Überladung und Verfall

Bei Überladung ist für die Bestimmung des Erlangten im Sinne des Verfalls (§29a Abs. 2 OWiG) das volle für die Fahrt erlangte Transportentgelt zugrunde zu legen, wenn bei der Durchführung einer Transportfahrt mit einem Lastkraftwagen das zulässige Höchstgewicht nach § 34 StVZO überschritten ist.

Überladung und Verfall

Nach § 29 a Abs. 2 OWiG muss aus der (mit Geldbuße bedrohten) Handlung „etwas“ von dem „anderen“, für den der Täter gehandelt hat, hier der Verfallsbeteiligten – „erlangt“ worden sein. „Erlangtes“ in diesem Sinne ist das für den (hier:) Rübentransport zu dem Verarbeitungsbetrieb N jeweils entrichtete Entgelt. Angeknüpft wird also an die (objektiv pflichtwidrigen) Fahrten der einzelnen LKW-Fahrer in 1.754 Transportfahrten und nicht an ein sogenanntes uneigentliches Organisationsdelikt der Geschäftsführer. Es muss folglich auf der Grundlage des Urteils das aus den einzelnen Fahrten jeweils erlangte in der Addition den Gesamtbetrag des Verfalls ergeben, im Einzelnen also auf Grundlage einer Zusammenrechnung der ausgewiesenen „Frachtkosten“ beziehungsweise „Entgeltansprüche“.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg merkt an, dass aus Vorstehendem die Bedenklichkeit einer – wenngleich grundsätzlich zulässigen – Bezugnahme auf tabellarische Übersichten mit Rücksicht auf die gebotene geschlossene Darstellung der zur Urteilsgrundlage gemachten Feststellungen erhellt1. Insbesondere wäre vorliegend eine Nummerierung der Einzelfälle beziehungsweise Anbringung von Ordnungsziffern hilfreich gewesen2.

Der Bestimmung des Wertes des Erlangten im Sinne des § 29 a Abs. 2 OWiG ist nach dem sogenannten „Bruttoprinzip“ der Wert der (vollen) Gegenleistung für die Transporte (abzüglich der Mehrwertsteuer) zugrunde zu legen3.

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Danach ist bei Bestimmung des „Erlangten“ im Sinne des § 29 a Abs. 2 OWiG nicht allein auf den durch die Überschreitung des zulässigen Höchstgewichts erlangten wirtschaftlichen Vorteil etwa in Gestalt ersparter Aufwendungen abzustellen. Allerdings konnten Abweichungen von den das zulässige Gesamtgewicht von Kraftfahrzeugen regelnden Bestimmungen des § 34 StVZO (in der hier maßgeblichen Fassung vom 22.10.2003) nach § 70 StVZO von der zuständigen Verwaltungsbehörde genehmigt werden. In solchen Fällen ist nach der Rechtsprechung des BGH danach zu differenzieren, ob die straf- (beziehungsweise bußgeld-) bewehrte Handlung sich auf einen rein formalen Verstoß gegen einen hoheitlichen Genehmigungsvorbehalt beschränkt, während die eigentliche – gewinnbringende – Tätigkeit nicht in Widerspruch zu den Prinzipien der Rechtsordnung steht, oder ob die nicht genehmigte Handlung selbst rechtlich missbilligt wird. Der dem Verfall unterliegende Vorteil ist deshalb danach zu bestimmen, was letztlich bußgeld- beziehungsweise strafbewehrt ist. Soweit das Geschäft beziehungsweise seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt demzufolge grundsätzlich der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall. Ist dagegen nur die Art und Weise bemakelt, in der das Geschäft ausgeführt wird, so ist nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt. Dabei gilt nach der Rechtsprechung des BGH der Grundsatz der Abschöpfung des Erlöses eines Rechtsgeschäfts als aus der Tat „Erlangtes“ aber auch dann, wenn das geschäftliche Tätigwerden des Tatbeteiligten einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt, den dieser in strafbarer (oder ordnungswidriger) Weise umgeht. Erreicht der Täter Vorteile dadurch, dass er ein – gegebenenfalls auch nur nach dem Ermessen der Genehmigungsbehörde – nicht genehmigungsfähiges Geschäft erfüllt sowie daraus entsprechende Vermögenszuwächse erzielt, so sind diese in vollem Umfange erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 1 StGB beziehungsweise im Sinne des § 29 a OWiG und unterliegen daher grundsätzlich uneingeschränkt dem Verfall. Beschränkt der Verstoß gegen die Rechtsordnung sich dagegen auf die Umgehung der Kontrollbefugnis der Genehmigungsbehörde (sogenanntes präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt), so ist erlangt nur der durch die Nichtdurchführung des Genehmigungsverfahrens erwachsene (Sonder-) Vorteil. Stellt die behördliche Gestattung demgegenüber eine Ausnahme von einem generell verbotenen Tun dar (sogenanntes repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt), so verbleibt es bei der generellen Regel, dass das genehmigungslose Tun verboten ist und das Rechtsgeschäft deswegen nur unter Verstoß gegen materielles Recht erfüllt werden kann4.

