Abschiebungsanordnung gegen einen radikal-islamistischen Gefährder – und die Regelung der Vollziehung

Ein allein auf einer Anordnung des Gesetzgebers beruhendes Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 11 Abs. 1 AufenthG) steht jedenfalls, soweit es an eine Abschiebung anknüpft, nicht im Einklang mit der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) und ist als solches unwirksam. Behördliche Befristungsentscheidungen eines vermeintlich kraft Gesetzes eintretenden Einreiseverbots können regelmäßig dahin verstanden werden, dass damit ein Einreiseverbot von bestimmter Dauer angeordnet wird.

Abschiebungsanordnung gegen einen radikal-islamistischen Gefährder – und die Regelung der Vollziehung

§ 58a AufenthG ist formell und materiell verfassungsgemäß1.

Für eine auf Tatsachen gestützte Gefahrenprognose im Sinne des § 58a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bedarf es keiner konkreten Gefahr im Sinne des Polizeirechts, vielmehr genügt auf der Grundlage einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage eine vom Ausländer ausgehende Bedrohungssituation im Sinne eines beachtlichen Risikos, das sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete Gefahr umschlagen kann2.

Mit dieser Begründung hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht den Antrag eines russischen Staatsangehörigen auf vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Anordnung seiner Abschiebung in die Russische Föderation abewiesen.

Der Antrag des Ausländers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung der Antragsgegnerin vom 13.03.2017 anzuordnen, ist zulässig (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO), auch ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache zuständig (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Für den zusätzlichen Antrag festzustellen, dass die Abschiebungsanordnung wegen eines in der Person des Ausländers liegenden zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG nicht vollzogen werden darf, besteht demgegenüber im Eilverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis. Bei Vorliegen eines derartigen Abschiebungsverbots wäre dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben und der Ausländer dadurch vorläufig ausreichend geschützt.

Der Antrag ist aber unbegründet. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Interesse des Ausländers, bis zum Abschluss des Klageverfahrens in Deutschland zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung überwiegt das öffentliche Interesse. An der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsanordnung bestehen keine ernstlichen Zweifel. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, die einer Abschiebung des Ausländers in die Russische Föderation entgegenstehen könnten, liegen nicht vor, soweit der Ausländer nicht in den Nordkaukasus (insbesondere nach Dagestan) abgeschoben wird.

An der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsanordnung bestehen keine ernstlichen Zweifel. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen.

Diese Regelung ist – wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 21.03.2017 im Einzelnen dargelegt hat – formell und materiell verfassungsgemäß3. Die hiergegen erhobenen Einwände des Ausländers geben keinen Anlass, von dieser Bewertung abzurücken. Ein evidenter Fehler des Gesetzgebungsverfahrens, der zur Nichtigkeit der Norm führen würde, liegt auch unter Berücksichtigung der vom Ausländer hervorgehobenen Besonderheiten der Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht vor. Die gegen die materielle Verfassungsmäßigkeit der Norm erhobenen Bedenken greifen ebenfalls nicht durch. Der Gefahrenbegriff und die geschützten Rechtsgüter des § 58a AufenthG sind in der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 21.03.20174 hinreichend konturiert. Gegen die Konkretisierung der Eingriffsschwelle durch das Bundesverwaltungsgericht5 bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit keine Bedenken. Entgegen der Auffassung des Ausländers ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber eine terroristische Gefahr bzw. eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zum Anlass für eine – im Vergleich zur Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG, die in einem weiteren Schritt zu vollziehen ist – in den Rechtsfolgen einschneidendere und in einem verkürzten Verfahren mit formellen Rechtsschutzeinschränkungen zu erlassende Abschiebungsanordnung genommen hat, die aber eine Gewährung effektiven, auch in der Sache wirksamen Rechtsschutz nicht beeinträchtigen. Die Dimension insbesondere terroristischer Gefahren übersteigt bei typisierender Betrachtung diejenige der in den §§ 53, 54 AufenthG erfassten Ausweisungsgründe. Dass einzelne schwere Ausweisungsgründe auf vergleichbare Gefahren zugeschnitten sind (etwa § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), hindert den Gesetzgeber nicht, zu deren Abwehr bei erkanntem Bedarf ein zusätzliches effektiveres Instrumentarium zu schaffen. Die Tatbestände des § 54 AufenthG setzen im Übrigen anders als § 58a AufenthG nicht zwingend die Gefahr voraus, dass der Ausländer selbst eine schwere terroristische Gewalttat begeht, sondern greifen schon bei Unterstützertätigkeiten auch finanzieller Art6 oder verbalen Aufrufen zu Gewalttätigkeiten oder Hass ein.

Straftaten mit dem Gepräge des Terrorismus zielen auf eine Destabilisierung des Gemeinwesens und umfassen hierbei in rücksichtsloser Instrumentalisierung anderer Menschen für politische oder ideologische Zwecke Angriffe auf Leib und Leben beliebiger Dritter. Sie richten sich gegen die Grundpfeiler der verfassungsrechtlichen Ordnung und das Gemeinwesen als Ganzes7. Eingriffsmaßnahmen bei terroristischen Straftaten, die oft durch lang geplante Taten von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, können daher schon dann erlaubt werden, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird8.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 58a AufenthG bestehen auch nicht deshalb, weil die Vorschrift anders als § 53 AufenthG n.F. (Ausweisung) keine Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Tatbestandsebene enthält, sondern als Ermessensentscheidung ausgestaltet ist. Entgegen der Auffassung des Ausländers ist dies nicht mit einer Verkürzung des Rechtsschutzes verbunden. Denn die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ist auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung voll gerichtlich zu überprüfen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stellt bei der Ermessensausübung für die Behörde eine gesetzliche Ermessensgrenze dar, deren Überschreiten der gerichtlichen Überprüfung nach § 114 Satz 1 VwGO unterliegt9.

Die angegriffene Abschiebungsanordnung ist bei der hier gebotenen umfassenden Prüfung10 nicht zu beanstanden.

Der formellen Rechtmäßigkeit steht nicht entgegen, dass der Ausländer vor Erlass der Verfügung möglicherweise nicht hinreichend angehört worden ist.

