Subventionsbetrug – und die subventionserheblichen Tatsachen

Wegen Subventionsbetrugs nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer einer für die Bewilligung einer Subvention zuständigen Behörde oder einer anderen in das Subventionsverfahren eingeschalteten Stelle oder Person (Subventionsgeber) über subventionserhebliche Tatsachen für sich oder einen anderen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für ihn oder den anderen vorteilhaft sind.

Subventionsbetrug – und die subventionserheblichen Tatsachen

Für subventionserhebliche Tatsachen im Sinne von § 264 Abs. 8 StGB ist Folgendes zu berücksichtigen:

Subventionen im Sinne des § 264 StGB sind auch Leistungen aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt werden (§ 264 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 StGB). Dies trifft für Europäische Strukturfonds wie den Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zu1.

Subventionsgeber ist nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht nur die für die Bewilligung der Subvention sachlich und örtlich zuständige Behörde, sondern auch jede andere in das Subventionsverfahren eingeschaltete Stelle oder Person. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in der Praxis neben der Bewilligungsbehörde in vielfältiger Weise auch andere Stellen oder Personen, vor allem Kreditinstitute, in die Subventionsvergabe eingeschaltet sind. Dabei reicht es aus, wenn die Stelle oder Person nur eine Vorprüfung vorzunehmen oder eine Teilentscheidung auszusprechen hat, wie z.B. deutsche Stellen für bei ihnen beantragte Subventionen der Europäischen Union2 oder die mit der Finanzierung und der Finanzkontrolle befassten Banken.

Subventionserheblich sind solche Tatsachen, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vom Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind (§ 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB) oder solche, von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich abhängig ist (§ 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB).

Die Subventionserheblichkeit muss sich auch bei § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB aus einem Gesetz im formellen oder materiellen Sinne ergeben; die Bezeichnung als „subventionserheblich“ in Verwaltungsvorschriften, Richtlinien etc. genügt nicht3. „Gesetz“ im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB sind auch die Verordnungen der EU4, insbesondere Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften5.

§ 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB erfasst Sachverhalte, in denen dem Gesetz eine ausdrückliche Bezeichnung bestimmter Tatsachen als subventionserheblich fehlt, das Gesetz aber dennoch hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, was es als Voraussetzung für die Subventionsgewährung betrachtet, ohne die entsprechenden Tatsachen ausdrücklich mit der Erklärung „subventionserheblich i.S.v. § 264 Abs. 1 StGB“ zu verbinden. Die Vorschrift gilt insbesondere für Subventionen der Europäischen Union, die nicht durch § 2 SubvG verpflichtet werden kann. Insoweit genügt bereits die in den Normen der Europäischen Union erfolgte Benennung der Vergabevoraussetzungen als Grundlage der Pönalisierung dahingehender Täuschungshandlungen6.

Die Vorschrift ist verfassungsrechtlich ausreichend bestimmt im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG. Sie beschreibt dezidiert, wann die Bewilligung einer Subvention nicht erfolgen darf und erfordert auch nicht etwa aufgrund einer zu großen Reichweite eine teleologische Einschränkung; denn sie dient dem legitimen Zweck eines möglichst lückenlosen Strafrechtsschutzes und ergänzt den formellen § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB um eine materielle Betrachtung, indem sie den Gestaltungsmissbrauch erfasst7.

„Gesetz“ im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB ist auch das Gesetz gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen (SubvG). Es ist insoweit anwendbar, als im gegenständlichen Subventionsverfahren auch Zuschüsse des Bundes oder eines Landes beantragt worden sein sollten.

Nach § 4 Abs. 1 SubvG sind Scheingeschäfte und Scheinhandlungen für die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung und Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils unerheblich. Wird durch ein Scheingeschäft oder eine Scheinhandlung ein anderer Sachverhalt verdeckt, ist der verdeckte Sachverhalt für die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen der Subvention oder des Subventionsvorteils maßgebend.

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Ein Scheingeschäft im Sinne von § 4 Abs. 1 SubvG, § 117 Abs. 1 BGB ist anzunehmen, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen, den Parteien also der Geschäftswille fehlt8.

