Bei Tatverdacht der Insolvenzverschleppung und eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ist eine Arrestanordnung in bezogene Geschäftsführergehälter des angeschuldigten Geschäftsführers gemäß §§ 111b Abs. 2 und Abs. 5, 111d Abs. 1 und 2 StPO i.V.m. §§ 73 Abs. 1 Satz 2, 73a StGB möglich. Aus der Tat „erlangtes etwas“ ist das Bruttogehalt.

Bei der Prüfung des Überschuldungstatbestands gemäß § 19 Abs. 2 InsO ist es methodisch nicht verfehlt auf das Ergebnis zur Bewertung der drohenden Zahlungsunfähigkeit abzustellen. Zwar ist die Fortbestehensprognose regelmäßig auf Grundlage von Finanzplänen zu erstellen. Sofern jedoch – wie vorliegend – zum Zeitpunkt der fraglichen Überschuldung bereits die Zahlungsunfähigkeit drohte, kann infolgedessen eine negative Fortbestehensprognose auch ohne die zusätzliche Auswertung von Finanzplänen festgestellt werden, da die Fortbestehensprognose einer Zahlungsfähigkeitsprognose entspricht1.
Aus der drohenden Zahlungsunfähigkeit der GmbH folgt somit die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die GmbH zum Zeitpunkt der Auszahlung der Geschäftsführergehälter mittelfristig nicht über die erforderliche Liquidität verfügte, um einen Einnahmenüberschuss zu erzielen, aus dem die zu dieser Zeit gegenwärtigen und späteren Verbindlichkeiten hätten gedeckt werden können. Ausreichende Anhaltspunkte die dieser Annahme widersprächen liegen nach derzeitiger Aktenlage jedenfalls nicht vor.
Auch die Einschätzung des Insolvenzverwalters, das Unternehmen sei „fortführungsfähig“, führt – selbst eine zutreffende Einschätzung unterstellt – nicht denklogisch auch zu einer positiven Fortbestehensprognose, da diesen Prognosen vielmehr unterschiedliche Zeitpunkte und unabhängig voneinander zu beurteilende Ausgangssituationen zu Grunde liegen.
Dem dinglichen Arrest zur Sicherung der Verletztenansprüche gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz 1 und 2, 73a StGB i.V.m. § 111b Abs. 2 und Abs. 5 StPO unterliegt jeweils der Bruttobetrag der Gewinnausschüttung.
Die auf den beschlossenen Gewinnausschüttungsbetrag entfallende Kapitalertragsteuer wurde zwar von der GmbH direkt abgeführt und die Steuerschuld der Angeschuldigten damit bereits vor der Auszahlung (vorläufig) erfüllt.
Zur Vermeidung einer Doppelbelastung auf Seiten der Angeschuldigten wären deren Steueraufwendungen – insbesondere sofern die Steuer bereits bezahlt, bzw. bestandskräftig festgesetzt wurde – für den Verfall daher nach Maßgabe des § 73c Abs. 1 StGB möglicherweise zu berücksichtigen. Auch die Einführung des Bruttoprinzips hat nichts daran geändert, dass die Verfallanordnung nach wie vor keinen Strafcharakter haben soll, weshalb die Anordnung des Verfalls hinsichtlich eines Betrags, der bereits zur Erfüllung eines Steueranspruchs aufgewendet wurde, jedenfalls dann unbillig wäre, wenn die aus dem Verfall folgende Belastung im Steuerfestsetzungsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden könnte. Die Doppelbelastung muss daher durch geeignete Berücksichtigung entweder schon bei der Verfallanordnung oder später im Steuerfestsetzungsverfahren (noch) vermieden werden (können) – vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14.09.2004, Az. 1 StR 202/0420 sowie BGH, Urteil vom 21.03.2002, Az. 5 StR 138/01 36 f.
Unabhängig vom Stand des Steuerverfahrens kann hier allerdings eine abschließende Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 73c StGB dahinstehen.
Ziel der Arrestanordnung ist wie vorliegend für den Fall der Rückgewinnungshilfe die Sicherung des Zugriffs von Verletzten auf die erlangten und noch vorhandenen Tatvorteile. Eine Anordnung von (Wertersatz-)Verfall kommt nach derzeitiger Aktenlage gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aber nicht in Betracht. Bei möglicher Verurteilung wäre (nur) die Aufrechterhaltung des dinglichen Arrests innerhalb einer Dreijahresfrist ab Rechtskraft nach § 111i Abs. 3 Satz 1 StPO zu beschließen.
