Bankrott – und das verschwiegenen Vermögen

Einer Strafbarkeit wegen Bankrotts steht nicht entgegen, dass die zur „Vermögensrettung“ erfolgte Abtretung nicht vom späteren Insolvenzschuldner selbst sondern von seiner von ihm hierzu veranlassten Geschäftspartnerin erklärt wurde.

Bankrott – und das verschwiegenen Vermögen

Im vorliegenden Fall schaffte der Angeklagte durch die Übertragung der Grundschuld auf die Einziehungsbeteiligteals Teilakt umfangreicher anderer Maßnahmen einen Bestandteil seines Vermögens beiseite, der im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehört hätte.Zum Zeitpunkt der Abtretung der Grundschuld an die Einziehungsbeteiligtegehörten jedenfalls die bei dem Angeklagten verbliebenen Kommanditanteile sowie sein Anspruch auf Rückgewähr der der Zeugin M. übertragenen Anteile zu seiner potentiellen Insolvenzmasse. Der Begriff der Insolvenzmasse im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB entspricht dabei dem des Insolvenzrechts1.

Ein aufschiebend bedingter Rückgewähranspruch gegen die Zeugin M. ergibt sich bereits aus dem Abtretungsvertrag selbst, in dem sich der Angeklagte für den Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft uneingeschränkte Rückforderung vorbehielt. Den Eintritt dieser Bedingung hätte er jederzeit herbeiführen können.

Auch unabhängig davon konnte der Angeklagte oder jedenfalls nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter die Herausgabe der Kommanditanteile verlangen:

Zwar lagen der Abtretung der Kommanditanteile an die Zeugin M. und den weiteren Abtretungen als Kauf- oder Schenkungsverträge bezeichnete schuldrechtliche Verträge zugrunde. Rechtsgeschäfte, die – wie hier – darauf zielen, Haftungsmasse dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, sind jedoch nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig2. Soweit es dabei auf subjektive Voraussetzungen ankommt3, kann sich der Angeklagte nach dem Rechtsgedanken des § 166 Abs. 2 BGB auf etwaige Unkenntnis oder Gutgläubigkeit der nach seinen Weisungen tätigen Personen nicht berufen. Die Abtretungen waren mithin rechtsgrundlos. Die Kondiktionssperre nach § 817 Satz 2 BGB kann in diesen Fällen nach dem Schutzzweck des § 138 Abs. 1 BGB4 zumindest den Gläubigern nicht entgegengehalten werden.

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Zugleich verstanden sich die jeweiligen Käufer und Beschenkten oder die für sie handelnden Personen entweder ausdrücklich als Treuhänder der ihnen abgetretenen Anteile oder unterwarfen sich zumindest die Anteile betreffenden Weisungen des Angeklagten, so dass in der Sache Treuhandverhältnisse mit dem Angeklagten als Treugeber vorlagen, in dessen Interesse die anderen Beteiligten die Anteile hielten. Treuhandverhältnisse, bei denen der Insolvenzschuldner Treugeber ist, erlöschen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 115, 116 InsO); was der Treuhänder aufgrund des Treuhandverhältnisses erlangt hat, muss er an die Insolvenzmasse herausgeben5.

Durch die Abtretung der Grundschuld an die Einziehungsbeteiligteschaffte der Angeklagte seine vorgenannten Rechte beiseite.

Ein Beiseiteschaffen im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt vor, wenn ein Schuldner einen zu seinem Vermögen gehörenden Gegenstand dem alsbaldigen Gläubigerzugriff entzieht oder den Zugriff zumindest wesentlich erschwert. Dies kann entweder durch eine Änderung der rechtlichen Zuordnung des Vermögensgegenstands oder eine Zugriffserschwerung aufgrund tatsächlicher Umstände geschehen6.

Eine Vereitelung des Gläubigerzugriffs durch eine Änderung der rechtlichen Zuordnung ist etwa zu bejahen bei der Übereignung eines Gegenstandes, der Abtretung einer Forderung oder einer Verpfändung, wenn dies ohne adäquate Gegenleistung geschieht. Dasselbe gilt für die Überweisung eines Geldbetrags auf ein fremdes Konto mit der Folge, dass dieser nicht mehr zum Vermögen des Schuldners gehört. Die Rechtsprechung hat daher Fälle, in denen der Schuldner eine ihm zustehende Forderung von einer anderen Person über deren Konto, über das er nicht verfügungsberechtigt war, einziehen ließ7 oder Geld auf Konten von ihm beherrschter, aber rechtlich selbständiger Gesellschaften übertrug8, als ein Beiseiteschaffen eines Vermögensbestandteils aus rechtlichen Gründen angesehen9.

