Erkennen die Mitarbeiter eines Reiseunternehmens vor Beginn einer Reise, dass wesentliche Vertragsbestandteile nicht erfüllt werden und daher zu einer Minderung des Werts der Reiseleistung führen können und weisen den Reisenden darauf nicht hin, so dass dieser nicht von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch macht, begründet dies einen Anfangsverdacht wegen Betruges, der die Staatsanwaltschaft zur Aufnahme von Ermittlungen verpflichtet.

Dies gilt indessen nicht für den Vortrag des Reisekunden, er sei durch Vortäuschung falscher Tatsachen im Hinblick auf die Durchführung der gebuchten Nilkreuzfahrt zu dem Abschluss des Vertrages veranlasst worden. Denn Anhaltspunkte dafür, dass der Kunde einen Vermögensschaden erlitten haben könnte, sind nicht in genügender Weise dargelegt worden. Dass der Kunde den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn er gewusst hätte, dass das im Katalog beworbene Schiff nicht zur Verfügung stehe, reicht für die Annahme eines Vermögensschadens nicht aus. Dieser liegt nämlich nur dann vor, wenn die vom Kunden vorgenommene Vermögensverfügung zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts geführt hat1. Innerhalb von Austauschverhältnissen aufgrund gegenseitiger Verträge kommt es daher darauf an, ob sich zum Zeitpunkt der Verfügung nach Maßgabe der vertraglichen Einigung gleichwertige Leistungen gegenüberstehen, ob also die Gegenleistung oder der Anspruch auf die Gegenleistung einen Wert haben, die dem vom Verfügenden vorausgesetzten wirtschaftlichen Wert entspricht2. Wer durch Täuschung zum Abschluss eines Vertrages veranlasst wird, erleidet nicht schon dann einen Schaden, wenn er ohne die Täuschung die Verbindlichkeit nicht begründet hätte, sondern nur dann, wenn die ihm gewährte oder zu gewährende Gegenleistung nicht den objektiv vorausgesetzten Wert hat3, da § 263 StGB nicht die Dispositionsfreiheit, sondern allein das Vermögen des Getäuschten schützt. Nach dem Vortrag des Kunden hat die gebuchte Nilkreuzfahrt stattgefunden. Hierbei soll es sich nach Angaben der T. GmbH sogar um ein höherwertiges Schiff gehandelt haben. Auch vom Kunden wird insoweit vorgetragen, dass es sich um ein im Vergleich zur „MS R.“ „doppelt so großes Schiff“ gehandelt hat. Soweit der Kunde in seinem Antrag meint, dass die Fahrt auf einem größeren Schiff nicht automatisch bedeute, dass die erbrachte Leistung höherwertig als vereinbart sei, begründet dies keine tatsächlichen Umstände, die darauf hindeuten, dass es sich bei der Durchführung der Nilkreuzfahrt auf einem größeren Schiff um eine minderwertige Reiseleistung handelt. Insoweit hätte der Kunde darlegen müssen, welche Vor- und Nachteile die Nilkreuzfahrt auf dem größeren Schiff im Vergleich zu der geplanten Nilkreuzfahrt auf der „MS R.“ mit sich gebracht hätte. Hierzu wäre eine nähere Beschreibung beider Schiffe insbesondere zu den dortigen Unterbringungs, Freizeitgestaltungs- und Verpflegungsmöglichkeiten, die den Wert der Reiseleistung maßgeblich beeinflussen, erforderlich gewesen. Ohne diese konnte das Oberlandesgericht Celle nicht prüfen, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anfangsverdachtes infolge einer vorgenommenen Täuschung bestehen.
Anders verhält sich dies jedoch im Hinblick auf die dem Kunden nicht eröffneten Abweichungen der Flugverbindungen.
