Abschiebung eines vor dem EU-Beitritt ausgewiesenen Bulgaren

Die Abschiebung eines vor dem EU-Beitritt Bulgariens ausgewiesenen Bulgaren kann nur nach Prüfung des Freizügigkeitsverlustes erfolgen.

Abschiebung eines vor dem EU-Beitritt ausgewiesenen Bulgaren

Die Ausweisung eines Drittstaatsangehörigen wird mit dem Beitritt des Landes seiner Staatsangehörigkeit zur Europäischen Union nicht unwirksam. Mit Erlangung des Unionsbürgerstatus darf von ihr aber nur Gebrauch gemacht werden, nachdem die Ausländerbehörde in einer rechtsmittelfähigen Entscheidung geprüft hat, ob auch die regelmäßig strengeren Voraussetzungen für eine Beschränkung des Freizügigkeitsrechts vorliegen.

In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall war ein bulgarischer Staatsangehöriger 2005 aus Deutschland ausgewiesen worden. In der Folgezeit reiste er wiederholt in das Bundesgebiet ein und beging Straftaten. Nach dem Beitritt Bulgariens zur EU im Jahre 2007 stellte er einen Antrag auf Befristung des mit der Ausweisung verbundenen gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots, über den die Ausländerbehörde nicht entschied. Stattdessen wurde er im Februar 2010 und nach erneuter Einreise nochmals im Januar 2011 nach Bulgarien abgeschoben. Mit Leistungsbescheid vom Februar 2011 setzte die Ausländerbehörde die vom Kläger zu tragenden Kosten für die beiden Abschiebungen auf insgesamt 4.764, 54 € fest.

Die hiergegen erhobene Klage hatte in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht München teilweise Erfolg1. Auf die Berufung des Bulgaren, die nur einen Teil der anlässlich der zweiten Abschiebung entstandenen Abschiebungshaftkosten betraf, hob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Leistungsbescheid auch insoweit auf2. Es begründete seine Entscheidung u.a. damit, dass der bulgarische Staatsanghörige 2007 mit dem Beitritt Bulgariens zur EU den Status eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers erlangt habe und die gegen ihn verfügte Ausweisung seitdem keine Rechtswirkungen mehr entfalte.

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Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Ergebnis bestätigt. Allerdings ist die nach den für Drittstaatsangehörige geltenden Vorschriften ausgesprochene Ausweisung des Bulgaren entgegen der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit dem Beitritt Bulgariens zur EU nicht unwirksam geworden. Zwar kann ein Unionsbürger nicht mehr ausgewiesen werden. Die bei Unionsbürgern an die Stelle der Ausweisung getretene Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts (Verlustfeststellung) dient aber wie die Ausweisung der Gefahrenabwehr und hat ebenfalls ein gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot zur Folge. Aufgrund dieser Übereinstimmungen im Zweck und in den Rechtswirkungen wurde die Ausweisung mit Erlangung des Unionsbürgerstatus nicht wirkungslos und steht im Anwendungsbereich des § 11 Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU – einer Verlustfeststellung gleich. Damit finden die Vorschriften im Aufenthaltsgesetz über die Inhaftnahme eines Ausländers zur Sicherung einer Abschiebung und seine Haftung für die Kosten einer Abschiebung auf den Bulgaren als Unionsbürger Anwendung. Nach diesen Vorschriften haftet ein Ausländer für die Kosten einer Abschiebung aber nur, wenn die zu ihrer Durchsetzung ergriffenen Amtshandlungen und Maßnahmen ihn nicht in seinen Rechten verletzen. Danach waren hier die Abschiebungen rechtswidrig. Da der Bulgare mit dem Beitritt Bulgariens den Status eines Unionsbürgers erlangt hat, hätte die Ausländerbehörde, bevor sie ihn wegen des mit der Ausweisung kraft Gesetzes verbundenen Einreise- und Aufenthaltsverbots abschiebt, zunächst im Wege einer rechtsmittelfähigen Entscheidung klären müssen, ob auch die regelmäßig strengeren Voraussetzungen für eine Beschränkung seines Freizügigkeitsrechts als Unionsbürger vorliegen. Diese Entscheidung muss nicht zwingend in Form einer Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG/EU ergehen. Sie kann auch im Rahmen einer Befristungsentscheidung nach § 7 Abs. 2 FreizügG/EU erfolgen. Ohne eine solche Entscheidung durfte der Bulgare nicht abgeschoben werden und haftet damit auch nicht für die noch im Streit befindlichen Abschiebungskosten.

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Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 1 C 13.16

  1. VG München, Urteil vom 28.07.2011 – M 12 K 11.1363[]
  2. BayVGH, Urteil vom 25.11.2015 – 10 B 13.2080[]