Die Dauer einer Maßregelunterbringung ist auf die ersten zwei Drittel einer parallel verhängten Freiheitsstrafe anzurechnen. Eine Anrechnung als Organisationshaft auf das letzte Drittel kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Vollzugsbehörde ihren mit der Maßregelanordnung verbundenen Behandlungsauftrag (§§ 1, 8 Nds. MVollzG) trotz der erfolgten Aufnahme des Verurteilten offensichtlich erkennbar überhaupt nicht wahrnimmt und lediglich eine Verwahrung vornimmt. Die Unterbringung beginnt mit dem formalen Akt der Aufnahme des Verurteilten durch die Vollzugsbehörde zum Vollzug der angeordneten Maßregel. Dies gilt auch dann, wenn die Maßregel zunächst auf einer Station vollzogen wird, die eigentlich für den Vollzug einer anderen Maßregel vorgesehen ist.

Das Oberlandesgericht Braunschweig hält mit der herrschenden Auffassung an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach in Fällen, bei denen neben einer Freiheitsstrafe die (nach § 67 Abs. 1 StGB vor der Freiheitsstrafe zu vollstreckende) Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde, zunächst gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 StGB die vor Rechtskraft vollzogene Untersuchungshaft (bzw. einstweilige Unterbringung) anzurechnen, sodann nach § 67 Abs. 4 StGB die Zeit des Vollzugs der Maßregel bis zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt zu berücksichtigen und schließlich das Restdrittel der Strafe um etwaige Organisationshaft zu kürzen ist [1]. Diese Auslegung ist verfassungskonform [2] und entspricht dem gesetzgeberischen Zweck des § 67 Abs. 4 StGB, die Therapiemotivation durch den Druck der Gefahr einer etwaigen Vollstreckung des Restdrittels zu fördern.
Unter Organisationshaft wird die Haft in einer Justizvollzugsanstalt nach Rechtskraft der die Unterbringung anordnenden Entscheidung bis zur Aufnahme im Maßregelvollzug verstanden [3]. Des Weiteren hat das Thüringer Oberlandesgericht diese Maßstäbe über die Anrechnung von Organisationshaft auch in einem Fall angewendet, in dem ein ehemals Untergebrachter verspätet in den Strafvollzug zurückverlegt worden ist [4]. Diese Fallkonstellationen zeichnen sich dadurch aus, dass der Verurteilte Freiheitsentzug erleidet, bevor eine Aufnahme durch die für die Vollstreckung zuständige Vollzugsbehörde erfolgt ist, z. B. weil einem Aufnahmeersuchen aus Kapazitätsgründen nicht entsprochen worden ist.
Dass das Maßregelvollzugszentrum diese Maßregel und die vorangegangene vorläufige Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 126a StPO zunächst nicht auf einer Suchtstation, sondern auf Stationen vollzogen hat, auf denen sonst Maßregeln nach § 63 StGB vollzogen werden, ist für die Beurteilung der Frage, ob auf das letzte Drittel anzurechnende Organisationshaft vorgelegen hat, nicht relevant. Die Vollstreckung einer Maßregel ist nicht an einen bestimmten Ort gebunden. So finden z. B. auch Beurlaubungen, Krankenhausaufenthalte und Probewohnen außerhalb der Vollzugseinrichtung statt, während der Vollzug der Maßregel fortdauert. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist jedenfalls im Grundsatz allein auf den formalen Akt der Aufnahme durch die zuständige Vollzugsbehörde zum Vollzug der jeweils angeordneten freiheitsentziehenden Maßnahme abzustellen, da andernfalls eine korrekte Strafzeitberechnung nur nach Ermittlung der konkreten Begebenheiten im Vollzug möglich wäre, wobei dann ggf. nicht nur der äußere Rahmen der Unterbringung, sondern auch geklärt werden müsste, inwieweit inhaltlich eine dem Zweck der Maßregel entsprechenden Therapie stattfand. Dies würde zu nicht hinnehmbaren Unklarheiten bzgl. der verbüßten und noch offenen Haft- und Unterbringungszeiten führen.
