Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr – und die Unrechtsvereinbarung

§ 299 Abs. 1 StGB aF erfasst das Fordern, Sichversprechenlassen und Annehmen eines Vorteils. Wird die Unrechtsvereinbarung vollständig umgesetzt, das heißt der zuvor geforderte oder sich versprochen gelassene Vorteil tatsächlich mit der Folge angenommen, dass der Täter alle tatbestandsmäßigen Begehungshandlungen verwirklicht, stellen das Fordern beziehungsweise Sichversprechenlassen und die Annahme grundsätzlich rechtlich selbständige und zueinander in Tatmehrheit stehende materiellrechtliche Taten dar; dies gilt auch dann, wenn die Unrechtsvereinbarung auf Dauer angelegt ist.

Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr – und die Unrechtsvereinbarung

Würde hingegen alles, was auf ein und dieselbe Unrechtsvereinbarung zurückgeht, stets nur eine Tat bilden, könnte dies – ähnlich wie bei der zwischenzeitlich aufgegebenen fortgesetzten Handlung1 – zu Taten führen, bei denen zu Beginn nicht zu überblicken ist, welchen sachlichen und zeitlichen Umfang sie schließlich haben werden. Dies wiederum würde den Begriff der Tat sprengen; im Tatbestand der Bestechlichkeit ist eine solche Zusammenfassung mit ungewisser Tragweite nicht angelegt2.

Die einzelnen Begehungsweisen werden bei lediglich einer Unrechtsvereinbarung nur dann zu einer tatbestandlichen (nicht natürlichen) Handlungseinheit und damit zu einer Tat verbunden, wenn der zu gewährende Vorteil bereits in der Unrechtsvereinbarung exakt bestimmt war, mag er auch in bestimmten Teilleistungen zu erbringen sein, und nicht von Umständen abhängig gemacht wird, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu überblicken sind. In Fällen, in denen die Laufzeit der Vorteilsgewährung offen ist, die Vorteilsgewährung also „openend“-Charakter trägt, erfüllt hingegen jede einzelne Zahlung erneut den Tatbestand, weil die einzelnen Handlungen der Annahme dann zu großes, selbständiges Gewicht besitzen, als dass dies zusammen mit der Unrechtsabrede nur eine Tat bilden kann; daneben bleibt die Abrede als selbständige Tat bestehen, denn auch sie hat eigenständiges Gewicht. Die Annahme einer fortgesetzten Handlung kommt nach der Aufgabe dieser Rechtsprechung durch die Entscheidung des Großen Bundesgerichtshofs für Strafsachen vom 03.05.19941 auch für die Bestechungsdelikte nicht mehr in Betracht3. Erhält der Bestochene hingegen die Zahlungen aus mehreren eigenständigen Unrechtsvereinbarungen durch jeweils eine einheitliche Geldzahlung, so führt dies zur Annahme von Tateinheit zwischen den dadurch abgegoltenen, einzelnen Taten der Bestechlichkeit4.

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Beteiligung mehrerer Personen an einer Deliktserie - und die Frage der Tateinheit

Nach diesen Maßstäben galt im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall Folgendes:

Der Angeklagte ist der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr schuldig, weil er in der Unrechtsabrede von Mai 2007 als Gegenleistung für den Exklusivvertrag eine Beteiligung an den Anteilen der S. GmbH forderte bezie- hungsweise sich versprechen ließ und diese spätestens mit dem Abschluss des zweiten Treuhandvertrages am 28.08.2007 mit der Folge annahm, dass sie insoweit wirtschaftlich betrachtet allein ihm zustand5. Bereits diese Beteiligung stellt einen tatbestandsmäßigen Vorteil dar.

