Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium

In der in einem Urteil vorgenommene Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium, wie einer CD-ROM,liegt keine wirksame Bezugnahme im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Nach dieser Vorschrift darf wegen der Einzelheiten auf (nur) „Abbildungen“ verwiesen werden, die sich bei den Akten befinden.

Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium

Trotz dieses Rechtsfehlers hat vor dem Bundesgerichtshof in dem hier vorliegenden Fall das Urteil des Landgerichts standgehalten: Das Landgericht Marburg hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Verdacht der schweren räuberischen Erpressung freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision des Nebenklägers F. B. hat keinen Erfolg.

  1. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sind die allgemeinen Anforderungen an die Begründung eines freisprechenden Urteils erfüllt1. Das Landgericht hat, nachdem es Feststellungen zur Person der Angeklagten getroffen und den der Anklage zugrundeliegenden Tatvorwurf skizziert hat, in einem ersten Schritt die in der Hauptverhandlung getroffenen Feststellungen zusammenhängend dargestellt.

    Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht habe durch Vernehmung von Richter am Amtsgericht O. weitere Feststellungen zur „Substanz der Aussage des Zeugen R. L. , insbesondere dessen Erinnerungsvermögen und den Eindruck des Ermittlungsrichters zu der Aussage der Tüchtigkeit des Zeugen L. näher ergründen müssen“, ist die damit erhobene Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) unzulässig, da die Revision nicht mitteilt, was die Vernehmung des Ermittlungsrichters inhaltlich ergeben hätte und aufgrund welcher Tatsachen sich das Landgericht hätte konkret zu der Beweiserhebung gedrängt sehen müssen.

  2. In der nachfolgenden Beweiswürdigung hat das Landgericht die Einlassungen der Angeklagten, die Sachbeweise, die von ihm für besonders bedeutsam erachteten Videoaufzeichnungen der Örtlichkeiten, sowie den wesentlichen Inhalt von Zeugenaussagen, namentlich der Angaben von J. und F. B. sowie R. L. , wiedergegeben und im Einzelnen ausführlich gewürdigt. Die Einwendungen der Revision, die sich namentlich gegen die Bewertung der DNA-Gutachten und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen F. und J. B. sowie des Zeugen L. durch das Landgericht richten, bestehen in der Substanz darin, die Würdigungen des Landgerichts seien unzutreffend und erschöpfen sich in dem Versuch, mit urteilsfremden Erwägungen eine eigene Würdigung an die Stelle der vom Tatrichter vorgenommenen zu setzen; einen durchgreifenden Rechtsfehler zeigen sie nicht auf. Dies gilt namentlich auch für die von der Revision im Rahmen der Würdigung der Aussage des Zeugen F. B. vermisste Berücksichtigung der Angaben des Angeklagten Br. in seiner ersten polizeilichen Vernehmung. Soweit hierin – wie der Zuschrift des Generalbundesanwalts entnommen werden könnte – zusätzlich eine Verfahrensrüge unter dem Blickwinkel des § 261 StPO enthalten sein sollte, wäre diese jedenfalls unzulässig, da der Wortlaut der betreffenden Vernehmung nur auszugsweise mitgeteilt wird.

    Auch soweit das Landgericht im Urteil die Angaben des R. L. vor dem Ermittlungsrichter, die im allseitigen Einverständnis durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt wurden, nicht im Einzelnen wiedergegeben und gewürdigt hat, hält dies revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Eine Beweiswürdigung kann ihrer Natur nach nicht erschöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Aus einzelnen denkbaren oder tatsächlichen Lücken in der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht2. Dass sich eine Wiedergabe und Würdigung der Angaben des R. L. vor dem Ermittlungsrichter dem Landgericht mit Rücksicht auf die sonstigen Feststellungen im Urteil aufdrängen musste, ist nicht ersichtlich und von der Revision auch nicht konkret – etwa durch eine Inbegriffsrüge nach § 261 StPO – dargelegt.

    Rechtlichen Bedenken begegnet allerdings die an mehreren Stellen des Urteils vorgenommene Verweisung „wegen der weiteren Einzelheiten … der Videoaufzeichnung … auf die bei den Akten befindliche CD-ROM“. In der Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium als solches liegt keine wirksame Bezugnahme im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO3. Nach dieser Vorschrift darf wegen der Einzelheiten auf (nur) „Abbildungen“ verwiesen werden, die sich bei den Akten befinden.