Dass ein Flug von Ägypten nach Frankfurt mit anschließender Weiterreise im Pkw zum ursprünglichen Zielort Hannover wirtschaftlich geringwertiger ist als ein Flug bis zum vereinbarten Zielflughafen, liegt zunächst auf der Hand. Nach dem Vortrag des Kunden ist ihm die Abweichung vom vereinbarten Rückflug nur durch den Umstand eröffnet worden, dass ihm die vorgesehene Fluggesellschaft bei der Anmeldung seines Tauchgepäcks mitgeteilt hat, dass der vorgesehene Flug storniert worden sei und erst auf seine daraufhin durch das Reisebüro veranlasste Nachfrage kurz vor Beginn der Reise von Seiten der T. GmbH mitgeteilt worden ist, dass der Rückflug über eine andere Fluggesellschaft nur bis F. erfolgen werde. Dass der Kunde gleichwohl nicht von der Durchführung der Reise abgesehen hat, war dem Umstand geschuldet, dass von Seiten der T. GmbH die Zurverfügungstellung eines Shuttle-Pkws nach Hannover letztlich akzeptiert worden ist. Indem aber dem Kunden von Seiten der Beschäftigten der T. GmbH die Veränderung der Flugmodalitäten erst auf Intervention des Kunden mitgeteilt worden ist, spricht auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Änderungen hinsichtlich der Flugmodalitäten des Inlandsfluges bis zum Beginn der Reise trotz bestehender Möglichkeit hierzu nicht mitgeteilt worden sind, der Anfangsverdacht, dass der Kunde durch die fehlende Aufklärung dazu veranlasst werden sollte, nicht von der Reise Abstand zu nehmen. Dies könnte eine Täuschung durch Unterlassen darstellen, die zwar mangels eingetretenen Schadens nicht zu einem vollendeten, wohl aber einem versuchten Betrug nach §§ 263, 22, 23 StGB geführt haben könnte. Insoweit bestand auch von Seiten der T. GmbH eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Kunden. Es handelt sich nämlich um einen gravierenden Mangel der Reiseleistung, dessen Kenntnis durch den Reisenden aufgrund eines ihm dadurch möglicherweise zustehenden Rücktrittsrechts den ganzen Vertragsschluss in Frage stellen könnte und insoweit auch ohne ausdrückliche Frage von Seiten des Reiseveranstalters darzulegen gewesen wäre4.
Entsprechendes gilt auch für die bis zum Reiseantritt unterbliebene Aufklärung darüber, dass der gebuchte Inlandsflug über Kairo, verbunden mit einem mehrstündigen Aufenthalt am dortigen Flughafen, erfolgen werde. Es liegt nahe, dass schon aufgrund der dadurch entstehenden Mehrzeit für einen längeren Flug und damit verbundenem Flughafenaufenthalt die vom Reiseveranstalter durchgeführte Reiseleistung minderwertiger war als vertraglich vereinbart. Inwieweit dies letztlich dazu führt, dass die gesamte Reise weniger werthaltig als der bezahlte Reisepreis gewesen ist, wird durch geeignete Ermittlungsmaßnahmen aufzuklären sein. Für die Annahme eines Anfangsverdachts jedenfalls reicht der Sachvortrag auch insoweit aus.
Soweit sich die Strafanzeige gegen den Vorstandsvorsitzenden der T. GmbH richtet, sind gegenwärtig zwar keine konkreten Anhaltspunkt dafür vorhanden, dass dieser von den Missständen im Unternehmen Kenntnis gehabt haben könnte oder dieses Verhalten seiner Mitarbeiter durch entsprechende Richtlinien oder Geschäftsanweisungen vorgegeben hat. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass innerhalb des Unternehmens Entscheidungsträger vorhanden sind, die dafür verantwortlich gewesen sind, dass der Kunde über die Änderung der Flugmodalitäten seine Reise betreffend nicht rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden ist (Inlandsflug) bzw. werden sollte (Rückflug). Eine Anhörung dieser namentlich noch nicht bekannten Beschuldigten durch das OLG Celle kam schon faktisch nicht in Frage. Die Anhörungspflicht nach § 175 StPO gilt im Übrigen nur bei Anordnung der Klageerhebung und kann nicht auf die hier gegebene Verfahrenslage übertragen werden5. Die dort geregelte Anhörungspflicht entspricht der Vernehmung des Beschuldigten vor Abschluss der Ermittlungen nach § 163 a Abs. 1 StPO. Im Gegensatz hierzu bejaht das Oberlandesgericht Celle vorliegend lediglich einen Anfangsverdacht, auf den hin überhaupt erst zu ermitteln ist. Die Rechte der Beschuldigten sind hierbei durch die genannte Vorschrift des § 163 a StPO hinreichend gewahrt; es besteht kein Anlass, den Beschuldigten ausnahmsweise dadurch besser zu stellen, dass er schon vor dem Beginn jeder Ermittlung angehört werden müsste.
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 21. Januar 2014 – 1 Ws 513/13