Nach nationalem Verfahrensrecht war eine Anhörung hier entbehrlich.

§ 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor noch verbietet er eine solche, so dass § 28 BremVwVfG anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 28 Abs. 2 BremVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, etwa wenn Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen (Nr. 5) oder wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1). Es kann offenbleiben, ob vor der Übergabe der Abschiebungsanordnung eine hinreichende Anhörung durch die für deren Erlass zuständige Behörde stattgefunden hat; denn jedenfalls durfte hier auf eine Anhörung zwar nicht nach § 28 Abs. 2 Nr. 5 BremVwVfG, wohl aber nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 BremVwVfG verzichtet werden.

Eine Anhörung war nicht schon nach § 28 Abs. 2 Nr. 5 BremVwVfG entbehrlich. Denn eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist keine Maßnahme allein der Verwaltungsvollstreckung im Sinne dieser Regelung. Sie birgt materiellrechtliche Elemente eines Grundverwaltungsakts, weil sie zugleich auch zum Erlöschen des Aufenthaltstitels (§ 51 Abs. 1 Nr. 5a AufenthG) führt, der die gesetzliche Ausreisepflicht (§ 50 Abs. 1 AufenthG) erst bewirkt11. Mit ihrem Erlass wird somit in einem verkürzten Verfahren uno actu zunächst wie mit einer Ausweisung der legale Aufenthalt beendet und zugleich die Abschiebung als Vollstreckungsmaßnahme angeordnet, was verwaltungsvollstreckungsrechtlich der Festsetzung eines Zwangsmittels entspricht. Die Abschiebungsanordnung bildet mithin zum einen eine notwendige Voraussetzung und Grundlage für die Verwaltungsvollstreckung12, zum anderen leitet sie diese Vollstreckung bereits ein.

Von einer Anhörung konnte hier indes abgesehen werden, weil eine sofortige Entscheidung zumindest im öffentlichen Interesse notwendig war (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 BremVwVfG). § 58a AufenthG zielt auf die Bewältigung von beachtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen „Vorwarnung“ bestünde regelmäßig die Gefahr, dass sich der Betroffene durch Untertauchen der Abschiebung entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt. Der Gesetzgeber selbst anerkennt dies in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG, nach dem ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen ist, wenn eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann; auch ist bei einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige Ausreise nicht zu ermöglichen. Unabhängig davon war eine sofortige Entscheidung auch deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil vom Ausländer eine terroristische Gefahr ausgeht, die sich jederzeit aktualisieren kann. Die Anordnung von Abschiebungshaft ist erst möglich, wenn die Abschiebungsanordnung bereits ergangen ist (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG). Besondere, atypische Umstände, die hier vor Erlass der Abschiebungsanordnung eine umfassende Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, liegen nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Ausländers ist das Vorgehen der Behörde auch mit den Vorgaben des Unionsrechts, wie sie vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG zu beachten sind, vereinbar.

Die Richtlinie 2008/115/EG enthält selbst nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts13. Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Werden – wie hier – mit der Beendigung der Legalität des Aufenthalts, die die Verpflichtung zum Verlassen Deutschlands begründet (§ 51 Abs. 1 Nr. 5a i.V.m. § 50 Abs. 1 AufenthG), der Rückkehrentscheidung und der Entscheidung über die Abschiebung drei verschiedene Regelungen in einer Entscheidung zusammengefasst (zur Zulässigkeit dieses Vorgehens vgl. Art. 6 Abs. 6 Richtlinie 2008/115/EG), muss dem Betroffenen nicht ermöglicht werden, speziell und gesondert zur Rückkehrentscheidung Stellung zu nehmen. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Betroffene die Möglichkeit hatte, seinen Standpunkt zur Rechtswidrigkeit seines Aufenthalts und solche Gründe sachdienlich und wirksam vorzutragen, die es nach dem nationalen Recht rechtfertigen können, dass die Behörde vom Erlass einer Rückkehrentscheidung absieht14.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet15. Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen16.

Danach bedurfte es hier auch unionsrechtlich nicht zwingend einer Anhörung des Ausländers vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Mit der grundsätzlichen Entbehrlichkeit einer Anhörung vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG wird u.a. bezweckt zu verhindern, dass sich die vorausgesetzte besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr (die hier auch tatsächlich besteht, s.u.), in der Zwischenzeit realisiert. Dies wäre bei Durchführung einer vorherigen Anhörung durch die zuständige Behörde wie oben ausgeführt nicht hinreichend sicher gewährleistet.

Dahinstehen kann, ob angesichts des Gewichts des mit einer kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung einhergehenden Grundrechtseingriffes und zur Wahrung der Verteidigungsrechte des Ausländers eine Anhörung zwar nicht zwingend vor, aber zumindest im zeitlichen Zusammenhang mit der Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung durchgeführt werden muss, um auf diese Weise sicherzustellen, dass berechtigte Einwände des Ausländers der Erlassbehörde zeitnah zur Kenntnis gebracht werden und sie so gezwungen wird, ihre Verfügung umgehend einer ergebnisoffenen Überprüfung zu unterziehen und zu entscheiden, ob sie weiterhin an der Abschiebungsanordnung festhält, diese aufhebt oder ihre Ermessenserwägungen sachgerecht ergänzt. In diesem Sinne ist dem Ausländer hier Gelegenheit gegeben worden, zu der Abschiebungsanordnung und ihrem Vollzug Stellung zu nehmen. Denn er ist anlässlich seiner Inhaftnahme dem Migrationsamt vorgeführt worden, das ihm in Verwaltungshilfe für das Bundesverwaltungsgerichtor für Inneres vor Aushändigung der Verfügung Gelegenheit gegeben hat, sich zu den beabsichtigten Maßnahmen zu äußern. Dabei hat der Ausländer allerdings keine substantiierten Einwände erhoben, die in der Verfügung noch nicht hinreichend berücksichtigt waren und dem Bundesverwaltungsgerichtor Anlass zu einer Überprüfung seiner Entscheidung hätten geben können.

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Die Verfügung ist auch materiell nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist gegenüber der Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr.

Der Begriff der „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ ist – wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein17. In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates18.

