Abschiebehaft – und die nicht übersetzten Anlagen zum Haftantrag

Der Betroffene kann zwar nach Art. 5 Abs. 2 EMRK verlangen, dass ihm die Gründe für seine Verhaftung in einer ihm verständlichen Sprache mitgeteilt werden. Das bedeutet aber nicht, dass ihm neben dem Haftantrag auch alle Unterlagen übersetzt werden müssten, die die beteiligte Behörde ihrem Antrag beigefügt hat.

Abschiebehaft – und die nicht übersetzten Anlagen zum Haftantrag

Entscheidend ist, ob der Betroffene in der Lage ist, den Haftgrund zu verstehen und seine Rechte zu wahren1.

Deshalb müssen neben dem Haftantrag nur die Unterlagen übersetzt werden, die für die Rechtswahrung des Betroffenen wesentlich sind. Unterlagen, die die Angaben der beteiligten Behörde im Haftantrag nur belegen, aber keine darüber hinausgehenden wesentlichen Angaben enthalten, gehören regelmäßig nicht dazu.

Das Vorgehen im hier entschiedenen Streitfall genügt diesen Anforderungen. Dem Betroffenen wurde der Haftantrag übersetzt, und es wurden, wie sich aus dem Vermerk des Amtsgerichts über die Anhörung des Betroffenen ergibt, mit ihm die wesentlichen Anlagen zum Haftantrag erörtert. Es ist nicht aufgezeigt, dass dem Betroffenen durch die fehlende Übersetzung einzelner Anlagen die Möglichkeit genommen worden wäre, der Haftanordnung entgegenstehende Umstände vorzutragen; solche sind auch nicht ersichtlich.

Auch der Umstand, dass dem Betroffenen im vorliegenden Fall vor der gerichtlichen Anhörung die beiden den Haftantrag ergänzenden Schreiben der beteiligten Behörde nicht ausgehändigt worden sind, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung. Er rügt zwar zu Recht, dass auch Nachträge zu einem Haftantrag dem Betroffenen auszuhändigen sind. Die im Protokoll der Anhörung festgehaltene bloße Bekanntmachung und Erörterung genügt nicht2. Dem einen Schreiben war jedoch nur das Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Dresden zur Erteilung eines generellen Einvernehmens beigefügt, das dem Haftantrag selbst – entgegen dortiger Angabe – nicht beigefügt war. Das zweite Schreiben enthielt Ausführungen zur Konkretisierung des Zielstaates durch das Bundesamt.

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Die in der unterbliebenen Aushändigung eines Nachtrags zu einem Haftantrag liegende Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) führt aber nur dann zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung, wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können3. Dass dies bei Aushändigung der Nachträge hier der Fall gewesen wäre, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. November 2020 –

  1. BGH, Beschluss vom 04.03.2010 – V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 Rn. 17 mwN[]
  2. BGH, Beschluss vom 11.10.2012 – V ZB 274/11, FGPrax 2013, 40 Rn. 7 mwN[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 16.07.2014 – V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 9 ff.; Beschluss vom 07.03.2019 – V ZB 16/18 6; hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.05.2020 – 2 BvR 993/15, 2 BvR 858/16 58[]

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  • Flüchtling im Hamburger Hafen: fsHH