Umgehungsgeschäfte sind für Subventionen nach Bundes- und Landesrecht in § 4 Abs. 2 SubvG erfasst.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SubvG ist die Bewilligung oder Gewährung einer Subvention oder eines Subventionsvorteils ausgeschlossen, wenn im Zusammenhang mit einer beantragten Subvention ein Rechtsgeschäft oder eine Handlung unter Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorgenommen wird. Ein Missbrauch liegt nach § 4 Abs. 2 Satz 2 SubvG vor, wenn jemand eine den gegebenen Tatsachen und Verhältnissen unangemessene Gestaltungsmöglichkeit benutzt, um eine Subvention oder einen Subventionsvorteil für sich oder einen anderen in Anspruch zu nehmen oder zu nutzen, obwohl dies dem Subventionszweck widerspricht. Dies ist gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 SubvG namentlich dann anzunehmen, wenn die förmlichen Voraussetzungen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils in einer dem Subventionszweck widersprechenden Weise künstlich geschaffen werden.

Diese Vorschrift enthält ein in Verwaltungsverfahren ergänzend anwendbares zwingendes Gewährungs- und Bewilligungsverbot für Subventionen, führt also bei Vorliegen der Voraussetzungen zu einer ablehnenden Entscheidung, bei der die Behörde keinen Ermessensspielraum hat9. Subventionserhebliche Tatsache im Sinne von § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB ist damit das Nichtvorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs als Ausschlusstatbestand für eine Bewilligung.

Erfolgt etwa die Gründung zweier Betriebsgesellschaften ausschließlich im Hinblick auf die Förderanträge, um durch zwei Betreibergesellschaften die Voraussetzungen zur Erlangung der begehrten Förderung vorzutäuschen, die ansonsten bei einer gemeinsamen Betreibergesellschaft- nicht gegeben gewesen wären, kommt deshalb ein Gestaltungsmissbrauch in Betracht.

Soweit sich die Gegenansicht auf zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stützt10, übersieht es, dass sich diese Entscheidungen auf § 4 Abs. 1 SubvG beziehen. Dass § 4 Abs. 2 SubvG auch Fälle erfasst, in denen Förderbedingungen in „untergesetzlichen Regelwerken“ enthalten sind, entspricht neben dem Willen des Gesetzgebers vor allem dem Wortlaut der Norm.

Der Gesetzgeber führte mit dem Ersten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 29.07.197611 den Tatbestand des Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) ein, um Missbräuchen im Zusammenhang mit der Vergabe von Subventionen zu begegnen. Gleichzeitig wurde das Gesetz gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen vom 29.07.1976 (Subventionsgesetz – SubvG)12 erlassen13. Die Vorschriften nehmen deshalb aufeinander Bezug. So ergeben sich die Kriterien, nach denen die subventionsgewährende Behörde eine Tatsache als subventionserheblich im Sinne von § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB einzustufen hat, aus § 2 SubvG, wenn es sich um Subventionen nach Bundesrecht oder aber um Subventionen nach EU-Recht handelt, die durch eine Stelle der Bundesrepublik vergeben werden. Für die nach Landesrecht gewährten Subventionen gelten die jeweils einschlägigen Landessubventionsgesetze, in denen überwiegend die §§ 2 bis 6 des SubvG für anwendbar erklärt worden sind14. § 4 Abs. 2 Satz 1 SubvG wiederum soll die strafrechtliche Ahndung in den Fällen eröffnen, in denen die einschlägigen Vergabevoraussetzungen formal gesehen zwar erfüllt sind, das Erlangen der Subvention aber erkennbar ihrem Sinn und Zweck nicht gerecht wird und die Subvention nicht gewährt werden darf bzw. zurückzuerstatten ist15. § 4 Abs. 2 SubvG führt daher in allen Fällen der Subventionsgewährung dazu, dass das Fehlen eines Missbrauchs der Gestaltungsmöglichkeiten stets eine gesetzliche Bewilligungsvoraussetzung ist, gleichgültig ob die Fördervoraussetzungen gesetzlich oder untergesetzlich geregelt sind. Die Rechtsauffassung der Strafkammer, § 4 Abs. 2 SubvG dürfe nicht auf alle Umgehungsgeschäfte ausgeweitet werden, trifft daher nicht zu.