Der Begriff der „terroristischen Gefahr“ knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11.09.2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die – völkerrechtlich geächtete – Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 09.12 199919, aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr.2002/475/JI vom 13.06.200220 sowie dem gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr.2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27.12 200121 gewonnen werden22. Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden23. Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen24. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder „Szeneeinbindungen“, die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind.

Das Erfordernis einer „besonderen“ Gefahr bei der ersten Alternative bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit25. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen26. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt27. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im „politischen/ideologischen Kampf“ die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat.

Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen28.

Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten29, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen von 11.09.2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mit Hilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird30.

Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt31.

Für diese „Gefahrenprognose“ bedarf es – wie bei jeder Prognose – zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen32. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik umschlagen kann.

Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in „religiösen“ Fragen regelmäßig austauscht.

Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung – wie jede andere staatliche Stelle – an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art.20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art.19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle33. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde.

Im hier vom Bundesverwaltuangsgericht entschiedenen Fall rechtfertigte das bisherige Verhalten des Gefährders die Bewertung, das von ihm ein beachtliches Risiko ausgeht, dass er einen terroristischen Anschlag begeht oder sich an einem solchen beteiligt, bei dem Unbeteiligte ums Leben kämen. Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden ist er der radikal-islamistischen Szene in Deutschland zuzurechnen und pflegt Kontakte mit Personen aus diesem Umfeld. Er sympathisiert mit der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ sowie deren Märtyrerideologie und billigt die Anwendung von Gewalt bis hin zur Tötung von Menschen unter bestimmten, selbstdefinierten Voraussetzungen. Die von ihm gemachten Einschränkungen (keine Zivilisten / unschuldigen Menschen) schließen zum einen terroristische Anschläge, etwa auf Soldatenstützpunkte oder Justizgebäude, nicht aus. Zum anderen sind sie nicht ohne Weiteres glaubhaft, weil der Ausländer in dem erwähnten Chat mit der „C. U.“ genannten Person auch geäußert hat, er wisse, wo sich in Bremen „viele Menschen“ oder eine „Kurdendemo“ befänden. Auch der M. wollte nach Angaben des Ausländers einen Anschlag auf Zivilisten planen; hierzu erklärte sich der Ausländer ohne Einschränkungen bereit. Warum er in diesem Zusammenhang nicht widersprach, wenn er dies eigentlich nicht billigte, konnte er nicht erklären. Die Schädigung auch und vor allem von Zivilisten entspricht im Übrigen dem typischen Bild der in den letzten Jahren in Europa verübten, dem „IS“ zugerechneten Terroranschläge. Dies ist auch dem Ausländer bekannt, auf dessen Smartphone u.a. Bildmaterial zu dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz aufgefunden worden ist. Seine Hinwendung zu einer gewaltbejahenden, jihadistischen Ausrichtung des Salafismus kommt schließlich in der von ihm ins Internet gestellten Fake-News zum Ausdruck, in der er offen zum Jihad aufruft: „Wenn ihr schon nicht auswandert und kämpft, dann macht es hier. Allah gibt euch die Möglichkeit, den Jihad auch hier zu führen“. Sie wird weiter bestätigt durch die Menge und insbesondere den Inhalt des auf seinem Smartphone aufgefundenen „IS“-Propagandamaterials. Inwieweit er dieses bereits angesehen hat, spielt dabei keine Rolle. Denn jedenfalls ist davon auszugehen, dass er im Wesentlichen wusste, was er dort herunterlud, und die Dateien irgendwann auch ansehen wollte. Der Einwand, kriminologisch bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum medialer Gewalt und deren Anwendung in der außervirtuellen Realität, führt ebenso wenig zu einer günstigeren Prognose wie der Umstand, dass nicht alles, was der Ausländer im Internet gepostet hat, eine Entsprechung in der Realität hat. Denn die im Verhalten des Ausländers jedenfalls nicht nur punktuell oder vorübergehend zum Ausdruck kommende gewaltbejahende Haltung ist vorliegend nur ein Element im Rahmen einer vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen umfassenden Persönlichkeitsbewertung.

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Der Ausländer hat sich auch nicht nur passiv abwartend verhalten oder auf Anstöße Dritter lediglich positiv reagiert. Er hat vielmehr eigenen Angaben zufolge bereits mehrere andere Personen gefragt, ob sie sich an einem Anschlag beteiligen würden. Nicht zuletzt das Herunterladen einer konkreten Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Bau einer Splitterbombe mit einfachen Mitteln dokumentiert, dass der Ausländer ernsthaft mit dem Gedanken eines Anschlags spielt. Dies bestätigte er in dem aus der Abschiebehaft heraus gegebenen Interview, in dem er angesprochen auf das Bombenbau-Video erklärte, dieses aus Interesse heruntergeladen zu haben.

Die Einschätzung, dass ein Terroranschlag unter Beteiligung des Ausländers in überschaubarer Zukunft hinreichend wahrscheinlich ist, wird auch durch die von ihm selbst gegenüber verschiedenen Adressaten (Schule, Polizei) geäußerten Suizidgedanken bestätigt. Seine spätere Distanzierung hiervon rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil sie Ausdruck der vielfältigen Stimmungs- und Meinungsschwankungen des Ausländers und im Übrigen nicht glaubhaft ist.

Gegen eine vom Ausländer ausgehende Gefahr eines Terroranschlags spricht auch nicht, dass er immer wieder betont, ein Selbstmord sei mit seinem Glauben nicht zu vereinbaren. Selbst wenn man die Glaubensüberzeugung als verfestigte annimmt, hindert dies nicht die Begehung eines Anschlags, bei dem er in Kauf nimmt, selbst getötet zu werden („Also einfach laufen und schießen und erschossen werden“).

