Der Straftatbestand des § 10 Abs. 1 SchwarzArbG erfordert in objektiver Hinsicht, dass der Täter vorsätzlich „eine in § 404 Abs. 2 Nr. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichnete Handlung begeht“ – also einen Ausländer ohne erforderliche Arbeitsgenehmigung beschäftigt, und dass dies zu Arbeitsbedingungen geschieht, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen deutscher Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben.
Ein auffälliges Missverhältnis im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Arbeitsbedingungen des ausländischen Arbeitnehmers oder der ausländischen Arbeitnehmerin so beträchtlich schlechter sind als die Arbeitsbedingungen vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, dass für einen mit den Gepflogenheiten der jeweiligen Branche vertrauten Dritten ein augenfälliger Unterschied besteht. Erforderlich ist danach zunächst, dass die Arbeitsbedingungen des ausländischen Arbeitnehmers „nicht nur unerheblich negativ von denjenigen der Vergleichsgruppe abweichen1. Die bestehende Diskrepanz von Leistung und Gegenleistung hinsichtlich des ausländischen Arbeitnehmers im Vergleich zu dem deutschen Arbeitnehmer muss darüber hinaus auffällig, also offensichtlich sein2. Die Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses der Arbeitsbedingungen im Sinne des § 10 Abs. 1 SchwarzArbG erfordert in der Regel eine Gesamtschau aller Arbeitsbedingungen wie Lohn, Urlaub, soziale Absicherung, Schutz vor Arbeitsunfällen und Kündigung3.
Die Feststellung, dass der Arbeitgeber den ausländischen Arbeitnehmer nicht zur Sozialversicherung angemeldet hat, genügt für sich genommen nicht, um die Annahme eines auffälligen Missverhältnisses der Arbeitsbedingungen im Sinne der genannten Vorschrift tragfähig zu belegen4. Der Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 SchwarzArbG ist eindeutig und spricht dafür, dass die Feststellung des Tatbestandsmerkmals eine Gesamtschau der Arbeitsbedingungen des ausländischen Arbeitnehmers erfordert und diese in Beziehung zu den Arbeitsbedingungen einer Vergleichsgruppe deutscher Arbeitnehmer zu setzen ist5.
Für eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals dahin, dass schon die Nichtanmeldung zur Sozialversicherung genügen kann, um ein auffälliges Missverhältnis zu begründen6 kann angesichts des klaren Gesetzeswortlauts auch nicht der Schutzzweck der Norm angeführt werden. Sie dient mit ihrem doppelten Gewährleistungsgehalt neben dem Schutz des inländischen Arbeitsmarktes vor nachteiligen Auswirkungen durch eine unkontrollierte Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer auch dem Schutz des betroffenen Ausländers, der davor geschützt werden soll, sich zur Wahrung seiner sozialen Rechte nicht an die dafür zuständigen Institutionen und Behörden wenden zu können7.
Hinzu tritt, dass trotz Nichtanmeldung des ausländischen Arbeitnehmers zur Sozialversicherung, welche den Tatbestand des § 266a StGB erfüllt, die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung mit der Aufnahme des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses kraft Gesetzes entsteht (vgl. etwa § 5 SGB V i.V.m. § 186 Abs. 1 SGB V). Die infolge der Nichtanmeldung entstehenden Nachteile liegen daher in erster Linie in der Schwierigkeit des Nachweises, dass ein Beschäftigungsverhältnis besteht8; dieser zweifellos negative Umstand kann jedoch – insbesondere in Fällen kürzerer Beschäftigungszeiten über nur wenige Wochen oder Monate – durch andere Faktoren, etwa durch eine höhere Vergütung, ausgeglichen werden.
Die Annahme eines auffälligen Missverhältnisses im Sinne der genannten Vorschrift kann sonach regelmäßig nicht ausschließlich unter Verweis auf die – im Übrigen regelmäßig den Tatbestand des § 266a StGB erfüllende – Nichtanmeldung des ausländischen Arbeitnehmers begründet werden; erforderlich ist stets eine Gesamtwürdigung aller Umstände.
Hieran fehlte es im hier entschiedenen Fall: Feststellungen zu den konkreten Arbeitsbedingungen, insbesondere zur Höhe der Vergütung der zehn Beschäftigten, hat das Landgericht nicht getroffen. Den Urteilsgründen kann lediglich die Dauer der jeweiligen Beschäftigungen entnommen werden, die jeweils nur wenige Wochen betrugen. Damit ist der objektive Tatbestand des § 10 Abs. 1 SchwarzArbG nicht tragfähig belegt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. Oktober 2017 – 2 StR 50/17
- Mosbacher, in: Ignor/Mosbacher, Handbuch Arbeitsstrafrecht, 3. Aufl., § 4 Rn. 143[↩]
- vgl. Fuchs/Hinderer, in: Leitner/Rosenau, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2017, § 10 SchwarzArbG Rn. 10[↩]
- vgl. Henzler, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl., § 37 Rn. 116; Kraft/Adamski NZBau 2011, 321, 323, im Grundsatz auch Ambs in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 217. EL, § 10 SchwarzArbG Rn. 8[↩]
- vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, 184; Fuchs/Hinderer, aaO, Rn. 10; Horrer in: Bross, Handbuch Arbeitsstrafrecht, § 10 SchwarzArbG Rn. 50; vgl. auch Mosbacher, in: Ignor/Mosbacher, Handbuch Arbeitsstrafrecht, 3. Aufl. § 4, Rn. 143; ders. in: Achenbach/Ransiek, Handbuch des Wirtschaftsstrafrechts, 2012, S. 1518, 1519; MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 10 SchwarzArbG Rn. 22; ders. in: Graf/Jäger/Wittig, SchwarzArbG, 2. Aufl., § 15a AÜG Rn. 24[↩]
- ebenso Mosbacher, in: Ignor/Mosbacher, aaO Rn. 144; Horrer in: Bross, Handbuch Arbeitsstrafrecht 2017, § 10 SchwarzArbG Rn. 50[↩]
- in diesem Sinne Henzler, in: Müller-Gugenberger Wirtschaftsstrafrecht, 6. Aufl.2015, § 37 Rn. 117; Ambs in: Erbs/Kohlhaas, 217. EL, § 10 SchwarzArbG Rn. 8; Fehn, in: Fehn, Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, §§ 10, 11 Rn. 4; Gercke, in: Gercke/Kraft/Richter Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl., S. 132 Rn. 307; Brenner, Die strafrechtliche Bekämpfung der Schwarzarbeit unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte, 2008, S.207; Brüssow/Petri Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl., IX. Schwarzarbeitsgesetz, Rn. 249[↩]
- vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, 184, 185[↩]
- vgl. Henzler, aaO; Ambs in: Erbs/Kohlhaas § 10 SchwarzArbG Rn. 8[↩]