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Auf Subventionen, die nach dem Recht der Europäischen Union gewährt wurden, ist § 4 SubvG wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts zwar nicht anwendbar16. Die Unbeachtlichkeit von Umgehungshandlungen regelt aber Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18.12 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften17.

Abs. 3 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 gilt nach Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung als Teil einer Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung definiert den „Tatbestand der Unregelmäßigkeit“. Eine solche ist bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe.

Da diese Anordnung in der Rechtsform einer Verordnung ergangen ist, hat sie gemäß Art. 288 AEUV allgemeine Geltung, ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Sie ist damit Bestandteil des nationalen Rechts und unmittelbar anwendbar. Nach ihren Eingangserwägungen gilt diese Verordnung „unbeschadet der Anwendung des Strafrechts der Mitgliedstaaten“ und lässt „die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unberührt“, wobei „geeignete Bestimmungen vorzusehen“ sind, „um eine Kumulierung finanzieller Sanktionen der Gemeinschaft und einzelstaatlicher strafrechtlicher Sanktionen bei ein und derselben Person für dieselbe Tat zu verhindern“.

Abs. 3 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 bestimmt, dass „Handlungen, die nachgewiesenermaßen die Erlangung eines Vorteils, der den Zielsetzungen der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften zuwiderläuft, zum Ziel haben, indem künstlich die Voraussetzungen für die Erlangung dieses Vorteils geschaffen werden“, zur Folge haben, dass „der betreffende Vorteil nicht gewährt bzw. entzogen wird“.

Subventionserhebliche Tatsache im Sinne von § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB ist – so wie es in Art. 4 Abs. 3 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 gesetzlich bestimmt ist – das Nichtvorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs als Ausschlusstatbestand für eine Bewilligung.

Die beiden Handlungen, die die Tatbestandsmerkmale des Art. 4 Abs. 3 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 erfüllen könnten, sind die Verletzung der Anmeldepflichten nach Art. 108 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit Punkt 2.1 des zum Zeitpunkt der Antragstellung am 5.07.2002 geltenden Multisektoralen Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben von 199818 und nach Art. 26 der VO (EG) Nr. 1260/1999.

Wenn also davon auszugehen ist, dass nicht zwei getrennte, sondern ein einheitliches Investitionsprojekt nach Art. 25 der VO (EG) Nr. 1260/1999 und Punkt 7.2 des MSR 1998 gegeben waren, hätte für die Bundesrepublik eine doppelte Anmeldepflicht bei der Kommission bestand.

Zum einen hätte das regionale Investitionsbeihilfevorhaben (innerhalb genehmigter nationaler Beihilferegelungen) nach Art. 108 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit dem MSR 1998 und der Entscheidung der Kommission zur Genehmigung der nationalen Beihilferegelung (hier: staatliche Beihilfe Nr. N 209/99 – Deutschland – 28. Rahmenplan in Ausführung des Bundesgesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe19) bei der Kommission vorab zur Genehmigung beabsichtigter staatlicher Beihilfen angemeldet werden müssen. Die Beihilfe hätte dem Empfänger von der zuständigen nationalen Stelle nur gewährt werden dürfen, wenn die Kommission sie auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 AEUV genehmigt hätte. Zum anderen hätte die Förderung aus den EFRE-Mitteln gemäß Art. 26 der VO (EG) Nr. 1260/1999 vorab der Kommission mitgeteilt werden müssen, da es sich bei einheitlicher Betrachtung des Investitionsvorhabens um ein „Großprojekt“ im Sinne dieses Artikels handelte.

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Der MSR 1998 wurde von der Kommission auf der Grundlage des Artikels 107 Abs. 3 AEUV erlassen und legt die Regeln für die Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Binnenmarkt fest, wobei Punkt 7.2 und Punkt 2.1 des MSR 1998 die Frage betreffen, welche Projekte gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV anmeldepflichtig sind.