Bei der Gefährdungseinschätzung ist weiter zu berücksichtigen, dass der Ausländer als naiv, leicht beeinflussbar und seine Meinungen rasch ändernd beschrieben wird, was durch zahlreiche seiner Aussagen bestätigt wird. Soweit er durch seine bei Anhörungen und Vernehmungen und in den in der Haft verfassten Briefen getätigten Aussagen den Eindruck vermittelt, einem „friedlichen“ Zweig des Salafismus zuzuneigen, wonach ein Selbstmordanschlag verboten sei, und denjenigen „Gelehrten“ zu vertrauen, die dies ablehnen, handelt es sich erkennbar auch um verfahrensangepassten Vortrag. Überdies weist es nicht auf eine hinreichend gefestigte Meinungs- und Einstellungsänderung, weil an anderer Stelle angegeben wird, er sei ein „Suchender“ und wisse „ehrlich nicht, was genau mein Ziel ist. Ich bin mit meinem Glauben noch nicht so weit“34. Er oszilliert zwischen einer gemäßigten und einer klar jihadistischen Ausrichtung seiner religiösen Vorstellungen jedenfalls verbal hin und her und hat auch für letztere deutliche Sympathien gezeigt.

Angesichts seiner von vielen Beobachtern – darunter auch seiner Mutter – beschriebenen Leichtgläubigkeit und Beeinflussbarkeit brauchte es nach der Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts selbst dann, wenn er derzeit von der Begehung eines Terroranschlags noch nicht überzeugt sein sollte, nur eines geringen Anstoßes durch „Freunde“ bzw. „IS“-Kontakte, um ihn zu einem solchen Schritt zu bewegen. Dazu kann etwa ausreichen, dass ihn jemand davon überzeugt, Deutschland sei ein Land, das die Muslime „angreift“. Von eben dieser Ideologie gehen seiner Meinung nach die „Hassprediger, die zum IS aufrufen“, aus, und er räumt in einem handschriftlichen Brief ein, diesen bis vor kurzem auch gefolgt zu sein.

Für eine weiter fortschreitende Empfänglichkeit für radikales Gedankengut und eine dieses umsetzende Gewaltbereitschaft spricht auch, dass der Ausländer in den radikal-salafistischen Kreisen eine Aufwertung und ein Gefühl des Dazugehörens erfährt, die ihm im sonstigen Leben angesichts weitgehenden schulischen Versagens und den daraus resultierenden Konflikten mit seinen Eltern nicht zuteil werden. Zahlreiche Einschätzungen etwa von Lehr- und Betreuungspersonen, Polizeibeamten sowie des Pflegepersonals im Klinikum weisen auf eine schwierige Zukunftsperspektive hin. So hat etwa ein Polizeibeamter seine Eindrücke dahin geschildert, dass sich die Interessen des Ausländers ganz auf den Islam fokussierten. Ebenso wenig kann darauf vertraut werden, dass eine stabile Beziehung zu seiner Freundin/islamisch angetrauten Ehefrau im Ernstfall geeignet sein könnte, ihn von der Begehung eines Terroranschlags abzuhalten. Diese bewegt sich in den gleichen islamistischen Kreisen wie der Ausländer.

Aus den vorstehend genannten Gründen hält das Bundesverwaltungsgericht es – tatsachengestützt – für hinreichend wahrscheinlich, dass der Ausländer in überschaubarer Zukunft einen – ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen – Terroranschlag in Deutschland begeht, bei dem auch Unbeteiligte ums Leben kommen. Die von ihm ausgehende Bedrohungssituation kann sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik umschlagen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass auch andere Deutungen der festgestellten Tatsachen und Äußerungen möglich sind. So lässt sich nicht ausschließen, dass der Ausländer zu einem solchen Anschlag, bei dem er auch sein Leben aufs Spiel setzen würde, in letzter Konsequenz nicht bereit wäre und bei einem Konkretwerden entsprechender Planungen durch andere Beteiligte einen Rückzieher machen würde; eine mögliche Deutung ist – zumal in Ansehung des Alters und des Entwicklungsstandes des Ausländers, dass die – dann vorgegebene – Bereitschaft zu derartigen „Operationen“ allein durch Prahlerei, Neugier, ein jugendtypisches Ausloten von Grenzen oder das Genießen der in den entsprechenden Kreisen erfahrenen Aufwertung und Anerkennung zu erklären ist. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass der Ausländer mangels Kontakten zu ernsthaft anschlagsbereiten und -fähigen Personen in überschaubarer Zukunft keine Gelegenheit für die Realisierung eines Anschlagsvorhabens, zu der er kaum allein in der Lage sein dürfte, haben wird. Die für einen in überschaubarer Zukunft drohenden Terroranschlag sprechenden tatsächlichen Anhaltspunkte und Gründe sind aber mindestens ebenso gewichtig wie die möglicherweise für eine gegenteilige Prognose sprechenden Gründe. Dies reicht nach den oben dargelegten Maßstäben für das im Rahmen von § 58a AufenthG erforderliche, aber auch ausreichende beachtliche Risiko aus.

Das Bundesverwaltungsgericht kann zu dieser bewertenden Gesamtschau gelangen, ohne auf das vom Bundeskriminalamt entwickelte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos – islamistischer Terrorismus35) oder vergleichbare Instrumente zur Risiko- bzw. Gefährlichkeitseinschätzung36 zurückgreifen zu müssen. Derartige Instrumente können bei Beachtung ihrer methodischen Anwendungsvoraussetzungen und unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aussagekraft für eine erste Risikoeinschätzung nützlich und hilfreich sein und etwa die sicherheitsbehördliche Entscheidung über das Ob und den Umfang zu treffender Maßnahmen unterstützen; es handelt sich aber nicht um Instrumente, deren Einsatz notwendige Voraussetzung der gebotenen gerichtlichen Gesamtschau sind.

Anders als der Ausländer meint, bedarf es für diese – auf einer breiten Tatsachengrundlage beruhende – Gesamtschau nicht der Einholung eines konkret auf die Gefahreneinschätzung im Sinne des § 58a AufenthG bezogenen Sachverständigengutachtens. Im Gegensatz zur Sicherungsverwahrung hat der Gesetzgeber vor dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG die vorherige Einholung eines Gutachtens nicht vorgesehen. Ein solches ist auch nicht von Verfassungs wegen erforderlich. Mit einer Abschiebungsanordnung steht zwar ebenfalls ein schwerwiegender Grundrechtseingriff in Rede, die Auswirkungen einer langfristigen Freiheitsentziehung auf die selbstbestimmte Lebensführung des Betroffenen sind im Vergleich dazu aber noch gewichtiger. Bei Ausweisungen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die Behörde bzw. das Gericht die Gefahrenprognose aus eigener Kompetenz treffen können, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung bestehen37. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung ist hier zuletzt mit forensisch-psychiatrischer Stellungnahme zur Frage der Haftfähigkeit vom 04.05.201738 verneint worden. Der Gutachter Dr. K. hatte eine definierte psychiatrische Störung zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ebenfalls nicht erkennen können, wenngleich ihm eine gesicherte psychiatrische Diagnosestellung nicht möglich war.

