Zwar erfordert die Bestimmung des Schuldumfangs bei Straftaten nach § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) die hinreichend genaue Feststellung der gegenüber der Einzugsstelle geschuldeten Beträge, wozu grundsätzlich eine Aufstellung nach Anzahl der Arbeitnehmer, den jeweiligen Beschäftigungszeiträumen, dem Beitragssatz sowie der gezahlten Bruttolöhne jeweils zu den einzelnen Fälligkeitsterminen gehört1. Wenn jedoch keine hinreichend verlässlichen Anknüpfungstatsachen für die nähere Bestimmung der Bemessungsgrundlagen vorliegen, können an Wahrscheinlichkeitskriterien ausgerichtete Durchschnittswerte geschätzt werden2.

Hinsichtlich der Wahl der Schätzmethode muss das Tatgericht lediglich darlegen, warum es sich der gewählten Methode bedient hat und die Grundlagen der Schätzung nachvollziehbar darstellen3.
Dem wird das vorliegende Urteil gerecht:
Die Strafkammer hat, soweit aufgrund von sichergestellten Stundenaufzeichnungen eine ausreichende Tatsachengrundlage vorhanden war, eine konkrete personenbezogene Schadensberechnung vorgenommen. In den ganz überwiegenden Fällen der unbekannten Arbeitnehmer ist sie davon ausgegangen, dass die insoweit nur fragmentarischen Aufzeichnungen sowie sonstigen Erkenntnisse eine personenbezogene Schadensberechnung nicht zuließen. Sie hat ferner ausführlich begründet, dass auch eine bauvorhabenbezogene Schätzung anhand repräsentativer Stichproben – ungeachtet des damit verbundenen unverhältnismäßigen Aufwands – nicht möglich und methodisch verfehlt sei. Die sich hieraus möglicherweise ergebenden (Teil)Erkenntnisse stellten keine Grundlage für eine plausible Schadensschätzung bei dem auf Schwarzarbeit beruhenden Gesamtgeschäftskonzept der Einziehungsbeteiligten dar. Soweit die Strafkammer zur Begründung der Wahl ihrer Schätzmethode auch einen „beachtlichen Anteil von administrativen bzw. Fix-Personalkosten“ erwähnt hat, trifft dies zwar nicht zu. Denn nach den Feststellungen war der Angeklagte der zentrale Organisator der Schwarzlohnzahlungen und führte auch sonst die Geschäfte der Gesellschaft (mit Unterstützung von höchstens zwei Bürokräften) allein, sodass sich der Anfall von beachtlichen „administrativen“ oder fixen Personalkosten auf der Grundlage der Feststellungen nicht erschließt. Angesichts der mannigfachen anderen tragfähigen Gründe für die Wahl der Schätzmethode wird diese durch die vorgenannte Erwägung der Strafkammer nicht infrage gestellt; in die Berechnung der Schadenssumme hat sie ohnehin keinen Eingang gefunden.
Das weitere Vorgehen der Strafkammer, die für die Schätzung der Nettolöhne das Gesamtrechnungsvolumen der Abdeckrechnungen abzüglich eines Abschlags für Provisionen und verdeckte Gewinne herangezogen hat, hält sich innerhalb des ihr eingeräumten Spielraums. Sie hat die Grundlagen der Berechnung und diese selbst ausführlich und nachvollziehbar erörtert; das Ergebnis hat sie einer vergleichenden Kontrollrechnung nach der anerkannten Zwei-Drittel-Methode4 unterzogen, die für den Angeklagten zu einem wesentlich ungünstigeren Ergebnis geführt hätte.
Ein Rechtsfehler ergibt sich nicht daraus, dass die Strafkammer das Jahr 2011 als Referenzjahr herangezogen hat. Zwar hat sie bei der Erläuterung des Rechenweges unzutreffend angegeben, dass in diesem Jahr gegenüber dem Finanzamt der „höchste (offizielle) Gewinn erklärt“ worden sei, obwohl dies nach den im Urteil mitgeteilten Daten im Jahr 2012 der Fall war. Jedoch lässt dies die Schätzung des Beitragsschadens unberührt. Denn der Sache nach hat das Landgericht nicht auf die erklärten, sondern auf die tatsächlichen Gewinne abgestellt. Nach der Berechnung der Strafkammer auf der Basis statistischer Werte war aber 2011 das Jahr mit dem höchsten Gesamtgewinn, in dem auch offiziell ein Gewinn ausgewiesen wurde.
Die Schadensberechnung der Strafkammer wird schließlich nicht durch das Vorbringen infrage gestellt, wonach sich die geschädigten Sozialversicherungsträger Jahre nach Erlass des verfahrensgegenständlichen Urteils in einem sozialgerichtlichen Verfahren auf andere Zahlbeträge geeinigt haben sollen. Denn der in einem solchen Verfahren zwischen den Parteien ausgehandelte Vergleichsbetrag wäre nicht mit der Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens gleichzusetzen, der im Strafverfahren von Amts wegen zu ermitteln ist, zumal da der Vergleich das Ergebnis von am Opportunitätsprinzip ausgerichteten und prozessökonomischen Überlegungen der Parteien jenes Verfahrens gewesen sein mag, deren Zielrichtung nicht mit derjenigen des Strafverfahrens gleichläuft. Fehler in der Schadensberechnung lassen sich daraus nicht ableiten.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. September 2023 – 5 StR 164/22
- zur konkreten Schadensberechnung vgl. BGH, Urteil vom 13.06.2001 – 3 StR 126/01, NStZ 2001, 599 f.; Beschluss vom 08.03.2023 – 1 StR 188/22[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 10.11.2009 – 1 StR 283/09, NStZ 2010, 635 f.; vom 25.11.2021 – 5 StR 211/20[↩]
- BGH, Beschluss vom 25.11.2021 – 5 StR 211/20[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 10.11.2009 – 1 StR 283/09, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 4[↩]
Bildnachweis:
- Gesundheitskarte: Michael Schwarzenberger