Gegen die Angeklagte kann ein Vermögensarrestes nach § 111e Abs. 2 StPO angeordnet werden, wenn gegen sie ein Urteil mit einer Kostenentscheidung zu ihren Lasten ergangen ist. Darüber hinaus muss der Vermögensarrest „zur Sicherung der Vollstreckung“ erforderlich sein.

Diese Regelung beinhaltet nach dem Wortlaut und den gesetzgeberischen Motiven, dass der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, das Übermaßverbot und die bisherige Rechtsprechung zum „Arrestgrund“ zu beachten sind1. Demnach kommt der Arrest nur in Betracht, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werde2.
Hierbei sind alle Umstände zu würdigen, die geeignet sind, Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung zu ergeben. Dazu können die Art und die Umstände der Verfehlung, die darauf bezogene Hartnäckigkeit und Dauer sowie Maß und Mittel der Tatabsicherung Berücksichtigung finden.
Allerdings wird allein das Gewicht der zugrundeliegenden Tat nur in besonderen Ausnahmefällen ausreichen. Um einen Arrestgrund bejahen zu können, sind vielmehr regelmäßig Erkenntnisse auch aus dem Verhalten nach der Tat, insbesondere unter dem Eindruck des laufenden Verfahrens, erforderlich, die auf eine entsprechende Vollstreckungsvereitelungsabsicht hindeuten könnten3.
Nach diesen Maßstäben ist der Arrest im hier entschiedenen Fall möglich und verhältnismäßig. Die Angeklagte ist wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung TKP/ML verurteilt worden4. Die Vereinigung ist bisherigen Erkenntnissen zufolge hierarchisch strukturiert, das Vorgehen war von klandestinem Verhalten geprägt5. Das Oberlandesgericht hat nach den in der Hauptverhandlung gewonnenen Beweisergebnissen Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Angeklagte der Organisation in der Vergangenheit Geldmittel aus ihrem Privatvermögen zur Verfügung stellte. In einer mehrere Jahre zurückliegenden Versammlung des Auslandskomitees erklärte sie ihr grundsätzliches Einverständnis, freiwillig am bewaffneten Kampf in der Türkei teilzunehmen. Wie im angefochtenen Beschluss ausgeführt, hat sich aus ihrem letzten Wort ergeben, dass sie nach wie vor uneingeschränkt hinter den Zielen der Vereinigung steht und bereit ist, diesen alles andere unterzuordnen. Insgesamt ist danach die Befürchtung begründet, die Angeklagte werde ihr noch vorhandenes Privatvermögen, das im Wesentlichen aus einem Erbbaurecht an einem Grundstück in N. besteht, einem Zugriff zur Begleichung der Verfahrenskosten entziehen. Dies gilt unabhängig davon, ob zu erwarten ist, ihr werde infolge der Taten ihre ärztliche Approbation entzogen. Dass es bislang nicht zu Veräußerungsbemühungen gekommen ist, lässt die Besorgnis einer Vollstreckungsvereitelung nicht entfallen.
Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass ein Arrest entbehrlich sein könnte, weil die Angeklagte die Verfahrenskosten, die in der Verhandlung an 234 Hauptverhandlungstagen vor dem Oberlandesgericht angefallen sind und die dieses allein in Bezug auf Sachverständigen- sowie Zeugenauslagen auf bislang rund 200.000 € veranschlagt hat, aus ihrem Vermögen oder einem etwaigen Einkommen als Ärztin zu tragen in der Lage wäre. Mildere, ebenso geeignete Mittel, um die Vollstreckung der Verfahrenskosten sicherzustellen, bestehen nicht.
Der Bundesgerichtshof teilt im vorliegenden Fall die Ermessensentscheidung des Oberlandesgerichts, wonach das Bedürfnis des Staates nach Sicherung seines voraussichtlichen Kostenerstattungsanspruchs die von der Anordnung betroffene Eigentumsposition der Angeklagten überwiegt. Dabei ist zwar einerseits zu berücksichtigen, dass der angeordnete Betrag weitgehend das gesamte Vermögen der Angeklagten erfasst, die Arrestanordnung bereits annähernd ein halbes Jahr besteht und sie mit Blick auf das laufende Revisionsverfahren noch weitere Zeit andauern wird6. Allerdings hat die Angeklagte andererseits ein fortlaufendes Einkommen als Ärztin und kann mithin ihren Lebensunterhalt ohne Verbrauch ihres Vermögens sicherstellen. Eine besondere Belastung durch die Eintragung einer Sicherungshypothek, mittels derer der Vermögensarrest in das unbewegliche Vermögen gemäß § 111f Abs. 2 Satz 1 StPO bewirkt wird, ergibt sich nach den konkreten Umständen zudem nicht.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Januar 2021 – StB 46/20
- vgl. BT-Drs. 18/9525 S. 49, 76 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.10.2017 – 1 StR 163/17, NJW 2017, 3731 Rn. 15; KG, Beschluss vom 02.06.2020 – 4 Ws 21/20 25; KK-StPO/Spillecke, 8. Aufl., § 111e Rn. 4; LR/Johann, StPO, 27. Aufl., § 111e Rn. 11 ff., 38[↩]
- s. § 917 Abs. 1 ZPO; BGH, Beschluss vom 03.06.2014 – KRB 2/14, NJW 2014, 3258 Rn. 6[↩]
- zu alldem BGH, Beschluss vom 03.06.2014 – KRB 2/14, NJW 2014, 3258 Rn. 7 mwN[↩]
- vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12.11.2015 – AK 36/15, NStZ-RR 2016, 170[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 29.10.2020 – StB 30/20 12[↩]
- vgl. zu diesen Gesichtspunkten beim Arrest zur Rückgewinnungshilfe BVerfG, Beschluss vom 17.04.2015 – 2 BvR 1986/14, wistra 2015, 348 Rn. 12 mwN[↩]