Kein Verfall wegen Ansprüchen Verletzter – und die unbillige Härte

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu beachten1.

Kein Verfall wegen Ansprüchen Verletzter – und die unbillige Härte

Wird in Anwendung des § 73c Abs. 1 StGB ganz oder teilweise von der Anordnung des Verfalls abgesehen, hat dies zur Folge, dass der in der Entscheidungsformel allein zu bezeichnende Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt, hinter dem Erlangten bzw. dessen Wert zurückbleibt2.

Die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 StGB sind zu erörtern, wenn naheliegende Anhaltspunkte für deren Vorliegen gegeben sind3. So verhält es sich hier:

Das Landgericht hat die im Tatzeitraum zugeflossenen Provisionszahlungen ersichtlich in voller Höhe in die Wertberechnung nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO eingestellt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der Angeklagte die erhaltenen Zahlungen für seinen Lebensunterhalt, Alkohol und Glücksspiel aufgewendet hat, weiterhin unterstützte er Freunde und Verwandte. Danach ist davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung im Vermögen des Angeklagten weder das Erlangte noch ein Gegenwert vollständig vorhanden waren (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB). Daran anknüpfend hätte sich das Landgericht mit den weiteren Voraussetzungen für eine Anwendung der Härtevorschrift auseinandersetzen und die gebotene Ermessensentscheidung treffen müssen4.

Weiterlesen:
Der strafprozessuale Arrest - Eigentumsgrundrecht vs. Sicherstellungsinteresse des Staates

Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. September 2015 – 1 StR 187/15

  1. vgl. BGH, Beschlüsse vom 30.06.2015 – 4 StR 173/15; vom 18.03.2015 – 3 StR 644/14, wistra 2015, 270; vom 12.03.2015 – 2 StR 322/14, NStZ-RR 2015, 171 f.; und vom 06.11.2014 – 4 StR 290/14, NStZ-RR 2015, 44[]
  2. BGH, Beschluss vom 17.07.2013 – 4 StR 208/13, wistra 2013, 386; BGH, Urteil vom 28.10.2010 – 4 StR 215/10, NJW 2011, 624 f.[]
  3. BGH, Beschlüsse vom 12.03.2015 – 2 StR 322/14, NStZ-RR 2015, 171 f.; vom 17.07.2013 – 4 StR 208/13, wistra 2013, 386; und vom 11.04.2013 – 4 StR 39/13, StV 2013, 610[]
  4. vgl. zu den rechtlichen Anforderungen im Einzelnen BGH, Urteile vom 26.03.2015 – 4 StR 463/14, NStZ-RR 2015, 176, 178; und vom 02.10.2008 – 4 StR 153/08, NStZ-RR 2009, 234 f.[]