    Abbildungen sind Wiedergaben der Außenwelt, die unmittelbar durch den Gesichts- oder Tastsinn wahrgenommen werden können4. In seiner Sprachbedeutung als „bildliches Darstellen“5 erfasst der Begriff vor allem statische bildliche Wiedergaben wie Fotografien, gemalte Bilder, Zeichnungen, Skizzen, Landkarten, technische Diagramme, grafische Darstellungen und Statistiken6. Ob sich der Wortsinn auch auf Filme oder Filmsequenzen erstreckt, die in einer kontinuierlichen Abfolge einer Vielzahl von visuellen Eindrücken den Ablauf eines Geschehens dokumentieren, mag bereits zweifelhaft erscheinen. Dagegen könnte auch sprechen, dass der Gesetzgeber § 11 Abs. 3 StGB, der bereits den Begriff der „Abbildungen“ enthielt, durch Art. 4 Nr. 1 luKDG um den Begriff des „Datenspeichers“ erweitert hat, der auch CD-ROMs erfassen soll7. Selbst wenn man von dem Begriff – etwa im Kontext von § 184 StGB – grundsätzlich auch Filme umfasst sieht8, setzt eine Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO aber voraus, dass diese selbst Aktenbestandteil geworden sind. Dies ist jedenfalls bei auf elektronischen Medien gespeicherten Bilddateien nicht der Fall. Bei diesen wird nicht der Film als solcher und damit das durch das menschliche Auge unmittelbar wahrnehmbare Geschehen, Bestandteil der Akten, sondern es bedarf für die Wahrnehmung der Vermittlung durch das Speichermedium sowie weiterer technischer Hilfsmittel, die das Abspielen ermöglichen.
    Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO eine Öffnung für Bezugnahmen in den Urteilsgründen nur in „einer vorsichtigen, die Verständlichkeit des schriftlichen Urteils nicht beeinträchtigenden Form“9 ermöglichen wollte. Bei Bezugnahmen auf Speichermedien mit – unter Umständen mehrstündigen – Videoaufnahmen wären die Urteilsgründe dagegen nicht mehr aus sich heraus verständlich. Darüber hinaus ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, das Urteil möglicherweise tragende Umstände selbst an passender Stelle herauszufinden und zu bewerten; bei einem solchen Vorgehen handelt es sich nicht mehr um ein Nachvollziehen des Urteils, sondern um einen Akt eigenständiger Beweiswürdigung, der dem Revisionsgericht verwehrt ist10. Dies gilt nicht nur für pauschale, sondern auch für Bezugnahmen, welche die Sequenz auf dem Speichermedium konkret bezeichnen und eingrenzen.

    Zwar ist die Videoaufzeichnung damit nicht Bestandteil der Urteilsgründe geworden. Indes beruht das Urteil nicht auf dem Rechtsfehler. Die Gründe enthalten auch ohne die ergänzenden Verweisungen eine aus sich heraus verständliche Beschreibung und Würdigung des sich aus den Filmaufnahmen ergebenden Geschehens, die eine umfassende Beurteilung ihres Aussagegehaltes durch das Gericht ermöglicht. Die von der Revision unter Hinweis auf das Überwachungsvideo geltend gemachten Lücken und Widersprüche sind urteilsfremd.

  3. Schließlich hat das Landgericht die Beweisergebnisse und Indizien auch zusammenfassend unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtschau gewürdigt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR 332/11

  1. vgl. zu diesen Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., 2011, § 267 Rn. 33 ff.; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl. 2008, Rn. 621 ff.; jeweils mwN.[]
  2. BGH, Urteil vom 23.06.2010 – 2 StR 35/10; BGH, Urteil vom 28.10.2010 – 4 StR 285/10[]
  3. vgl. auch OLG Brandenburg NStZ-RR 2010, 89; DAR 2005, 635; OLG Schleswig SchlHA 1997, 170; a.A. OLG Dresden NZV 2009, 520; OLG Zweibrücken VRS 102, 102 f.; KG VRS 114, 34; OLG Bamberg NZV 2008, 469[]
  4. Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 267 Rn. 9; Fischer StGB 58. Aufl. § 11 Rn. 37[]
  5. Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011 S. 78[]
  6. vgl. Duden – Das Synonymwörterbuch – 5. Aufl. 2010 S. 32[]
  7. vgl. BT-Drucks. 13/7385 S. 36[]
  8. Fischer aaO[]
  9. BT-Drucks. 8/976 S. 55[]
  10. vgl. BGH, Beschluss vom 14.09.2011, 5 StR 355/11[]
Weiterlesen:
Beweiswürdigung - und ihre Überprüfung in der Revisionsinstanz