Im Unterschied zum Angeklagten ist einem Nebenkläger nach ständiger Rechtsprechung das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, der nach Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung Wiedereinsetzung beantragt, nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

Für die Frage, ob der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt für Verschulden seines Kanzleipersonals haftet, kommt es darauf an, ob dieses sorgfältig ausgewählt und überwacht wird und ob eine zur Verhinderung von Fristüberschreitungen taugliche Büroorganisation vorhanden ist1.
Deshalb erfordert die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nur eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumnis gekommen ist2. Vorzutragen sind ferner diejenigen Tatsachen, die ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden des Bevollmächtigten ausschließen. Dies betrifft insbesondere die organisatorischen Vorkehrungen, durch die im Rahmen der Arbeitsabläufe in der Kanzlei sichergestellt werden soll, dass ein fristgebundener Schriftsatz nicht nur rechtzeitig fertiggestellt, sondern auch innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht3.
Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Nebenklägerin genügte im hier vom Bundesgerichshof entschiedenen Fall diesen Anforderungen nicht, da er ein eigenes Verschulden des Bevollmächtigten nicht auszuschließen vermag. Zwar darf ein Rechtsanwalt in einfach gelagerten Fällen die Feststellung des Fristbeginns und die Berechnung einer Frist gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büroangestellten überlassen4. Durch eine geeignete Büroorganisation muss jedoch sichergestellt sein, dass nur solche Kanzleibeschäftigte Rechtsmittelfristen in den Handakten vermerken bzw. im Fristenkalender notieren, die diesen Ausbildungsanforderungen gerecht und insoweit sorgfältig überwacht werden. Der Vortrag des Vertreters der Nebenklägerin verhält sich hierzu nicht. Weder wird eine generelle Büroorganisation vorgetragen – die Darlegungen beschränken sich insoweit auf die Abläufe im konkreten Einzelfall – noch dargelegt, ob die in Frage kommenden Kanzleimitarbeiterinnen gut ausgebildet waren und wie deren sorgfältige Überwachung erfolgt ist. Der Vortrag, dass nicht nachvollzogen werden kann, welche der Mitarbeiterinnen der Kanzlei das Empfangsbekenntnis scheinbar nicht richtig gelesen hat, lässt vielmehr auf ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten schließen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Juli 2018 – 2 StR 467/17
- BGH, Beschluss vom 28.04.2016 – 4 StR 474/15; BGH, Beschluss vom 17.03.2010 – 2 StR 27/10; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 44, Rn.19 f.; KK-Maul, StPO, 7. Aufl., § 44, Rn. 34 f., jeweils m.w.N.[↩]
- BGH, Beschluss vom 28.04.2016 – 4 StR 474/15; BGH, Beschluss vom 03.04.1987 – 2 StR 109/87, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 1[↩]
- BGH, Beschluss vom 28.04.2016 – 4 StR 474/15[↩]
- BGH, Beschluss vom 28.04.2016 – 4 StR 474/15 m.w.N.[↩]