Eine Übertragung der Anhörung des Betroffenen gemäß § 420 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG auf ein Mitglied des Beschwerdegerichts scheidet aus, wenn es auf die Glaubwürdigkeit des Betroffenen und nicht nur auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage ankommt.

Nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist die Anhörung des Betroffenen Aufgabe des „Gerichts.“ Wie diese Aufgabe innerhalb eines aus mehreren Richtern zusammengesetzten Spruchkörpers wahrzunehmen ist, bestimmt sich nach den Vorschriften über die Sachaufklärung (§ 26 FamFG) und hier nach den Vorschriften über die Beweisaufnahme in den §§ 29, 30 FamFG.
Danach erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise in geeigneter Form, wozu auch die Befassung eines Mitgliedes des Spruchkörpers als beauftragter Richter gehört. Nichts anderes ergibt sich, wenn man die Anhörung des Betroffenen als Fall einer im Sinne von § 30 Abs. 2 FamFG vorgeschriebenen förmlichen Beweisaufnahme ansieht.
Eine förmliche Beweisaufnahme hätte gemäß § 30 Abs. 1 FamFG nach den Regeln der Zivilprozessordnung stattzufinden. Diese erlauben sowohl die Vernehmung von Zeugen als auch die Vernehmung von Parteien durch den beauftragten Richter (§ 375 ZPO und § 451 i.V.m. § 375 ZPO).
Voraussetzung ist allerdings (vgl. § 375 Abs. 1a ZPO), dass dies zur Vereinfachung der Verhandlung zweckmäßig erscheint und dass von vornherein anzunehmen ist, dass das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß gewürdigt werden kann1.
Eine Übertragung der Anhörung des Betroffenen gemäß § 420 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG auf ein Mitglied des Beschwerdegerichts ist hiernach nicht zulässig, wenn es auf Glaubwürdigkeit des Betroffenen, d. h. auf seine Persönlichkeit, und nicht nur auf die Glaubhaftigkeit seiner Aussage ankommt2.
Eine sachgerechte Würdigung ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Anhörung scheidet in derartigen Fällen von vornherein aus3.
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall stand im Zeitpunkt der Übertragung der Anhörung auf ein Mitglied der Beschwerdekammer nicht von vornherein fest, dass es auf die Glaubwürdigkeit des Betroffenen ankommen würde. Dies lässt sich insbesondere nicht aus dem vor der Anhörung erteilten Hinweis des Berichterstatters entnehmen, es erscheine fraglich, ob die Einlassung des Betroffenen, er habe sein Gepäck mit dem Pass verloren, widerlegt werden könne.
Das Beschwerdegericht war im hier entschiedenen Fall auch nicht gehalten, die Anhörung in der Spruchbesetzung zu wiederholen. Zu einer solchen Wiederholung besteht zwar Veranlassung, wenn sich die im Zeitpunkt der Übertragung der Anhörung auf den Berichterstatter gestellte Prognose, dass auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Anhörung eine sachgerechte Würdigung des Beweisergebnisses möglich sein werde, beim Abfassen der Entscheidung im Nachhinein als unzutreffend herausstellt4. Dies ist hier aber nicht der Fall. Zwar hält das Beschwerdegericht die Einlassung des Betroffenen, er habe seinen Reisepass verloren, für „nicht glaubwürdig“. Wie sich aus den weiteren Ausführungen aber ergibt, stellt es ausschließlich auf die unterschiedlichen Schilderungen des Verlustes des Reisepasses durch den Betroffenen bei der Polizei einerseits und im Rahmen der Anhörung vor dem beauftragten Richter andererseits ab. Damit zieht es der Sache nach die Glaubhaftigkeit der Aussage des Betroffenen in Zweifel. Für diese Beurteilung bedurfte es eines unmittelbaren Eindrucks von dem Verlauf der Anhörung nicht.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Juli 2017 – V ZB 69/17
- BGH, Beschluss vom 17.06.2010 – V ZB 127/10, NVwZ 2010, 1318 Rn. 13 f.[↩]
- vgl. zu dieser Unterscheidung BGH, Urteil vom 13.03.1991 – IV ZR 74/90, NJW 1991, 3284[↩]
- vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 375 Rn. 1; PG/Trautwein, ZPO, 8. Aufl., § 375 Rn. 4; BeckOK ZPO/Scheuch, 24. Ed. Stand 1.03.2017, ZPO § 375 Rn. 2[↩]
- vgl. BeckOK ZPO/Scheuch, 24. Ed.01.03.2017, ZPO § 375 Rn. 2; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 14. Aufl., § 375 Rn. 2[↩]