Die Abschiebungsanordnung ist als Rückkehrentscheidung mit der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger39 zu vereinbaren. Insbesondere musste dem Ausländer keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt werden, da von ihm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die nationale Sicherheit ausgeht (Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/115/EG). Dem steht nicht die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entgegen, wonach nicht automatisch auf normativem Weg oder durch die Praxis davon abgesehen werden darf, eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, wenn die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt40. Denn in den Fällen des § 58a AufenthG liegt bereits in der einzelfallbezogenen Prüfung und Feststellung des Tatbestandes die vom Gerichtshof der Europäischen Union41 verlangte einzelfallbezogene Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des betreffenden Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, die so gravierend ist, dass von einer Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise ganz abgesehen werden muss.

Ob und inwieweit die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, wonach das mit der Abschiebung nach § 11 Abs. 1 AufenthG kraft Gesetzes verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht befristet werden kann, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, mit Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2008/115/EG zu vereinbaren ist, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Entscheidung. Allein aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der Richtlinie jedenfalls, soweit es an eine Abschiebung anknüpft, schon nicht wirksam eintreten; vielmehr bedarf es dafür einer behördlichen Entscheidung.

Die Richtlinie definiert das Einreiseverbot, das bei Fehlen einer Frist für eine freiwillige Ausreise mit einer Rückkehrentscheidung gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2008/115/EG obligatorisch einhergeht, als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht“ (Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG). Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsbehelf zu ermöglichen, über den auch belehrt werden muss (Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG). Eine damit geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer wird in unionsrechtskonformer Auslegung des Aufenthaltsgesetzes regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG gesehen werden können. Im vorliegenden Fall ist eine behördliche Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots und dessen Dauer indes bisher nicht erfolgt. In der angefochtenen Verfügung ist lediglich unter „Hinweise“ vermerkt: „Im Falle einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erfolgt gemäß § 11 Absatz 5 Satz 1 AufenthG keine Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes“. Dies ist – wie auch das Fehlen einer auf ein Einreiseverbot bezogenen Rechtsbehelfsbelehrung verdeutlicht – keine behördliche Einzelfallentscheidung, sondern lediglich ein (aufgrund des Auslassens von § 11 Abs. 5 Satz 2 AufenthG überdies unvollständiger) Hinweis auf die – nicht am Maßstab des Unionsrechts überprüfte – deutsche Rechtslage. Ob § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AufenthG in Fällen des § 58a AufenthG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die behördliche Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots darstellt und dieses in unionsrechtskonformer Weise ggf. auch unbefristet angeordnet werden darf, lässt das Bundesverwaltungsgericht ebenso offen wie die Frage, ob sich die Zuständigkeit der obersten Landesbehörde für den Erlass der Abschiebungsanordnung hierauf erstreckt. Das Fehlen einer Einzelfallentscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Dauer beschwert den Ausländer nicht und kann daher auch nicht zur Rechtswidrigkeit oder mangelnden Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung führen. Das Bundesverwaltungsgericht folgt nicht der Auffassung, wonach ein wirksames Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebung allein aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 11 Abs. 1 AufenthG entsteht, eine Abschiebung aber rechtswidrig ist, wenn nicht vor ihrem Vollzug eine Einzelfallentscheidung über die Dauer des Verbots getroffen wurde42.

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Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht ermessensfehlerhaft und insbesondere verhältnismäßig. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der vom Ausländer ausgehenden terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst als dessen Interesse am Verbleib in Deutschland. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen43.

Mildere, zur Gefahrenabwehr gleich geeignete Mittel sind nicht verfügbar. Eine stationäre, geschlossene Jugendhilfemaßnahme von zumindest einem halben Jahr, die der Sachverständige Dr. K. als die am besten geeignete Maßnahme bezeichnet hat, um das Wohl des Ausländers und der Allgemeinheit zu sichern, scheitert an der seit Volljährigkeit erforderlichen Zustimmung des Ausländers, die dieser ungeachtet seiner Bereitschaft, an anderweitigen Maßnahmen mitzuwirken, gerade nicht erteilt hat. Auch im Verlauf des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens ist diese Entscheidung – trotz Hinweises der Antragsgegnerin – nicht revidiert worden. Auf die Frage, ob ausreichende Bemühungen entfaltet worden sind, einen entsprechenden Platz für den Ausländer zu finden, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Die Unterbringung in einer offenen Jugendhilfeeinrichtung ist zu einer effektiven Abwehr der in Deutschland drohenden Anschlagsgefahren demgegenüber nicht gleich geeignet wie eine Abschiebung in die Russische Föderation. Gleiches gilt umso mehr für ambulante Maßnahmen der Betreuung, etwa durch die „k.“, die schon in der Vergangenheit eine fortschreitende Radikalisierung des Ausländers nicht verhindern konnten.

Polizeirechtliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr hat die Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei als nicht hinreichend effektiv angesehen. Auf wiederholte Gefährderansprachen hat der Ausländer nicht reagiert. Die vom AG Bremen durch Beschlüsse vom 17.01.2017 (nicht umgesetzt aufgrund der Unterbringung des Ausländers); und vom 27.02.2017 auf Antrag der Polizei jeweils für einen Monat getroffenen Anordnungen längerfristiger verdeckter Observation nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 BremPolG44 sind nicht gleichermaßen geeignet wie eine Abschiebung, eine Realisierung der vom Ausländer ausgehenden terroristischen Gefahr in Deutschland zu verhindern. Nichts anderes gilt für denkbare andere polizeirechtliche Maßnahmen wie die elektronische Fußfessel, eine Überwachung der Internetkommunikation oder gar die dem Ausländer durch Verfügung vom 24.02.2017 auferlegte Meldepflicht45.