Mit der Aufnahme eines Verurteilten zum Vollzug einer Freiheitsstrafe oder Maßregel (gleiches gilt für den Vollzug von Untersuchungshaft oder einer vorläufigen Unterbringung) trägt die Vollzugsbehörde die Verantwortung für einen den rechtlichen Anforderungen entsprechenden Vollzug der jeweiligen Maßnahme. Die weiteren Entscheidungen der Vollzugsbehörde betreffen nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ des Vollzugs. Soweit der Vollzug nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen sollte, steht den Betroffenen der Rechtsweg nach § 109 StVollzG (ggf. i. V. m. §§ 138 Abs. 3 StVollzG, 102 NJVollzG oder 106 Nds. SVVollzG) offen. Auf diese Weise hätte sich auch die Verurteilte gegen eine möglicherweise rechtswidrige, für den Zweck der Maßregel ungeeignete oder unzureichende Behandlung wenden können und insbesondere auch überprüfen lassen können, ob die Verfahrensweise des MRVZN Moringen, die Unterbringung aus Kapazitätsgründen auf Stationen zu vollziehen, die eigentlich für den Vollzug von Maßregeln nach § 63 StGB vorgesehen sind, rechtmäßig war.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die inhaltliche Ausgestaltung des Vollzugs für die Frage der Annahme von Organisationshaft ohne Bedeutung ist, kommt aus Sicht des Oberlandesgerichts daher allenfalls in solchen Fällen in Betracht, in denen die Vollzugsbehörde ihren mit der Maßregelanordnung verbundenen Behandlungsauftrag (§§ 1, 8 Nds. MVollzG) trotz der erfolgten Aufnahme des Patienten offensichtlich erkennbar überhaupt nicht wahrnimmt und vergleichbar mit dem anerkannten Fall einer Organisationshaft in einer Justizvollzugsanstalt lediglich eine Verwahrung vornimmt.
Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor. Ausweislich der Stellungnahme des MRVZN Moringen vom 04.03.2014 wurden der Verurteilten auch auf den Stationen 30 und 31 Gespräche angeboten, welche die Schwierigkeiten der Patientin, den Wahrheitsgehalt der von ihr begangenen Delikte anzunehmen, zum Gegenstand hatten. Derartige Gespräche waren vor einer intensiven Arbeit an der Suchterkrankung therapeutisch erforderlich. Hieraus ergibt sich, dass das MRVZN Moringen den mit der Unterbringung nach § 126a StPO und der Maßregelanordnung nach § 64 StGB verbundenen Behandlungsauftrag schon während der Zeit der Unterbringung der Verurteilten auf den Stationen 30 und 31 wahrgenommen hatte. Auch die Verurteilte selbst hat in ihrem Schreiben vom 15.03.2014 bestätigt, dass aus ihrer Sicht die Deliktsbearbeitung wesentlicher Bestandteil der Therapie nach § 64 StGB gewesen ist. Eine Überprüfung der Intensität der Behandlungsbemühungen ist für die Beurteilung der Frage von Organisationshaft aus den vorgenannten Gründen nicht veranlasst.
Auch das Übermaßverbot ist durch die dergestalt vorgenommene Strafzeitberechnung nicht verletzt worden.
Die Zeit der einstweiligen Unterbringung hat bei der Berechnung der verlängerten Höchstfrist Berücksichtigung gefunden. Die Aufnahme zum Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB begann mit der Rechtskraft des die Unterbringung anordnenden Urteils. Die nicht verlängerte Höchstfrist einer Unterbringung nach § 64 StGB beträgt nach § 67d Abs. 1 S. 1 StGB zwei Jahre. Sie verlängert sich gemäß § 67d Abs. 1 S. 2 StGB um die Dauer einer daneben angeordneten Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzug der Maßregel auf die Freiheitsstrafe angerechnet wird. Gemäß § 67 Abs. 4 StGB erfolgt die Anrechnung bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. Ohne Berücksichtigung der Zeit der einstweiligen Unterbringung hätte somit die Zeitdauer der Unterbringung um 610 Tage verlängert werden können. Durch die vorliegend vorgenommene Anrechnung von 302 Tagen für die einstweilige Unterbringung ist die Höchstfrist für die Unterbringung jedoch nur um 308 Tage verlängert worden.
Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 27. März 2014 – 1 Ws 41/14
- vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 29.05.2013, – 1 Ws 108/13 16, veröffentl. in Nds. Rpfl.2014, 30 ff. m. w. N.[↩]
- vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.06.1997, 2 BvR 2422/96 7[↩]
- vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.11.2008 – 1 Ws 368/08 3[↩]
- ThürOLG, Beschluss vom 17.10.2006 – 1 Ws 332/06 22[↩]
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