Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage lässig. des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht.

Erforderlich sind Darlegungen
- zur zweifelsfreien Ausreisepflicht,
- zu den Abschiebungsvoraussetzungen,
- zur Erforderlichkeit der Haft,
- zur Durchführbarkeit der Abschiebung und
- zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG).
Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden1.
Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, dass ein Haftantrag den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht genügt, wenn er weder mitteilt, wann eine Abschiebungsandrohung ergangen ist, noch, dass und wann die Entscheidung dem Betroffenen in einer für ihn verständlichen Sprache übermittelt wurde2. Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat die beteiligte Behörde aber mitgeteilt, dass die erforderliche Abschiebungsandrohung, wie mit § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG vorgeschrieben, in dem Bescheid des Bundesamts über die Zurückweisung des Asylantrags des Betroffenen vom 18.12.2017 enthalten ist. Da der Betroffene gegen diesen Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht erhoben hat, steht auch fest, dass er diesen Bescheid erhalten hat. Aus dem Fehlen des ausgefüllten Adressfelds auf der ersten Seite des Bescheids durfte die beteiligte Behörde entnehmen, dass dieser nicht isoliert, sondern, wie in der Praxis des Bundesamts üblich3, mit einem Begleitbescheid zugestellt worden ist, dem neben einer Ausfertigung des Zurückweisungsbescheids auch die nach § 31 Abs. 1 Satz 4, § 34 Abs. 2 Satz 2 AsylG gesetzlich vorgeschriebenen Teilübersetzungen der Entscheidungsformel des Bescheids, der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung und der Rechtsmittelbelehrung beigefügt waren. Die beteiligte Behörde muss in einem Haft- oder einem Haftverlängerungsantrag zu der Beifügung der vorgeschriebenen Teilübersetzungen Ausführungen nur machen, wenn Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dem Bundesamt in dem darzustellenden Einzelfall ein Abwicklungsfehler unterlaufen ist. Solche Anhaltspunkte liegen hier nicht vor. Auch die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass das Bundesamt dem Betroffenen die vorgeschriebenen Teilübersetzungen nicht übermittelt hat. Sie vermisst lediglich entsprechende Ausführungen dazu. Diese sind aber ebenso wenig geboten wie eine anschließende anlasslose Überprüfung dieser Angaben durch das Gericht im Rahmen von § 26 FamFG.
Im vorliegenden Fall genügte der Antrag der beteiligten Behörde auch im Hinblick auf die zahlreichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen den gesetzlichen Anforderungen. Wegen der nach § 154 StPO eingestellten Verfahren ist das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nicht erforderlich4. Der Hinweis, dass der überwiegende Teil dieser Strafverfahren abgeschlossen und für die noch nicht abgeschlossenen Verfahren das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vorliege, war deshalb ausreichend5.
In dem Haftantrag musste sich die beteiligte Behörde im vorliegenden Fall auch mit dem von dem Betroffenen durchgängig erhobenen Einwand, er sei minderjährig, befassen. Das ist hier aber auch in einer den gesetzlichen Anforderungen von § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG genügenden Weise geschehen: Die beteiligte Behörde hat in ihrem Antrag im Einzelnen dargelegt, bei welchen Gelegenheiten sich der Betroffene als minderjährig ausgegeben und welches Geburtsdatum er jeweils angegeben hat. Sie hat die Auffassung vertreten, nur das zweite von dem Betroffenen angegebene Geburtsdatum – 1.03.1999 – treffe zu. Sie hat diese Einschätzung in dem Haftantrag damit begründet, dass der Betroffene auf das Angebot, sich einer Altersuntersuchung zu unterziehen, nicht eingegangen ist und dieses Geburtsdatum im Rahmen der Beschaffung von Passersatzpapieren selbst dem afghanischen Generalkonsulat genannt und dass dieses auf dieser Grundlage ein Passersatzpapier mit diesem Geburtsdatum ausgestellt hat. Die übrigen von dem Betroffenen genannten unterschiedlichen Geburtsdaten hat die beteiligte Behörde in dem Verlängerungsantrag als Versuch des Betroffenen gewertet, sich dadurch der Abschiebung nach Afghanistan zu entziehen, dass er sich als minderjährig ausgab. Damit hat die beteiligte Behörde nachvollziehbar vorgetragen, sodass konkrete Nachfragen seitens der Haftgerichte möglich waren. Mehr verlangt § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht.