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Bei der Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO handelt es sich um eine Ausnahme von einem generell bestehenden Verbot. Die Vorgaben über Abmessungen, Lasten und Gewichte nach den §§ 32, 34 StVZO dienen der Bestimmung dessen, was im Straßenverkehr grundsätzlich als hinnehmbar und generell sozialverträglich gilt. Die Ausnahmeregelung nach § 70 StVZO, bei der der Behörde ein Ermessen eingeräumt ist, bezweckt insbesondere die Vermeidung von Härten, daneben unter anderem auch die Erprobung neuer Techniken. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist jeweils der Ausnahmecharakter der Genehmigung zu beachten, wobei auch von Relevanz ist, ob der Transport nicht auf andere Weise abgewickelt werden kann. Durch den Verwaltungsakt der Ausnahmegenehmigung werden danach materiell-rechtliche gesetzliche Vorschriften außer Kraft gesetzt und es wird durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt neues objektives Recht jenseits der allgemeinen Vorgaben der StVZO geschaffen. Das Verhalten ist danach materiell und nicht lediglich formell rechtswidrig, wenn ein Betroffener sich der Prüfung der Anforderungen für eine Ausnahmegenehmigung entzieht. Der Tatrichter ist deswegen auch nicht gehalten, die fahrzeugbezogene Genehmigungsfähigkeit des Transports nach § 70 StVZO zu prüfen und eine hypothetische Ermessensausübung anstelle der hierzu berufenen Behörde vorzunehmen, um erst auf dieser Grundlage den Wert des Erlangten im Sinne des § 29 a OWiG bestimmen zu können5.

Nach § 29 a Abs. 2 OWiG ist eine Ermessensausübung geboten („kann“).

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Für die Ausübung des Ermessens, ob eine Anordnung getroffen werden soll oder nicht, sind allgemeine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte sowie die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Als in die Entscheidung einzustellende Aspekte kommen in Betracht Bedeutung und Folgen der Tat, der Umfang des Erlangten, die Gefahr einer Wiederholung durch andere, das Bedürfnis nach einer Befriedung der Rechtsordnung, die Auswirkungen des Verfalls für den von diesem Betroffenen, der zur Aufklärung des Sachverhalts erforderliche Aufwand und (maßgeblich) der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Unter dem letztgenannten Gesichtspunkt soll von der Anordnung dann abgesehen werden, wenn diese den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Adressaten oder sonst eine unbillige Härte zur Folge hätte6.

Zumal mit Rücksicht auf die beträchtliche Gesamthöhe des vorliegend in Rede stehenden Betrages sind deshalb im Urteil Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Verfallsbeteiligten erforderlich, die auf eigener Überzeugungsbildung des Gerichts beruhten.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg – Beschluss vom 2. Januar 2014 – 2-43/13 (RB)

  1. dazu BGHR StPO § 267 Abs. 1 S. 1 Sachdarstellung 1; BGH, NStZ-RR 2010, 54; BGH, NStZ-RR 2012, 133 [C./Z.]; Kuckein in KK-StPO, 7. Aufl., § 267 Rdnr. 3, 8 m.w.N.[]
  2. vgl. BGH, NStZ-RR 2012, a.a.O.; Kuckein, a.a.O. Rdn. 8[]
  3. dazu nur BGHR, StGB § 73 Abs. 3 Bruttoprinzip 1; BGH, Wistra 2011, 101, 102 mit Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien[]
  4. BGHSt 57, 79[]
  5. OLG Celle, NZV 2013, 610, 611 m.w.N.; OLG Schleswig, Beschluss vom 13.12 2013, 2 Ss OWi 115/13 [ 68/13]; siehe auch OLG Hamburg, Beschluss vom 20.11.2013, a.a.O.; sofern OLG Hamburg, Beschluss vom 25.02.2013 – 1-13/12 [RB], eine andere Auffassung zugrunde liegen sollte, wird dem nicht gefolgt[]
  6. Gürtler in Göhler, OWiG, a.a.O., § 29 a Rdn. 24 m.w.N.[]
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