Nach Punkt 2.1 des MSR 1998 sind gemäß Art. 93 Abs. 3 EG-Vertrag (jetzt Art. 108 Abs. 3 AEUV) alle regionalen Investitionsbeihilfevorhaben innerhalb genehmigter Beihilferegelungen anzumelden und zwar bei Gesamtkosten des Projekts von mindestens 50 Millionen ECU und einer als Prozentsatz der beihilfefähigen Investition ausgedrückten Intensität der kumulierten Beihilfebeträge von mindestens 50 % der für Regionalbeihilfen geltenden Höchstgrenze für Großunternehmen in dem betroffenen Gebiet und ein Beihilfebetrag von mindestens 40.000 ECU pro geschaffenem oder erhaltenem Arbeitsplatz oder wenn die Gesamtbeihilfe mindestens 50 Millionen ECU beträgt20.

Punkt 7.2 des MSR 1998 stellt darauf ab, ob die Projekte einen „Betrieb“ bilden und verweist darauf, dass „ein Investitionsvorhaben […] nicht künstlich in Teilvorhaben gegliedert werden“ darf, um der „Notifizierungspflicht zu entgehen“. Art. 25 der VO (EG) Nr. 1260/1999 definiert als Großprojekt Projekte, die „eine Gesamtheit von wirtschaftlich nicht zu trennenden Arbeiten bilden, die eine genaue technische Funktion erfüllen und klar ausgewiesene Ziele verfolgen, und bei denen die zur Bestimmung des Betrags der Fondsbeteiligung berücksichtigten Gesamtkosten mehr als 50 Millionen Euro betragen“.

Nach Art. 108 Abs. 3 AEUV wird die Kommission „von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Art. 107 mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Abs. 2 vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat“.

Damit ist die im Rahmen der Prüfung des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB entscheidende Frage, ob ein einheitliches Investitionsvorhaben künstlich in zwei Teilvorhaben gegliedert wurde, um der Notifizierung zu entgehen und die höchstmögliche Förderung zu erhalten.

Nach Punkt 7.2 des MSR 1998 bzw. Art. 25 der VO (EG) Nr. 1260/1999 bilden Projekte dann einen (einzigen) „Betrieb“ bzw. ein „Großprojekt“, wenn sie „eine Gesamtheit von wirtschaftlich nicht zu trennenden Arbeiten bilden, die eine genaue technische Funktion erfüllen und klar ausgewiesene Ziele verfolgen“.

Die Europäische Kommission hat in den „Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007 – 2013“21 unter Punkt 4.03. „Beihilfen für große Investitionsvorhaben“ (Nr. 60 und Fn. 55) – um zu verhindern, dass ein großes Investitionsvorhaben künstlich in Teilvorhaben untergegliedert wird, um den Bestimmungen dieser Leitlinien zu entgehen – zu großen Investitionsvorhaben ausgeführt, dass ein Vorhaben als Einzelinvestition gilt, wenn die Erstinvestition in einem Zeitraum von drei Jahren von einem oder mehreren Unternehmen vorgenommen wird und festes Vermögen betrifft, das eine wirtschaftlich unteilbare Einheit bildet. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Unteilbarkeit sind die technischen, funktionellen und strategischen Verbindungen sowie die unmittelbare räumliche Nähe zu berücksichtigen; die Eigentumsverhältnisse sind ebenso unerheblich wie der Umstand, ob das Vorhaben von einem oder von mehr als einem Unternehmen durchgeführt wird, die sich die Investitionskosten teilen oder die Kosten separater Investitionen innerhalb des gleichen Investitionsvorhabens tragen.

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Die Europäische Kommission hat in ihrer Entscheidung vom 17.06.2009 über die Staatliche Beihilfe C 21/2008 (ex N 864/06), die Deutschland zugunsten der Sovello AG (vormals EverQ GmbH) gewähren will22 eine einheitliche „Betriebsstätte“ als „eine wirtschaftlich unteilbare Einheit von festem Sachvermögen“ definiert, „dessen Bestandteile eine bestimmte technische Funktion erfüllen, physisch oder funktional miteinander verbunden sind und ein klares Ziel verfolgen“23.

Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um ein großes Investitionsvorhaben oder mehrere eigenständige kleinere Investitionsvorhaben handelt, kommt es daher nicht auf die Zahl der Antragsteller, nicht auf deren gesellschaftsrechtliche Verhältnisse oder Beziehungen untereinander oder die Ausgestaltung der Geschäftsführung an, sondern nur auf das zu prüfende Investitionsvorhaben selbst. Getrennte Investitionsvorhaben werden nicht dadurch ein einheitliches Vorhaben, dass sie durch dasselbe Unternehmen durchgeführt werden oder es zwischen beiden gesellschaftsrechtliche Beziehungen gibt.

Für die rechtlich richtige Beurteilung der Getrenntheit der Betriebsstätten kommt es nicht auf die rechtliche Trennung der die Förderung beantragenden Unternehmen an.

Ein Subventionsbetrug im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt aber nur vor, wenn der Täter mit seinen Erklärungen vorgespiegelt hat, die gemachten falschen Angaben seien richtig bzw. die unvollständigen Angaben seien vollständig; ob das Vorspiegeln Erfolg hat, ist ohne Bedeutung24. Eine unzutreffende rechtliche Eigenbewertung des Täters reicht nicht aus. Der Angeklagte müsste daher bei Antragstellung tatsächliche Umstände in einer Weise dargestellt haben, die das Vorliegen eines solchen einheitlichen Projekts gerade verschleiern sollten und dadurch Gestaltungsmissbrauch betrieben haben.

Die Bezeichnung „durch Gesetz“ in § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB bedeutet – entsprechend der üblichen staatsrechtlichen Terminologie – die Benennung der subventionserheblichen Tatsachen durch formelles oder materielles Gesetz. Gesetze im materiellen Sinn sind nicht nur die von der Exekutive auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnungen und die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Regelung ihrer Angelegenheiten beschlossenen Satzungen25, sondern auch die Normen der Europäischen Union26, insbesondere deren Verordnungen als unmittelbar und generell wirkende Akte der Rechtsetzung (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV).

Demgegenüber drückt das in § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB genannte Erfordernis der Benennung der subventionserheblichen Tatsachen „auf Grund eines Gesetzes“ infolge der Anlehnung an die staatsrechtliche Terminologie den „Vorbehalt des Gesetzes“ aus. § 2 SubvG wird insoweit als einschlägige Ermächtigung (an die Verwaltung) angesehen27. Normen der Europäischen Union sind ebenfalls erfasst28. Verwaltungsvorschriften, Bekanntmachungen, Rahmenpläne, Richtlinien usw. scheiden dagegen als Rechtsvorschriften aus29.

§ 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB hat für solche Subventionen besondere Bedeutung, die nach Rechtsakten der Europäischen Union von Stellen der Bundesrepublik vergeben werden. Hier können die zuständigen deutschen Stellen aufgrund der Normen der Europäischen Union die daraus sowie – wenn die Normen lückenhaft sind – die aus dem Subventionszweck oder sonstigen Umständen erkennbaren maßgeblichen Tatsachen als subventionserheblich bezeichnen30.

Der Pflicht des Subventionsgebers zur ausdrücklichen Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen gemäß § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB kommt erhebliche Bedeutung zu, damit der Antragsteller die Vergabevoraussetzungen erkennen kann und der Subventionsgeber und die Strafverfolgungsorgane etwaige Täuschungshandlungen schnell und eindeutig feststellen können31. Das Merkmal der Subventionserheblichkeit hat der Subventionsgeber klar und unmissverständlich auf den konkreten Fall zu beziehen und dem Subventionsnehmer in einer zugegangenen Erklärung darzulegen32. Zuwendungsbescheide können Erklärungen in diesem Sinn sein.

§ 2 Abs. 1 SubvG verpflichtet daher den Subventionsgeber zu dieser ausdrücklichen Bezeichnung als subventionserheblich, wobei die Verpflichtung entsprechend der Reichweite der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht für Vergabestellen der EU gilt33.