Die hier erlassene Haftanordnung ist für den Bundesgerichtshof auch nicht deshalb zu beanstanden, weil dem Betroffenen der Antrag auf Haftverlängerung nicht ausgehändigt worden ist und es deshalb geboten gewesen wäre, den Betroffenen nachhaltig zur Aktualität der behaupteten Identitätstäuschung und zu den allein von der Behörde berichteten Selbstverletzungen wie auch zu der gegenüber dem Hochsauerlandkreis bekundeten Ausreiseunwilligkeit zu befragen. Das Beschwerdegericht hat den Betroffenen zu dem Verlängerungsantrag der beteiligten Behörde und zu deren Schriftsatz vom 04.09.2019 persönlich angehört. Gegenstand der Erörterung waren zwar nur die Minderjährigkeit des Betroffenen, die Validität der von ihm vorgelegten Tazkira, die Bedingungen der Unterbringung in der Unterbringungseinrichtung Büren und die Frage eines Haftverzichts. Der Betroffene und seine Vertrauensperson hatten aber Gelegenheit, sich zur Aktualität der von der beteiligten Behörde geltend gemachten Identitätstäuschung, zu den Selbstverletzungen, an denen die Abschiebung des Betroffenen am 14.08.2018 gescheitert ist, wie auch zu seiner Bereitschaft zur Ausreise zu äußern. Der Berichterstatter der Beschwerdekammer hatte nämlich sowohl dem Betroffenen als auch seiner Vertrauensperson neben Kopien anderer Teile der Gerichtsakte auch Kopien des ursprünglichen Verlängerungsantrags der beteiligten Behörde wie auch von dessen Fortschreibung für das Beschwerdeverfahren vom 30.08.2018 übersenden lassen. Diese Schreiben sind zwar auf dem Postweg nicht mehr rechtzeitig bei dem Betroffenen und seiner Vertrauensperson angekommen. Die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer hat die Schreiben aber sowohl dem Betroffenen selbst als auch seiner Vertrauensperson am 31.08.2018 mit Telefax übermittelt. Wenn es in der Niederschrift über die persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht am 5.09.2018 heißt, sowohl der Verlängerungsantrag der beteiligten Behörde als auch deren Schriftsatz vom 04.09.2018 hätten dem Betroffenen und seiner Vertrauensperson vorgelegen, bedeutet das folglich, dass beide die genannten Schriftsätze vor Augen hatten. Sie waren nach dem Vermerk in der Niederschrift auch Gegenstand der Erörterung.
Der Betroffene und seine Vertrauensperson wussten, welchen Sachverhalt die beteiligte Behörde dem Beschwerdegericht unterbreitet und auf welche Belege sie sich gestützt hatte. Diesen Sachverhalt kannte der Betroffene aus eigenem Erleben. Er hatte daher Veranlassung, aber auch die Möglichkeit, die Angaben der beteiligten Behörde richtigzustellen oder darzulegen, dass er jetzt die in dem Reisedokument festgestellten Angaben zu seiner Person, insbesondere seine Volljährigkeit, nicht mehr bestreite, sowie, dass er nunmehr freiwillig ausreisen werde und wie eine erneute Entziehung ohne Inhaftierung wirksam verhindert werden könnte. Das ist nicht geschehen. Der Betroffene hat bei seiner persönlichen Anhörung durch das Beschwerdegericht seine Volljährigkeit weiterhin bestritten und in Abrede gestellt, je andere Personalien angegeben zu haben. Er hat durch seine Vertrauensperson Einwände gegen die bestandskräftige Ausweisung angebracht und die Frage eines Haftverzichts aufgeworfen, ohne zumindest seine Bereitschaft, nach Afghanistan auszureisen, eindeutig und klar zu erklären. Das Verhalten des Betroffenen in der persönlichen Anhörung vor dem Beschwerdegericht gab im Gegenteil keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich seine Haltung grundsätzlich geändert haben und in welcher Richtung er von Amts wegen ergänzend zu befragen sein könnte.
Sachliche Fehler der Entscheidung waren im vorliegenden Fall für den Bundesgerichtshofmacht auch nicht ersichtlich. Der festgestellte Sachverhalt ergab außer dem Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG a.F. auf Grund der konkreten Anhaltspunkte nach § 2 Abs. 14 Nr. 2 und 5 AufenthG a.F. (Identitätstäuschung und Entziehungserklärung), auf die sich das Beschwerdegericht gestützt hat, auch den – berücksichtigungsfähigen6 – Haftgrund nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG a.F. (Entziehung in sonstiger Weise). Abschiebungshindernisse haben die Haftgerichte nicht zu prüfen7.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Oktober 2020 – XIII ZB 43/19
- st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 30.03.2017 – V ZB 128/16, FGPrax 2017, 185 Rn. 6; vom 25.01.2018 – V ZB 107/17, Asylmagazin 2018, 224 Rn. 3; vom 12.11.2019 – XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8; und vom 23.06.2020 – XIII ZB 67/19 8[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.09.2018 – V ZB 145/17[↩]
- dazu: BGH, Beschluss vom 17.05.2018 – V ZB 258/17 13[↩]
- BGH, Beschluss vom 06.10.2020 – XIII ZB 31/20, z. Veröff. best.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 20.02.2020 – XIII ZB 15/19, BGHZ 224, 344 = InfAuslR 2020, 242 Rn.19[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 11.01.2018 – V ZB 28/17, InfAuslR 2018, 184 Rn. 10; und vom 23.01.2018 – V ZB 53/17, FGPrax 2018, 135 Rn. 13[↩]
- BGH, Beschluss vom 21.08.2019 – V ZB 174/17 8[↩]
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