Die Abschiebungsanordnung erweist sich auch im Übrigen als verhältnismäßig und mit Art. 8 EMRK vereinbar. Die oberste Landesbehörde hat bei ihrer Entscheidung gewürdigt, dass sich der Ausländer seit fünfzehn Jahren im Bundesgebiet aufhält und somit faktischer Inländer ist, den Hauptschulabschluss erlangt hat, bis zu seiner Verhaftung weiter die Schule besuchte und über soziale Bindungen an Eltern und Geschwister verfügt, in deren Haushalt er lebt, sowie an Freunde und die nach religiösem Ritus angetraute deutsche Ehefrau, die in einem getrennten Haushalt lebt. Dabei ist die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen, dass die Ehe jedoch nicht dem Schutz des Art. 6 GG unterfällt46. Im Übrigen ist diese Beziehung nach den Angaben im Schriftsatz des Ausländers vom 11.06.2017 zwischenzeitlich beendet und kann einer Abschiebung schon deshalb nicht mehr entgegenstehen. Trotz der vorhandenen Bindungen ist die beabsichtigte Aufenthaltsbeendigung unter den hier gegebenen Umständen auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig.

Eine Integration in die Lebensverhältnisse seines Herkunftslandes ist dem Ausländer auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen Schwierigkeiten möglich und zumutbar. Mit der Antragsgegnerin ist dabei davon auszugehen, dass der Ausländer zumindest über einfache russische Sprachkenntnisse verfügt, da er in einem russischen Haushalt aufgewachsen ist; auch hat seine Mutter bei Befragungen durch die Polizei stets Russisch gesprochen. Den Besitz grundlegender Russischkenntnisse hat der Ausländer mit der schlichten Behauptung, er sei lediglich der kumykischen, nicht aber der russischen Sprache mächtig, nicht substantiiert in Abrede gestellt. Die Abschiebung ist nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Ausländer wegen der ihm dort drohenden Gefahren nicht in seine Herkunftsregion Dagestan zurückkehren kann. Auch ohne die Unterstützung durch Verwandte oder Bekannte, die die Integration in die russischen Lebensverhältnisse zweifellos erleichtern würde, ist es dem volljährigen und arbeitsfähigen Ausländer zuzumuten, sich in der Russischen Föderation eine Existenz aufzubauen. Daran ändert der Umstand nichts, dass er von seiner Persönlichkeitsentwicklung und Reife noch einem Jugendlichen entsprechen mag. Dies bedeutet nicht, dass ihm ein Leben ohne familiäre Unterstützung unter Berücksichtigung der hier bestehenden hohen Zumutbarkeitsschwelle nicht möglich ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er die einzige Maßnahme der Jugendhilfe – eine solche stationärer Art, die mit Aussicht auf Erfolg erzieherisch auf ihn hätte einwirken können, abgelehnt hat.

Angesichts der vom Ausländer ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags führt es nicht zur Unverhältnismäßigkeit der verfügten Aufenthaltsbeendigung und ihres sofortigen Vollzugs, dass die oberste Landesbehörde den privaten und familiären Belangen nicht den Vorzug gegeben hat.

Soweit die Antragsgegnerin ihrer Ermessensentscheidung darüber hinaus – offensichtlich ausgehend von einer Rückkehr nach Dagestan – zugrunde gelegt hat, der Ausländer werde bei seinem Einleben durch Verwandte, zu denen die Familie Kontakt habe, unterstützt, führt ein etwa hierin liegender Ermessensfehler, soweit er auf die Ermessensbetätigung insgesamt durchschlüge, jedenfalls nicht zur unheilbaren Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung, sondern kann im Verlauf des Hauptsacheverfahrens ohne Weiteres noch durch ergänzende Ermessenserwägungen korrigiert werden (§ 114 Satz 2 VwGO) und rechtfertigte hier nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung.

Ohne Erfolg rügt der Ausländer, die Antragsgegnerin habe sich nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die von ihm innegehabte Aufenthaltserlaubnis auf § 25 Abs. 5 AufenthG beruhe; sie habe insbesondere nicht mitgeteilt, welches Abschiebungshindernis mit Erlass der Abschiebungsanordnung weggefallen sein solle. Dies begründet keinen Ermessensfehler, zumal der Ausländer nicht mitteilt, auf welches – vorliegend nicht geprüftes – Abschiebungshindernis er sich mit diesem Vortrag berufen will.

Die Abschiebungsanordnung ist schließlich nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Abschiebung von Terrorverdächtigen das internationale Ansehen Deutschlands schädigen würde. Die Auswirkungen derartiger Abschiebungsanordnungen auf das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland sind in § 58a AufenthG mit berücksichtigt. Es ist nicht Aufgabe der rechtsanwendenden Behörden oder Gerichte, die damit vom Gesetzgeber vorgenommene Bewertung zu korrigieren. Dass § 58a AufenthG oder seine Anwendung auf den vorliegenden Einzelfall gegen bindendes Völkerrecht verstoßen könnte, vermag das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls nicht zu erkennen.

Dem Vollzug der Abschiebungsanordnung stehen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegen, sofern der Ausländer nicht in den Nordkaukasus abgeschoben wird. Das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG steht dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht entgegen, es führt aber dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat abgeschoben werden darf (§ 58a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung). Aus diesem Grund hat die zuständige Behörde beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der beabsichtigten Abschiebung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder als subsidiär Schutzberechtigter (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG.

Auf der Grundlage des dem Bundesverwaltungsgericht im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Akten- und Erkenntnismaterials spricht einiges dafür, dass hinsichtlich Dagestan bzw. der nordkaukasischen Teilrepubliken der Russischen Föderation die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben sind. Das hindert jedoch nicht die Vollziehung der Abschiebungsanordnung in andere Teile der Russischen Föderation, in denen dem Ausländer eine zumutbare interne Ausweichmöglichkeit zur Verfügung steht. Es liegt auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot wegen Suizidgefahr vor.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht zumindest gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Ausländer angesichts des anzunehmenden Bekanntwerdens der Gründe seiner beabsichtigten Abschiebung in der Russischen Föderation bei einer Rückkehr nach Dagestan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit durch die dortigen Sicherheitsbehörden einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt würde (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK).