Im Übrigen folgt aus der (vorläufigen) Sicherung von Vermögenswerten durch den Vollzug des dinglichen Arrests (vorliegend jetzt mittels der Hinterlegung) keine unbillige Härte. Die Anwendung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB kann erst im Zeitpunkt der Verfallanordnung abschließend entschieden werden. Unzumutbare Folgen für den Betroffenen des dinglichen Arrests sind nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.
Der nach § 111d Abs. 2 StPO i.V.m. § 917 Abs. 1 ZPO erforderliche Arrestgrund folgt bei umfassender Würdigung des gesamten Tatvorwurfs und des Verhaltens der Angeschuldigten auch daraus, dass die Verschleierung der Vermögensverhältnisse und die eigennützige Vermögensverschiebung zu Lasten Dritter gerade Gegenstand des zur Last gelegten Tatverdachts ist und sich die Angeschuldigten F. und M. erheblichen hieraus folgenden zivilrechtlichen Forderungen gegenübergestellt sehen dürften. Die generell bestehende Vermutung, der Täter werde versuchen, sich die erlangten Vermögensvorteile seiner Tat zu sichern, wird somit aber wesentlich gestärkt2.
Eine Vereitelungsabsicht oder ein überhaupt rechtswidriges Verhalten der Angeschuldigten ist für § 917 Abs. 1 ZPO auch gar nicht erforderlich. Die Angeschuldigten verbrauchen zudem laufend weiter die aus den Straftaten erlangten Vermögenswerte3.
Da davon auszugehen ist, dass die jeweils zugeflossenen Vermögenswerte nicht mehr abtrennbar im Vermögen der Angeschuldigten vorhanden sind, kann der dingliche Arrest im Hinblick auf § 73a Satz 1 StGB nur in entsprechender Höhe des erlangten Vermögensvorteils angeordnet bzw. aufrechterhalten werden.
Die Anordnung des Wertersatzverfalls sowie dessen Aufrechterhaltung verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Das Sicherstellungsinteresse (Sicherung der Ansprüche der Verletzten) überwiegt hier die Eigentumspositionen der Angeschuldigten. Es besteht dringender Tatverdacht hinsichtlich der vorstehend genannten Anknüpfungstaten. Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Arrest die Angeschuldigten nzumutbar belastet. Es ist nicht (nahezu) deren gesamtes Vermögen betroffen. Insbesondere wurde die Arrestvollziehung durch die jeweils erfolgte Hinterlegung der Arrestsumme (Abwendungsbefugnis) bereits wieder aufgehoben.
Dagegen ergeben sich für die Geschädigten, deren Vertragspartner die GmbH war, besondere Sicherungsbedürfnisse insbesondere daraus, dass Gegenstand des Tatvorwurfs die Verschiebung von Firmenvermögen von der GmbH an die Angeschuldigten ist. Dieser Umstand erschwert den Zugriff der Geschädigten nicht unerheblich. Außerdem deckt der dingliche Arrest nur einen geringen Teil des nach vorläufiger Würdigung tatsächlich entstandenen Schadens ab. Berücksichtigt werden muss auch die Komplexität des Tatvorwurfs mit einer Vielzahl von Einzeltaten.
Nach alledem kann den Verletzten jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt keine Untätigkeit bei der Verfolgung ihrer Ansprüche in einer Weise vorgeworfen werden, die deren überwiegendes Sicherstellungsinteresse ausschlösse.
Da dringende Gründe bestehen, dass die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz vorliegen, der Verfall von Wertersatz aber nur deshalb nicht angeordnet werden kann, weil auch die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB vorliegen, waren die Arrestanordnungen nicht nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist (§ 111b Abs. 3 Satz 1 StPO) aufzuheben. Die Arrestanordnungen wurden insbesondere nicht mit dem Fristablauf unwirksam, da das Gesetz – anders als in § 111n Abs. 1 Satz 3 StPO – die Aufhebung durch das Gericht verlangt4. Da die Entscheidung auf Grundlage der vollständigen Akten zu ergehen hat, wäre auch die Zurückstellung der Entscheidung zur Heranziehung von nicht vorgelegten Aktenteilen in Betracht gekommen5.
Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 26. Januar 2015 – 6 KLs 34 Js 2588/10
- Bieneck in Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Auflage, § 76 Rn. 29, Harz in ZInso 5/2001, S.199; Uhlenbruck, InsO, 13. Auflage, § 19 Rn. 45; Drukarczyk/Schüler in MünchKomm, InsO, 3. Auflage, § 19 Rn. 59[↩]
- vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 111d Rn.20[↩]
- vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.01.2008, Az. 2 Ws 328/07[↩]
- vgl. Johann in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2014, § 111b Rn. 46[↩]
- vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27.11.2008, Az. 2 Ws 197/08 28[↩]