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Ein Beiseiteschaffen in tatsächlicher Hinsicht ist gegeben, wenn der Schuldner einen Vermögensgegenstand an einen anderen Ort verbringt oder verbringen lässt und dadurch – ohne eine Änderung der rechtlichen Zuordnung – den Zugriff der Gläubiger auf diesen objektiv unmöglich macht oder zumindest wesentlich erschwert, etwa indem er ihn verbirgt oder in eine Lage bringt, die ein Zugreifen der Gläubiger zumindest deutlich schwieriger macht, als dies zuvor der Fall war. Dies gilt selbst bei einer späteren Kenntniserlangung des Insolvenzverwalters von der Vermögensverlagerung. Daher kann ein Beiseiteschaffen aus tatsächlichen Gründen vorliegen, wenn der Schuldner in der wirtschaftlichen Krise Geld von einem Girokonto in bar abhebt und auf ein eigenes, nur ihm bekanntes Konto im In- oder Ausland einzahlt10.

Gemessen an diesen Maßstäben liegt ein Beiseiteschaffen im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor. Durch die Abtretung der Grundschuld an die Einziehungsbeteiligte wurde der Zugriff der Gläubiger auf die bei dem Angeklagten verbliebenen Kommanditanteile und die Rückgewähransprüche bezüglich der abgetretenen Kommanditanteile (weiter) erheblich erschwert.

Dabei ist mit Blick auf das Schutzgut des § 283 StGB auf die rechtlichen und tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten eines (gedachten) Insolvenzverwalters unter Berücksichtigung seiner Auskunftsrechte gegenüber dem Schuldner (§ 97 InsO) unmittelbar nach der Tathandlung abzustellen11. Eine wesentliche Erschwerung kann sich insbesondere aus erheblichen zeitlichen Verzögerungen oder der Notwendigkeit hoher finanzieller Aufwendungen für die Rechtsverfolgung im Ausland ergeben12. Der Bundesgerichtshof hat dies zwar hinsichtlich einer sich aus den Kontounterlagen nachvollziehbaren Überweisung auf ein ausländisches Konto des Insolvenzschuldners kritisch gesehen13, unter Zugrundelegung der Feststellungen des Landgerichts bestehen vorliegend an der (vom Angeklagten beabsichtigten) Erschwerung des Gläubigerzugriffs indes keine Zweifel: Sämtliche Handlungen des Angeklagten betreffend seine Beteiligung an der Mö. beginnend ab Ende 2007 waren dazu bestimmt und geeignet, den Zugriff der Gläubiger des Angeklagten auf dessen Kommanditanteile an der Mö. zumindest zeitlich erheblich zu verzögern. Durch die mehrmaligen Übertragungen der Rechte und die Vielzahl der Treuhandverhältnisse war es auch unter Berücksichtigung der Auskunftsrechte eines (gedachten) Insolvenzverwalters zumindest zeitlich sehr aufwändig, auf die Rechte des Angeklagten bezogen auf die Mö. Zugriff zu nehmen. Die Bestellung der Grundschuld und des abstrakten Schuldanerkenntnisses zugunsten der Ö. schmälerte das im Wesentlichen aus Grundbesitz bestehende Vermögen der Mö. und damit auch den Wert der auf diese Gesellschaft bezogenen Rechte des Angeklagten erheblich. Die Abtretung von Grundschuld und Forderung an die Einziehungsbeteiligteführte schließlich zu einer weiteren Erschwerung des Zugriffs. Denn auch für einen (gedachten) Insolvenzverwalter wäre die Inanspruchnahme einer Gesellschaft in B. , deren Kapital durch ein einziges Inhaberaktienzertifikat verkörpert wurde, das wiederum von einem Notar in der Sc. als Unterbevollmächtigtem eines belizischen Treuhänders aufbewahrt wurde, mit erheblichen rechtlichen Erschwernissen und zeitlichen Verzögerungen verbunden gewesen.