Die Gründe und Hintergründe der beabsichtigten Abschiebung des Ausländers (Gefahr eines radikal-islamistisch motivierten Terroranschlags, salafistisch-religiöse Einstellung mit grundsätzlicher Billigung der Aktionen des sogenannten Islamischen Staates, früher beabsichtigte Ausreise nach Syrien) dürften den russischen staatlichen Stellen nach der Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts aller Voraussicht nach bekannt werden. Hiervon ist vor allem aufgrund der öffentlichen Berichterstattung in den Medien bzw. im Internet unter Nennung zur Identifizierung hinreichender Daten (K. C. aus B., geboren im … in Dagestan) auszugehen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall das im russischen Pass eingetragene, zwischenzeitlich aufgehobene Ausreiseverbot, das gegen den Ausländer im Dezember 2014 angeordnet worden war und die Aufmerksamkeit der russischen Behörden zusätzlich auf sich ziehen wird.

Unter Berücksichtigung dieses Bekanntwerdens der Abschiebegründe besteht voraussichtlich die tatsächliche Gefahr, dass der Ausländer bei einer Rückkehr nach Dagestan durch die dortigen Sicherheitsbehörden der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK, Art. 4 GRC ausgesetzt würde (vgl. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK).

Dabei geht das Bundesverwaltungsgericht von folgender Lagebeurteilung aus: Teile des Nordkaukasus und insbesondere Dagestan sind nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen der regionale Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten47.

Der „IS“ wird in der Russischen Föderation und speziell im Nordkaukasus in den letzten Jahren zunehmend als echte Bedrohung wahrgenommen, auf die seitens der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden vor allem im Nordkaukasus mit großer Härte reagiert wird: In diesem Landesteil gehen die Behörden gegen tatsächliche oder mutmaßliche Islamisten mit teils gewaltsamer Repression vor. Es kommt zu Razzien in Moscheen, Festnahmen, Zerstörung von Wohnhäusern angeblicher Islamisten, Misshandlungen, Entführungen und Fällen von „Verschwindenlassen“ sowie „außergerichtlichen“ Tötungen. Im Nordkaukasus wenden die lokalen Polizeibehörden sowie die nationalen Sicherheitsbehörden auch Folter an48. Salafisten werden von Angehörigen des Militärs und der Geheimdienste verdächtigt, den bewaffneten Aufstand zu unterstützen oder daran beteiligt zu sein und nicht selten entführt und in der Folge getötet49. Aktionen von Sicherheitskräften nehmen auch die Familienangehörigen von bewaffneten Untergrundkämpfern ins Visier. Menschenrechtsorganisationen beklagten ein Klima der Straflosigkeit für Täter aus den Reihen der Sicherheitskräfte50. Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden – ihrer Straflosigkeit gewiss – missbrauchten ihre Macht, um im „Krieg gegen den Terror“ Erfolgsquoten zu liefern oder gar um Geld von den Angehörigen der Verhafteten zu erpressen51.

Salafistische Organisationen bzw. Muslime, die religiösem Extremismus nahe stehen oder unter ausländischem Einfluss stehen sollen, werden in Dagestan als Wahhabiten bezeichnet und teilweise pauschal mit Terroristen gleichgesetzt52. Sie müssen in Tschetschenien und Dagestan bereits ohne Hinzutreten weiterer Handlungen oder konkreter Verdächtigungen befürchten, von den Sicherheitsbehörden als „Extremisten“ verhaftet zu werden. Auch das Tragen langer Bärte oder salafistischer Kleidung kann bereits zu Verhaftungen und Misshandlungen führen53.

Ausgehend von dieser Erkenntnislage spricht viel dafür, dass der Ausländer bei einer Rückkehr nach Dagestan dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung durch die lokalen oder föderalen Sicherheits- bzw. Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt würde, selbst wenn er sich dort einer salafistischen Betätigung, soweit diese die Grenzen der geschützten Religionsfreiheit überschreitet, enthält.

Die Angaben des Auswärtigen Amtes in der Auskunft vom 29.05.2017 vermögen diese Gefahr nicht hinreichend zu entkräften. Darin wird zu Frage 1a ausgeführt, nach Aussage von Mitarbeitern der russischen Nichtregierungsorganisation „Komitee zur Verhinderung von Folter“ gegenüber der Botschaft Moskau am 16.05.2017 sei anzunehmen, dass russische Sicherheitsbehörden einen aus Deutschland abgeschobenen russischen Staatsangehörigen dagestanischer Herkunft, der in Deutschland einen islamistisch motivierten Terroranschlag geplant haben soll, befragen und überwachen würden; es erscheine jedoch nahezu ausgeschlossen, dass er „präventiv“ gefoltert oder einer anderen Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt werden würde. Bei dieser Antwort wird nicht hinreichend deutlich, dass sich diese Einschätzung auch auf die lokalen und föderalen Behörden in Dagestan beziehen würde, zumal das Auswärtige Amt zu Frage 1b u.a. mitgeteilt hat, die Botschaft verfüge über keine eigenen Erkenntnisse zum Verhalten der Sicherheitsbehörden in den im Nordkaukasus gelegenen Teilrepubliken, da in Auslieferungsfällen bei regulärem Gerichtsstand in einer der Teilrepubliken ergänzende Zusicherungen darüber verlangt und abgegeben würden, dass der Betroffene nur in einem anderen Teil der Russischen Föderation inhaftiert und vor Gericht gestellt werde.

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Dem Ausländer stehen auf der Grundlage der dem Bundesverwaltungsgericht derzeit zur Verfügung stehenden Erkenntnisse jedoch Ausweichmöglichkeiten in sonstigen Bereichen der Russischen Föderation außerhalb der Teilrepubliken des Nordkaukasus (etwa in der Umgebung des voraussichtlichen Abschiebeziels P.) zur Verfügung. Hinsichtlich dieser Bereiche liegen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vor. Sie erfüllen zugleich die Voraussetzungen des internen Schutzes im Sinne von § 3e Abs. 1, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Daher steht dem Ausländer auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG als subsidiär Schutzberechtigter zu, ohne dass entschieden werden muss, ob dieses Abschiebungsverbot nicht auch wegen der vom Ausländer ausgehenden Gefahren ausgeschlossen ist (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG).

