Beim Bundesgerichtshof bahnt sich ein Rechtsprechungswechsel an: Schafft der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Bestandteile des Gesellschaftsvermögens beiseite, so ist er wohl auch dann wegen Bankrotts strafbar, wenn er hierbei nicht im Interesse der Gesellschaft handelt. Einem entsprechenden Anfragebeschluss des 3. Strafsenats [1] hat sich jetzt der 1. Strafsenat angeschlossen.

Der 3. Strafsenat hatte bereits mit Beschluss vom 10.02.2009 im Verfahren 3 StR 372/08 gewichtige Argumente angeführt, die für ein Abweichen der Rechtsprechung von der „Interessentheorie“ sprechen könnten [2]. Namentlich im Hinblick auf die bei Anwendung der Interessentheorie entstehende Ungleichbehandlung von Einzelkaufleuten und GmbH-Geschäftsführern sowie auf den Umstand, dass die Anwendung der „Interessenformel“ zu einer dem Schutzzweck zuwiderlaufenden Zurückdrängung der Delikte des Insolvenzstrafrechts bei vermögensschädigenden und damit in der Regel masseschmälernden Verhaltensweisen zum Nachteil von Handelsgesellschaften führt [3], hatte auch der 1. Strafsenat schon damals Bedenken gegen die weitere Anwendung der „Interessenformel“ zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Bankrotttatbestands bei Handelsgesellschaften. Er neigte ebenfalls dazu, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen Bankrotts abzuweichen und die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelikten der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen. Mit Beschluss vom 01.09.2009 im Verfahren 1 StR 301/09 hat der 1. Strafsenat dies klar zum Ausdruck gebracht. Ein Anfrageverfahren kam damals mangels Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage nicht in Betracht.
Der 1. Strafsenat teilt die Rechtsauffassung des anfragenden 3. Strafsenats und gibt eigene entgegenstehende Rechtsprechung auf.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. November 2011 – 1 ARs 19/11