Ein solcher bezeichnet jede unentgeltliche Leistung, welche die wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage des Empfängers objektiv verbessert und auf die er keinen Anspruch hat. Erfasst sind neben immateriellen Vorteilen insbesondere materielle, denen ein Vermögenswert zukommt oder die den Empfänger der Zuwendung in sonstiger Weise wirtschaftlich besserstellt, wie etwa Geldzuwendungen, Darlehensgewährungen, Stundungen, Rabatte und die Einräumung von Vermögens- und Gewinnbeteiligungen; ein Vorteil kann dabei bereits in dem Abschluss eines Vertrages liegen. Der Umfang des Vorteils muss im Einzelnen nicht feststehen. Es reicht aus, wenn er zu einer wie auch immer gearteten messbaren Besserstellung führt. Auf deren Höhe kommt es nicht an; bei geringwertigen Vorteilen kann der Tatbestand allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Sozialadäquanz ausgeschlossen sein6.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwar hat die Strafkammer keine konkreten Feststellungen zu dem Unternehmenswert der S. GmbH im Jahr 2007 getroffen und damit auch die Höhe des Vorteils nicht konkret beziffert. Die Feststellungen belegen dennoch hinreichend, dass es sich bei der eingeräumten Beteiligung um einen im Sinne des § 299 StGB aF relevanten materiellen Vorteil handelt, denn diese verbesserte die wirtschaftliche und rechtliche Position des Angeklagten. Die Gesellschaft erwirtschaftete auch vor dem Abschluss der Exklusivvereinbarung und der Übertragung der Beteiligung trotz ihrer finanziellen Krise in den Jahren 2005 (ca. 220.000 €), 2006 (ca. 507.000 €) und 2007 (ca. 535.000 €) einen nicht unerheblichen Überschuss. Zudem erhielt der Angeklagte durch die Beteiligung eine zusätzliche Rechtsposition, über die er verfügen und Einfluss auf die Geschicke der S. GmbH nehmen konnte, insbesondere durch seine Stimmrechte, die der Treuhänder nur nach vorheriger Weisung ausüben durfte. Die Werthaltigkeit der eingeräumten Beteiligung war gerade in dem Abschluss des branchenunüblichen Exklusivvertrages in Vollzug der Unrechtsvereinbarung begründet. Es ist deshalb auszuschließen, dass es sich bei ihr um keinen Vorteil im Sinne des § 299 StGB aF handelt; dessen Höhe ist für die in diesem Zusammenhang allein entscheidende Frage, ob eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung des Angeklagten vorliegt – anders als für die Strafzumessung – ohne Bedeutung7.

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Deliktserie - und das Konkurrenzverhältnis der Tatbeiträge

Konkurrenzrechtlich werden die zunächst zwei selbständige Taten (Fordern beziehungsweise Sichversprechenlassen und Annehmen) zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verknüpft, weil dieser Vorteil in der Vereinbarung bereits exakt bestimmt war („25prozentige Beteiligung an den Unternehmensanteilen“) und nicht von zukünftigen Entwicklungen abhängig gemacht wurde.

Die folgenden Gewinnausschüttungen an die A. GmbH, die dem An- geklagten E. zugutekamen, stellen hingegen schon deshalb keine weiteren eigenständigen materiellrechtlichen Taten dar, weil es sich bei diesen Zuwendungen nicht um selbständige tatbestandsmäßige Vorteile handelt. 

Zwar haben auch diese die wirtschaftliche Position des Angeklagten (weiter) verbessert. Die Ausschüttungen sind aber lediglich Folge und Ausfluss der eingeräumten Beteiligung an der Gesellschaft. Rechtlich sind sie als Gewinnanteile deren Früchte und stehen dem insoweit fruchtziehungsberechtigten Angeklagten als regelmäßig wiederkehrender Ertrag zu (vgl. §§ 99, 101 Nr. 2 BGB, s. dazu MünchKomm-BGB/Stresemann, 9. Aufl., § 101 Rn. 11); die Frage nach der zivilrechtlichen Unwirksamkeit (§§ 134, 138 BGB) der insoweit getroffenen Abreden spielt in diesem Zusammenhang für den strafrechtlichen Vorteilsbegriff keine Rolle. Als reine Früchte des eingeräumten Vorteils „Beteiligung“ – nicht etwa deren Verwertung8 – stellen die Ausschüttungen in der vorliegenden Konstellation keine tatbestandsmäßigen eigenständigen Vorteile dar. Dies steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang, nach der bei der Gewährung unbefristeter Darlehen der Vorteil bereits mit der Hingabe des Darlehens verschafft ist und die Darlehensbelassung bis zur Rückzahlung oder Rückforderung keinen zusätzlichen Vorteil bildet9.