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Zwar ist die inzwischen nicht mehr geltende- Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21.06.1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds kein Gesetz im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB. Sie legt nur das Vergabe- und Kontrollverfahren fest, enthält aber neben allgemeinen verwaltungstechnischen Bestimmungen keine Regelung über die Voraussetzungen einer Subventionsgewährung. Auch das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ vom 06.10.1969 (GRWG) in der bis zum 13.09.2007 geltenden Fassung34 ist keine solche gesetzliche Regelung, weil es keine Hinweise auf die Voraussetzungen für eine Förderung enthält. Subventionserhebliche Tatsachen ergeben sich allenfalls aus dem nach § 4 dieses Gesetzes aufgestellten Rahmenplan oder weiteren, im Zusammenhang mit der Förderung stehenden Verwaltungsbestimmungen35, die aber kein Gesetz im materiellen Sinn sind.

Jedoch stellt § 2 SubvG eine gesetzliche Grundlage für die Bestimmung subventionserheblicher Tatsachen durch den jeweiligen Subventionsgeber dar.

Die Vorschrift bildet für Subventionen des Bundes eine Ermächtigung an die Verwaltung, subventionserhebliche Tatsachen zu bezeichnen. Gemäß § 1 des Gesetzes gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 12.07.1995 (SubvG M-V)36 gelten auch für Leistungen nach Landesrecht, die Subventionen im Sinne des § 264 StGB sind, die §§ 2 bis 6 des Gesetzes gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen vom 29.07.197637 in ihrer jeweils geltenden Fassung. Die Zuwendungsbescheide sind Verwaltungsakte und keine Gesetze im materiellen Sinn. Sie werden – soweit sie Subventionen der Europäischen Union betreffen – durch die Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 und soweit sie Subventionen des Bundes oder des Landes Mecklenburg-Vorpommern betreffen – durch § 2 SubvG i.V.m. § 1 SubvG M-V legitimiert. Sie ergehen also „auf Grund eines Gesetzes“ im Sinne von § 264 Abs. 8 Nr. 1 Var. 2 StGB.

Soweit im hier entschiedenen Fall in der Aufteilung in zwei Investitionsprojekte- ein Gestaltungsmissbrauch festzustellen sein, wäre diese Art der Antragstellung für den Antragsteller auch vorteilhaft im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB, weil sie sich eignete, die Aussichten auf die Bewilligung der Subvention in der gewünschten Höhe durch die Herbeiführung der Entscheidungszuständigkeit der Landesbehörden zu verbessern und durch Vermeiden der Einbindung der Kommission zu einem Zeit- und damit Zinsvorteil führte38. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs39 verschafft die Verletzung der Anmelde- und Stillhaltepflicht gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV dem Beihilfeempfänger einen Zeitvorteil, der der Gewährung eines zinsfreien Kredits entspricht.

Die Umgehung der Notifizierung ist daher ein Vorteil im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95, der in der Erlangung der gesamten Investitionssumme besteht; denn ohne die künstliche Schaffung der ausschließlichen Zuständigkeit der nationalen Behörde hätte diese gar keine Fördermittel selbstständig genehmigen können.

Die Kenntnis des Subventionsgebers von der Unrichtigkeit der Angaben steht der Strafbarkeit nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht entgegen40, weil § 264 StGB kein Erfolgsdelikt ist und keine erfolgreiche Täuschung erfordert. Der Subventionsbetrug ist vollendet, sobald die falschen Angaben dem Subventionsgeber gegenüber gemacht wurden41.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 339/16

