Abschiebehaft – und die gescheiterte Abschiebung

Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Eine Haft zur Sicherung der Abschiebung darf nicht aufrecht erhalten werden, wenn sich ergibt, dass eine Zurückschiebung innerhalb des angeordneten Haftzeitraums nicht mehr durchgeführt werden kann1.

Abschiebehaft – und die gescheiterte Abschiebung

Ein die Freiheitsentziehung anordnender Beschluss ist deshalb in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen darauf zu untersuchen, ob der Grund für die Freiheitsentziehung entfallen ist2.

Ergeben sich nach Anordnung der Haft für das Gericht hinreichende Anhaltspunkte, dass die Voraussetzungen der Freiheitsentziehung möglicherweise nicht (mehr) vorliegen, hat es deshalb gemäß § 26 FamFG den Sachverhalt aufzuklären3.

Das gilt auch für das Amtsgericht, das zu prüfen hat, ob es einer Beschwerde des Betroffenen abhilft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG).

Unterlässt es das Gericht, in die gebotene Sachaufklärung einzutreten, verletzt die weitere Freiheitsentziehung den Betroffenen in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 104 GG4.

So ist es hier. Die beteiligte Behörde hat dem Amtsgericht am 27.11.2015 mitgeteilt, dass die Rücküberstellung des Betroffenen am 24.11.2015 gescheitert war. Das Amtsgericht hätte daraufhin die Grundlagen für die Fortdauer der Haft überprüfen müssen. Die Prognose am 27.11.2015 hätte ergeben, dass die Rücküberstellung des Betroffenen nicht mehr innerhalb der bis zum 2.12 2015 befristeten Haftdauer erfolgen konnte. Da sich der Betroffene der Rücküberstellung entzogen hatte, war ein begleiteter Flug zu buchen. Es war abzusehen, dass das in der Kürze der Zeit nicht möglich sein würde. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts werden die Flugbuchungen in Nordrhein-Westfalen durch die Zentralstelle für Flugabschiebungen in Bielefeld durchgeführt. Zwischen Flugbuchung und Überstellungstermin ist eine Zeitspanne von zehn Werktagen einzurechnen, da das Bundesamt die italienischen Behörden von der anstehenden Rückführung in Kenntnis setzen muss.

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Da die Haft nach Art. 28 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung der Sicherung der Rücküberstellung dient, darf sie nicht aufrechterhalten werden, wenn sich im Beschwerdeverfahren ergibt, dass eine Rückführung innerhalb des angeordneten Haftzeitraums nicht mehr durchgeführt werden kann. Eine mögliche, aber (noch) nicht angeordnete Haftverlängerung ist dabei nicht zu berücksichtigen. Die Aufrechterhaltung der angeordneten Sicherungshaft bis zu der Entscheidung über eine Haftverlängerung ist nämlich nicht zulässig. Sie dient dann nicht mehr unmittelbar der Sicherung der Rückführung. Eine nur mittelbare Sicherung dieses Zwecks sieht das Gesetz nicht vor5.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. September 2016 – V ZB 43/16

  1. BGH, Beschluss vom 10.04.2014 – V ZB 110/13 7[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 25.02.2010 – V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 27[]
  3. vgl. Keidel/Budde, FamFG, 17. Aufl., § 426 Rn. 8[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 30.10.2013 – V ZB 69/13, Asylmagazin 2014, 138 Rn. 7; vgl. auch Beschluss vom 25.02.2010 – V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 27[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 10.04.2014 – V ZB 110/13 7 zur Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2 AufenthG; Beschluss vom 21.03.2013 – V ZB 122/12 9 zur Abschiebehaft nach § 62 Abs. 3 AufenthG[]