Zufallsfund bei der Wohnungsdurchsuchung

Der richterliche Durchsuchungsbeschluss hat im Hinblick auf den schwerwiegenden Grundrechtseingriff eine wichtige und unabdingbare Eingrenzungsfunktion. Er definiert Ziel und Umfang der durchzuführenden Durchsuchung. Daher ist eine etwaige, über den Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses hinausgehende Durchsuchung, mit der gezielt nach anderen als den in ihm genannten Gegenständen gesucht werden soll, unzulässig1.

Zufallsfund bei der Wohnungsdurchsuchung

In dem hier entschiedenen Fall ergab sich aus dem Durchsuchungsbeschluss eindeutig, dass die Durchsuchung zum Auffinden eines einzigen ausdrücklich genannten Beweismittels, nämlich einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunitionen, angeordnet worden ist. Dass der Beschlusstenor dem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht entspricht, gibt zu keiner anderen Auslegung des Beschlusses Anlass. Im Antrag der Staatsanwaltschaft fehlt die konkrete Bezeichnung von Beweismitteln. Da der Antrag mit einem unvollständigen Satz endet, ist davon auszugehen, dass die Textvorlage versehentlich nicht ausgefüllt wurde. Allerdings ergibt sich aus der Antragsbegründung, dass die Staatsanwaltschaft den Erlass einer Durchsuchungsanordnung beantragt hat, weil sie davon ausging, dass die Durchsuchung zur Auffindung der beschriebenen Waffe führen wird. Andere Beweismittel erwähnt die Staatsanwaltschaft in ihrer Begründung nicht. Eine andere Auslegung des Durchsuchungsbeschlusses vom 21.01.2016 ist auch nicht deshalb veranlasst, weil die Polizei in ihrer Anregung auf Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses ausdrücklich vorgeschlagen hat, auch die von dem Beschuldigten genutzten Mobiltelefone einzubeziehen. Dies hat in den Gründen des staatsanwaltschaftlichen Antrages keine Erwähnung gefunden, sodass das Amtsgericht, für das der Antrag der Staatsanwaltschaft entscheidend ist, davon ausgehen konnte, dass die Staatsanwaltschaft der Anregung der Polizei nicht folgen wollte.

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Die Gegenstände durften auch nicht als „Zufallsfunde“ zur weiteren Durchsicht vorläufig sichergestellt werden. Zufallsfunde mit potentieller Beweisbedeutung dürfen gemäß § 108 StPO vorläufig sichergestellt und einstweilen in Beschlag genommen werden. Die Vorschrift betrifft aber Zufallsfunde, die auf Verübung anderer Straftaten hindeuten, mithin gerade nicht den Ausgangstatvorwurf betreffen. Für Zufallsfunde, die ersichtlich mit dem einer Durchsuchung zugrunde liegenden Tatvorwurf in Verbindung stehen, von der Zielrichtung einer Durchsuchungsanordnung aber nicht umfasst werden, fehlt eine spezifische gesetzliche Regelung2. Grundsätzlich können solche Gegenstände nach §§ 94 ff. StPO beschlagnahmt werden oder sie können sichergestellt werden, wenn die Voraussetzungen der §§ 111b ff. StPO vorliegen. Es darf aber nicht nachträglich die Eingrenzung des zu vollstreckenden Durchsuchungsbeschlusses ausgehöhlt werden.

Des Weiteren muss es sich um einen Zufallsfund handeln, bei dem seine Beweisbedeutung in Bezug auf den Ausgangstatvorwurf offensichtlich ist. Nur so ist gewährleistet, dass die die Durchsuchung durchführenden Beamten einerseits nicht die Augen vor beweiserheblichen Gegenständen verschließen müssen, nur weil diese nicht in der Durchsuchungsanordnung aufgeführt worden sind, andererseits aber auch nicht die Eingrenzungsfunktion der richterlichen Durchsuchungsanordnung unterlaufen wird und eine faktisch in erster Linie der Ausforschung dienende Sicherstellung von in ihr nicht – auch nicht annäherungsweise im Sinne der gegenüber § 103 StPO geringeren Anforderungen des § 102 StPO – erfassten Gegenständen erfolgt3. Dies muss insbesondere im Hinblick auf die heute in fast jedem Haushalt in oft hoher Anzahl vorhandenen technischen Geräte wie PCs, Laptops, Tablets und Handys gelten. Insoweit schließt sich das Landgericht der im Beschluss vom 15.01.2004 geäußerten Auffassung des LG Berlin an3. Diese Geräte und Datenträger werden auch zur Speicherung von Aufzeichnungen, Notizen oder ähnlichem verwendet werden. Bei jeder Durchsuchung einer Wohnung, bei der solche Geräte vorgefunden werden, könnte die Hoffnung, bei Durchsicht der technischen Geräte irgendetwas finden zu können, zu deren Sicherstellung oder Beschlagnahme führen, auch wenn diese nicht im Durchsuchungsbeschluss aufgeführt worden sind. Eine solche „Generalermächtigung“ ergibt sich aus den Bestimmungen der StPO über Durchsuchung, Sicherstellung und Beschlagnahme jedoch nicht.

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Die genannten Voraussetzungen für die Bejahung eines tatbezogenen „Zufallsfundes“ liegen hier nicht vor. Weder die zur weiteren Durchsicht sichergestellten Handys, noch die Laptops und das Tablet weisen einen offensichtlichen Zusammenhang mit dem Tatvorwurf auf.

Angesichts des Umstandes, dass bei der Auseinandersetzung, in deren Rahmen der Beschuldigte die Waffe gezogen haben soll, zahlreiche Personen und darunter auch Bekannte des Beschuldigten anwesend waren, ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass über das Geschehen nachträglich über die auf Smartphones häufig installierte Kommunikationssoftware kommuniziert worden ist. Ebenso ist es nicht ausgeschlossen, dass Fotos von dem Beschuldigten mit der Waffe oder von der Waffe auf den Handys zu finden sind, da nach kriminalistischer Erfahrung auch eine solche Selbstdarstellung durchaus praktiziert wird. Da für die Klärung dieser Frage aber die weitere Durchsicht notwendig wäre, besteht der erforderliche offensichtliche Zusammenhang zum Tatvorwurf gerade nicht, sondern nur die nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer Beweisbedeutung dieser Gegenstände. Keinerlei Zusammenhang zum Tatvorwurf erkennt das Landgericht im Hinblick auf die sichergestellten Laptops und das Tablet. Da diese Gegenstände nicht einmal von der bereits angesprochenen Anregung der Polizei erfasst waren, erschließt sich nicht, warum diese dann bei der Durchsuchung sichergestellt worden sind.

Die vorläufige Sicherstellung der Gegenstände zur weiteren Durchsicht war daher rechtswidrig. Die Gegenstände – lfd. Nr. 2 – 9 der Niederschrift vom 11.02.2016 – sind an den Beschuldigten wieder herauszugeben, da die Intensität des Rechtsverstoßes zu der Schwere des Tatverdachts außer Verhältnis steht und für den Fall, dass diesen Gegenständen überhaupt eine Beweisbedeutung zukäme, eine Verwertung nicht in Betracht käme.

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Landgericht Kiel, Beschluss vom 25. April 2016 – 7 Qs 24/16

  1. Meyer-Goßner, StPO, 58. Auflage, § 108 Rn. 1, m.w.N.[]
  2. KK-StPO/Bruns § 108 Rn. 7, beck-online[]
  3. LG Berlin, Beschluss vom 15.01.2004 – 518 Qs 44/03[][]