  1. LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 264 Rn. 70; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 264 Rn. 12[]
  2. BT-Drs. 7/5291 S. 13; Tiedemann aaO § 264 Rn. 86 mwN[]
  3. BGH, Urteile vom 08.10.2014 – 1 StR 114/14, BGHSt 60, 15, 37; und vom 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 237[]
  4. Tiedemann aaO § 264 Rn. 80[]
  5. ABl. EG 1995 Nr. L 315 S. 1[]
  6. vgl. BT-Drs. 7/5291 S. 13; BGH, Urteil vom 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 241; Beschluss vom 30.09.2010 – 5 StR 61/10, NStZ-RR 2011, 81 f.; Urteil vom 05.09.1989 – 1 StR 291/89, NStZ 1990, 35, 36; OLG München, Beschluss vom 01.07.1981 – 2 Ws 668/81, NJW 1982, 457; Tiedemann aaO § 264 Rn. 81, 82; MünchKomm-StGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264 Rn. 72; Fischer aaO § 264 Rn. 17a[]
  7. Wohlers/Mühlbauer aaO § 264 Rn. 74[]
  8. BGH, Beschluss vom 28.05.2014 – 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244, 250; Urteil vom 25.10.1961 – – V ZR 103/60, BGHZ 36, 84, 87 f.; BFH, Urteil vom 21.10.1988 – – III R 194/84, BStBl – II 1989, 216[]
  9. BVerwG, Urteil vom 17.01.1996 – 11 C 5/95, NJW 1996, 1766[]
  10. BGH, Beschlüsse vom 28.05.2014 – 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244 ff.; und vom 30.09.2010 – 5 StR 61/10, wistra 2011, 67 ff.[]
  11. BGBl. I, 2034[]
  12. BGBl. I, 2037[]
  13. zur Historie vgl. MünchKomm-StGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264 Rn.19[]
  14. vgl. MünchKomm-StGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264 Rn. 66 mwN[]
  15. vgl. MünchKomm-StGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264 Rn. 84; BT-Drs. 7/3441, S. 29, 44 und BT-Drs. 7/5291, S. 21[]
  16. Fischer, aaO § 264 Rn. 12, 17a; Tiedemann aaO § 264 Rn. 12[]
  17. ABl. EG 1995 Nr. L 312 S. 1[]
  18. ABl. EG 1998 Nr. C 107 S. 7; nachstehend „MSR 1998“[]
  19. ABl. EG 2000 Nr. C 284 S. 7[]
  20. die Bezugnahme auf ECU wurde durch Verordnung [EG] Nr. 1103/97 des Rates vom 17.06.1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro durch Euro ersetzt; ABl. EG 1997 Nr. L 162 S. 1[]
  21. ABl. EU 2006 Nr. C 54 S. 13[]
  22. Abl. EU 2009 Nr. L 237 S. 15 Erwägungsgründe 34, 83 ff.[]
  23. vgl. auch Entscheidung der Europäischen Kommission vom 10.07.2007; staatliche Beihilfe N 850/2006 Q-Cells, zur Vereinbarkeit mit dem MSR 2002[]
  24. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 264 Rn. 22 mwN[]
  25. Panzer in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL, Vorbem. zu § 47 Rn. 2[]
  26. BT-Drs. 7/5291 S. 13; Fischer aaO § 264 Rn. 13 mwN; Tiedemann aaO, § 264 Rn. 74[]
  27. Fischer aaO § 264 Rn. 15 mwN[]
  28. BT-Drs. 7/5291 S. 13 zu § 264 Abs. 7 Nr. 1 StGB aF[]
  29. BGH, Urteil vom 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 237 zu § 264 Abs. 7 Nr. 1 StGB aF; Tiedemann aaO § 264 Rn. 75 mwN[]
  30. BT-Drs. 7/5291 S. 13[]
  31. BT-Drs. 7/5291 S. 13; BGH, Urteil vom 11.11.1998 – 3 StR 101/98, BGHSt 44, 233, 238 mwN[]
  32. MünchKomm-StGB/Wohlers/Mühlbauer, 2. Aufl., § 264 Rn. 69, 70[]
  33. BT-Drs. 7/5291 S. 13; BayObLG, Urteil vom 30.12 1981 – 5 St 85/81, NJW 1982, 2202 f.; Tiedemann aaO § 264 Rn. 72[]
  34. BGBl. I, S. 1861[]
  35. BGH, Urteil vom 08.10.2014 – 1 StR 144/14, BGHSt 60, 15, 37 f.[]
  36. GVOBl. Mecklenburg-Vorpommern 1995, S. 330[]
  37. BGBl. I S.2037[]
  38. vgl. zu „vorteilhaft“ BGH, Urteil vom 20.01.1987 – 1 StR 456/86, BGHSt 34, 265, 270; Beschluss vom 13.09.2012 – – III ZB 3/12 16[]
  39. vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 12.02.2008, Rechtssache C199/06, Slg. 2008 I469, Rn. 51[]
  40. Tiedemann aaO § 264 Rn. 28[]
  41. BGH, Urteil vom 20.01.1987 – 1 StR 456/86, BGHSt 34, 265, 267[]
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Verfall - und die Steuerbelastung