Stößt jemand einen Bankkunde, der seine Bankkarte in den Geldausgabeautomaten eingeschoben und seine Geheimnummer eingegeben hatte; vom Automaten weg, wählt einen Auszahlungsbetrag (hier: von 500 €) und entnimmt das vom Geldautomaten ausgegebene Bargeld, um sich zu Unrecht zu bereichern, so liegt hierin

Raub gemäß § 249 Abs. 1 StGB liegt nicht vor.
Die Geldscheine waren allerdings für den Täter fremde bewegliche Sachen; denn sie standen im Eigentum der Sparkasse. Diese hat die Geldscheine auch nicht durch Ausgabe am Automaten konkludent an den Täter übereignet.
Adressat des mit dem Ausgabevorgang verbundenen Einigungsangebots ist nach den vertraglichen Beziehungen zwischen Kontoinhaber und Geldinstitut und der Interessenlage der Kontoinhaber, nicht aber ein unberechtigter Benutzer des Geldautomaten. Dies gilt auch dann, wenn eine technisch ordnungsgemäße Bedienung des Automaten vorangegangen ist1.
Bei der Auslegung der konkludenten rechtsgeschäftlichen Erklärung der Sparkasse müssen die Interessen und Zwecke, die mit einer dinglichen Einigung verfolgt werden, berücksichtigt werden. Das Geldinstitut hat keinen Anlass, das in seinem Automaten befindliche Geld an einen unberechtigten Benutzer der Bankkarte und der Geheimzahl des Kontoinhabers zu übereignen2. Sein Übereignungsangebot richtet sich erkennbar nur an den Kontoinhaber, der hier das Angebot nicht angenommen hat. Das Eigentum an den Geldscheinen verblieb demnach bei der Sparkasse.
Der Täter hat die fremden Geldscheine aber nicht im Sinne des Raubtatbestands weggenommen.
Wegnahme ist der „Bruch“ fremden und die Begründung neuen Gewahrsams3. Ein Bruch des fremden Gewahrsams liegt aber nur vor, wenn der Gewahrsam gegen oder ohne den Willen des Inhabers aufgehoben wird. Dies war bei der Herausnahme der Geldscheine durch den Täter aus dem Geldausgabefach des Automaten nicht der Fall. Wird der Geldautomat technisch ordnungsgemäß bedient, erfolgt die tatsächliche Ausgabe des Geldes mit dem Willen des Geldinstituts. Dessen Gewahrsam wird nicht gebrochen4. Insoweit ist der tatsächliche Vorgang der Gewahrsamspreisgabe auch von dem rechtsgeschäftlichen Angebot an den Kontoinhaber auf Übereignung zu unterscheiden5.
Da der Bankkunde keinen Gewahrsam an den Geldscheinen begründet hatte, konnte auch dieser vom Täter nicht gebrochen werden6.
Der Täter hat jedoch eine räuberische Erpressung begangen (§ 253 Abs. 1 und 2, § 255 StGB).
Eine räuberische Erpressung begeht, wer rechtswidrig mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Auf eine Vermögensverfügung des Geschädigten kommt es als Nötigungserfolg nicht an7.
Der Täter hat durch Wegstoßen des Bankkunden vom Geldauto- maten Gewalt gegen diesen angewendet. Dadurch hat er diesen gezwungen, die Eingabe des Auszahlungsbetrages in den Geldautomaten und die Herausnahme der dem Zeugen zur Übereignung angebotenen Geldscheine zu dulden. Der Zeuge hat dabei einen Vermögensschaden erlitten; denn einerseits wurde sein Konto automatisch mit dem Ausgabebetrag belastet, andererseits hat er die ihm von der Sparkasse zur Übereignung angebotenen Geldscheine nicht erhalten. Der Täter hat mit der Absicht rechtswidriger Bereicherung, ferner rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und nach allem eine räuberische Erpressung begangen.
Der Tatbestand der Unterschlagung tritt hinter § 253 Abs. 1, § 255 StGB zurück, denn er ist gemäß § 246 Abs. 1 StGB nur anzuwenden, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. November 2017 – 2 StR 154/17 –
- vgl. Erman/Bayer, BGB, 15. Aufl., § 929 Rn. 37; MünchKomm-HGB/Haertlein, 3. Aufl., Teil E. Bankkartenverfahren, Rn. E 125; Jungwirth, MDR 1987, 537, 539 f.; BeckOK-BGB/Kindl, 43. Ed., § 929 Rn.19; Staudinger/Wiegand, BGB, 2017, § 929 Rn. 94[↩]
- vgl. BGH aaO, BGHSt 35, 158, 161 f.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 16.12 1987 – 3 StR 209/87, BGHSt 35, 152, 158[↩]
- vgl. BGH aaO, BGHSt 35, 152, 158 ff.; BGH, Urteil vom 22.11.1991 – BGHSt 38, 120, 122; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 242 Rn. 26; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl., § 242 Rn. 51; MünchKomm-StGB/Schmitz, 3. Aufl., § 242 Rn. 104; a.A. Jungwirth, MDR 1987, 537, 540[↩]
- vgl. BGH aaO, BGHSt 35, 152, 161[↩]
- vgl. KG, Beschluss vom 16.01.2015 – [4] 161 Ss 240/14 [280/14][↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17.03.1955 – 4 StR 8/55, BGHSt 7, 252, 255[↩]