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Zahlungsfähig - durch treuwidrige Vermögensverschiebungen

Hiernach kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, dass unter Zugrundelegung der Ansicht des Landgerichts, es handele sich bei den Ausschüttungen ebenfalls um eigenständige Vorteile, die Annahme tatbestandlicher Handlungseinheit mit Blick auf den „openend“-Charakter der Unrechtsvereinbarung den von dem Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten rechtlichen Bedenken begegnen würde.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. März 2022 – 3 StR 375/20

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 03.05.1994 – GSSt 2/93 u.a., BGHSt 40, 138[][]
  2. st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 25.10.2017 – 2 StR 252/16 17 ff.; vom 11.02.2014 – 1 StR 355/13 40; vom 31.03.2011 – 4 StR 657/10, wistra 2011, 308 Rn. 4; Urteile vom 14.11.2003 – 2 StR 164/03, BGHR StGB § 78b Abs. 4 Strafdrohung 2; vom 03.12.1997 – 2 StR 267/97, BGHR StGB § 332 Dienstpflichten 1; vom 13.10.1994 – 1 StR 614/93, BGHR StGB § 1 Bestechlichkeit 1; vom 04.10.1994 – 5 StR 503/94 12; MünchKomm-StGB/Krick, 3. Aufl., § 299 Rn. 132[]
  3. st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 25.10.2017 – 2 StR 252/1619; Urteil vom 17.03.2015 – 2 StR 281/14, NStZ 2015, 451, 453; Beschlüsse vom 11.02.2014 – 1 StR 355/13 40; vom 31.03.2011 – 4 StR 657/10, wistra 2011, 308 Rn. 4; Urteile vom 24.06.2010 – 3 StR 84/10, BGHR StGB § 332 Abs. 1 Konkurrenzen 8 Rn. 6; vom 11.02.2009 – 2 StR 339/08, NStZ 2009, 445, 446; vom 14.11.2003 – 2 StR 164/03, BGHR StGB § 78b Abs. 4 Strafdrohung 2; vom 20.08.2003 – 2 StR 160/03, wistra 2004, 29; vom 11.05.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 30; vom 13.11.1997 – 1 StR 323/97, NStZ-RR 1998, 269; Beschluss vom 05.06.1996 – 3 StR 534/95 II, BGHR StGB § 1 Bestechung 1; Urteile vom 18.10.1995 – 3 StR 324/94, BGHSt 41, 292, 302 f.; vom 13.10.1994 – 1 StR 614/93, BGHR StGB § 1 Bestechlichkeit 1; AnwK-StGB/Wollschläger, 3. Aufl., § 299 Rn. 35; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 59; Matt/Renzikowski/Sinner, StGB, 2. Aufl., § 299 Rn. 33; MünchKomm-StGB/Krick, 3. Aufl., § 299 Rn. 132; SK-StGB/Rogall, 9. Aufl., § 299 Rn. 111; SSW-StGB/Rosenau, 5. Aufl., § 299 Rn. 47[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2001 – 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 29[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 09.10.1990 – 1 StR 538/89, NJW 1991, 367, 370; s. zur Wirkung der Treuhand und Abgrenzung zur Unterbeteiligung Henssler/Strohn/Verse, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 15 GmbHG Rn. 116 ff., 126[]
  6. vgl. RG, Urteil vom 20.05.1892 – 1174/92, RGSt 23, 141, 142; BGH, Beschluss vom 29.04.2015 – 1 StR 235/14, NStZ-RR 2015, 278, 279; Urteil vom 21.06.2007 – 4 StR 99/07, BGHR StGB § 331 Unrechtsvereinbarung 3 Rn. 11; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 299 Rn. 8 ff., 17; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 25; MünchKomm-StGB/Krick, 3. Aufl., § 299 Rn. 56; NK-StGB/Dannecker, 5. Aufl., § 299 Rn. 55; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 299 Rn. 18 f.; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, 3. Aufl., § 31 MBOÄ Rn. 6[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 23.05.2002 – 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, 306; MünchKomm-StGB/Krick, 3. Aufl., § 299 Rn. 56; Schönke/Schröder/Heine/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 331 Rn. 18[]
  8. s. dazu BGH, Urteil vom 09.10.1990 – 1 StR 538/89, NJW 1991, 367, 370[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 23.08.1961 – 2 StR 267/61, BGHSt 16, 207, 209 f.[]
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Die überwundene Insolvenzreife - und die Verjährung der Insolvenzverschleppung

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