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Offenbleiben kann, ob das Tatbestandsmerkmal des Beiseiteschaffens in teleologischer Reduktion des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur solche Vermögensverschiebungen erfasst, die den Anforderungen eines ordnungsgemäßen Wirtschaftens grob widersprechen, und zusätzlich voraussetzt, dass das Vorgehen des Täters subjektiv auf eine Benachteiligung seiner Gläubiger ausgerichtet ist14, denn beides ist nach den Feststellungen des Landgerichts gegeben. Die Ausführungen des Landgerichts zur Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten zumindest bei Übertragung der Grundschuld sowie zum Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach § 283 Abs. 6 StGB begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

Schließlich steht einer Strafbarkeit des Angeklagten auch nicht entgegen, dass er die Abtretung nicht selbst erklärte, sondern die Zeugin M. dazu veranlasste. Zwar ist der Bankrott ein echtes Sonderdelikt, dessen Täter nur der (potentielle) Insolvenzschuldner sein kann15. Dieser kann die Tat aber sowohl nach den allgemeinen Grundsätzen der mittelbaren Täterschaft durch einen gutgläubigen Dritten als auch durch einen bösgläubigen Dritten als sog. qualifikationsloses doloses Werkzeug begehen16. Ob die Zeugin M. gut- oder bösgläubig war, kann daher im Ergebnis dahingestellt bleiben.

Das Verschweigen der Gesellschafterstellung hinsichtlich der Einziehungsbeteiligten- der Berechtigten an der verfahrensgegenständlichen Grundschuld – im Insolvenzverfahren bildet einen weiteren Teilakt des verfahrensgegenständlichen einheitlichen Delikts des Bankrotts. Das Landgericht hat die Einziehungsbeteiligtedabei zutreffend als Scheinauslandsgesellschaft angesehen und ist zurecht von einer aus dem Angeklagten und der Zeugin M. bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts17 ausgegangen.

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Soweit die Strafkammer hinsichtlich des beiseite geschafften und im Insolvenzverfahren verschwiegenen Vermögensbestandteils auf die der Ö. bestellte und an die Einziehungsbeteiligteübertragene Grundschuld selbst abgestellt hat, hat sie hingegen aus dem Blick verloren, dass unabhängig von der genauen Rechtslage an den Anteilen der Ö. die Grundschuld Teil des Gesellschaftsvermögens war und damit nicht zur Insolvenzmasse des Angeklagten gehörte; dies gilt sowohl mit Blick auf die Ö. als Kapitalgesellschaft18 als auch mit Blick auf die Einziehungsbeteiligteals Gesellschaft bürgerlichen Rechts19.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Juni 2023 – 1 StR 327/22

  1. MünchKomm-StGB/Petermann/Sackreuther, 4. Aufl., § 283 Rn. 7[]
  2. BGH, Urteil vom 10.06.2020 – 5 StR 435/19 Rn. 34[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2022 – VIII ZR 436/21 Rn. 31[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2005 – III ZR 72/05[]
  5. BGH, Beschluss vom 12.07.2012 – IX ZR 213/11 Rn. 12[]
  6. BGH, Urteil vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09, BGHSt 55, 107 Rn. 26 mwN[]
  7. BGH, Urteil vom 17.03.1987 – 1 StR 693/86 Rn. 9, BGHSt 34, 309, 310 f.[]
  8. OLG Frankfurt, NStZ 1997, 551[]
  9. BGH, Urteil vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09, BGHSt 55, 107 Rn. 27 mwN[]
  10. BGH, Urteil vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09, BGHSt 55, 107 Rn. 28 mwN[]
  11. BGH, Urteil vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09, BGHSt 55, 107 Rn. 30[]
  12. BGH, Urteil vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09, BGHSt 55, 107 Rn. 32[]
  13. vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09, BGHSt 55, 107 Rn. 32[]
  14. vgl. dazu BGH, Urteil vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09, BGHSt 55, 107 Rn. 29 mwN[]
  15. BGH, Beschluss vom 22.01.2013 – 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115 Rn. 9[]
  16. RG, Urteil vom 14.01.1896 – 4333/95, RGSt 28, 109, 110[]
  17. vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2008 – II ZR 158/06, BGHZ 178, 192 Rn. 23; BFH, Beschluss vom 08.01.2019 – II B 62/18 Rn. 27[]
  18. vgl. BFH, Urteil vom 15.12.2016 – V R 14/16, BFHE 256, 562 Rn.20, 22; allgemein zum Zwangsvollstreckungsrecht BGH, Urteil vom 16.10.2003 – IX ZR 55/02 Rn.20 f., BGHZ 156, 310, 314 f.[]
  19. OLG München, Beschluss vom 22.05.2017 – 34 Wx 87/17 Rn. 31[]
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