen bleiben, ob die Beschlüsse weitere Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzen19.
Die Entscheidungen des Landgerichts Regensburg und des Bayerischen Obersten Landesgerichts wurden daher vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben und die Sache an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. Februar 2020 – 2 BvR 1719/19
- vgl. BVerfGE 73, 280, 299; 116, 135, 153 f. m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 116, 135, 153 f. m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 67, 43, 58; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 77, 275, 284[↩]
- vgl. BVerfGE 44, 302, 305; 69, 381, 385; 77, 275, 284; 134, 106, 117 Rn. 34[↩]
- vgl. BVerfGE 57, 9, 21 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 96, 44, 50; BVerfG, Beschluss vom 06.08.1992 – 2 BvR 89/92, Rn. 18 ff.; BVerfG, Beschluss vom 26.08.2008 – 2 BvR 1198/08, Rn. 18[↩]
- vgl. BVerfGE 86, 59, 64 f.; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 59, 231, 268?f.; 77, 240, 255?f.[↩]
- vgl. BVerfGE 101, 275, 294 f.; BVerfGK 4, 119, 129; 9, 390, 395; 9, 460, 463; 13, 472, 476; 13, 487, 493; 17, 429, 430 f.; 19, 157, 164; 20, 107, 112[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.01.2017 – 2 BvR 2584/12, Rn. 18; BVerfG, Beschluss vom 04.12 2019 – 2 BvR 1258/19, 2 BvR 1497/19, Rn. 51[↩]
- LG Regensburg, Beschluss vom 17.06.2019 – SR StVK 331/19[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.08.1992 – 2 BvR 89/92, Rn.20; BVerfG, Beschluss vom 26.08.2008 – 2 BvR 1198/08, Rn. 18[↩]
- BayObLG, Beschluss vom 28.08.2019 – 204 StObWs 1306/19[↩]
- vgl. BVerfGE 40, 272, 274 f.; 54, 94, 96 f.; 122, 248, 271; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 96, 27, 39; 117, 244, 268; 122, 248, 271; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 50, 287, 289 f.; 71, 122, 135; 81, 97, 106[↩]
- vgl. nur BVerfGK 19, 306, 317 f. m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 128, 226, 268[↩]