Nach der dem Bundesverwaltungsgericht zur Verfügung stehenden Erkenntnislage droht dem Ausländer außerhalb des Nordkaukasus wegen der Handlungen und Äußerungen im Bundesgebiet nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass er unter Berücksichtigung der ihm zugeschriebenen Terrorgefahr durch Sicherheitsbehörden oder Strafverfolgungsorgane der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt oder zwangsweise nach Dagestan zurückverbracht wird. Soweit er nach Rückkehr in die Russische Föderation Aktivitäten entfaltet, die auch nur den Verdacht begründen könnten, er neige dem gewaltbereiten Jihadismus zu oder plane oder unterstütze Terroranschläge, begründete dieses erst künftige Verhalten hier aktuell kein Abschiebungshindernis und wäre nicht von der Antragsgegnerin zu berücksichtigen.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass aus Sicht der russischen Behörden auch außerhalb des Nordkaukasus die Gefahr von Terroranschlägen besteht. Radikale islamistische Netzwerke aus dem Nordkaukasus und Dagestan verfügen über Zellen in ganz Russland – von Moskau, St. Petersburg bis nach Sibirien54. Der russische Staat geht auch im übrigen Staatsgebiet konsequent gegen islamistische Terroristen vor. Erst im Juli 2016 wurde in der Russischen Föderation mit dem Ziel der effektiveren Bekämpfung des Terrorismus und der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit das Strafrecht deutlich verschärft, worauf der Ausländer hingewiesen hat55. Zuvor ist im November 2013 in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, mit dem die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreicht werden sollte und das darauf abzielte, die „harte Form“ des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus bereits angewendet56. Von einer entsprechenden Praxis außerhalb des Nordkaukasus wird demgegenüber bisher nicht berichtet; auch belegt diese Gesetzeslage ebenso wenig wie die Verschärfung des Strafrechts eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung von Terrorverdächtigen.

Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes57 ist der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen aus Angst vor Terroranschlägen erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichteten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Solange die Konflikte im Nordkaukasus nicht endgültig gelöst sind, ist nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen (Kaukasier) besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Das gilt insbesondere für Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagieren bzw. denen ein derartiges Engagement unterstellt wird, oder die – wie hier – im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren.

Dass der Ausländer zu einer solchen Risikogruppe gehört, rechtfertigt indes ebenfalls noch nicht die Annahme, dass ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Dies entspricht im Wesentlichen der in der fallbezogen erteilten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 29.05.2017 wiedergegebenen Einschätzung von Mitarbeitern der russischen Nichtregierungsorganisation „Komitee zur Verhinderung von Folter“: Danach hat der Ausländer im Falle seiner Abschiebung in die Russische Föderation mit einer Befragung und Überwachung zu rechnen58. Es erscheine jedoch nahezu ausgeschlossen, dass er „präventiv“ gefoltert oder einer anderen Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt würde. Der Zuverlässigkeit dieser Auskunft steht nicht entgegen, dass der Leiter dieser Organisation nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes Mitglied des präsidialen Menschenrechtsrats ist. Der Ausländer begründet seine Zweifel insoweit damit, der präsidiale Menschenrechtsrat sei gerade bezogen auf Polizeigewalt eine fragwürdige Referenz, weil es sich bei der neuen Hochkommissarin für Menschenrechte/Menschenrechtsbeauftragten in der Russischen Föderation um eine frühere Polizeigenerälin ohne menschenrechtlichen Hintergrund handele59. Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes handelt es sich bei der Menschenrechtsbeauftragten und dem konsultativen „Rat zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte“ beim russischen Präsidenten indes um zwei verschiedene Institutionen. Der Menschenrechtsrat übt auch öffentlich Kritik an Menschenrechtsproblemen und setzt sich für Einzelfälle ein. Zuletzt hat er angemahnt, Amnesty International Zugang zu ihren von der Moskauer Stadtverwaltung geschlossenen Büros zu gewähren60. Ausgehend davon bestehen gegen die Unabhängigkeit der russischen Nichtregierungsorganisation „Komitee zur Verhinderung von Folter“ keine durchgreifenden Bedenken.

Das Bundesverwaltungsgericht misst dieser Einschätzung einer vor Ort befindlichen Nichtregierungsorganisation größere Aussagekraft bei als der Bewertung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, welches der Antragsgegnerin auf ihre Anfrage am 17.05.2017 ohne nähere Begründung und auch ohne Bezeichnung der Erkenntnisquellen mitgeteilt hat, die in der Russischen Föderation bestehende massive Verfolgung von islamistischem Extremismus lasse darauf schließen, dass – eine bei den russischen Stellen vorhandene Kenntnis der Abschiebungsgründe zugrunde gelegt – auch der Ausländer davon betroffen wäre, sofern er dorthin zurückkehrt.

Vor diesem Hintergrund vermag das Bundesverwaltungsgericht auch aus der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 25.07.201461 nicht abzuleiten, dass dem Ausländer in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK zuwiderlaufende Behandlung drohen würde. Zwar wird dort von Angaben der Nichtregierungsorganisation Memorial (Swetlana Gannuschkina) berichtet, wonach Familienangehörige von Terrorismusverdächtigen aus Dagestan auch in anderen Regionen in Russland von staatlichen Behörden verfolgt und schikaniert werden und dem ständigen Risiko einer willkürlichen Strafverfolgung ohne Begründung ausgesetzt sind. Auch werde von einer Reihe dokumentierter Fälle berichtet, in denen ganze Familien in Moskau, St. Petersburg und weiteren russischen Städten Opfer von gewaltsamem „Verschwindenlassen“ geworden seien. Dies sei vor allem in den Fällen geschehen, in welchen die Behörden der nordkaukasischen Republiken Interesse daran hatten, Maßnahmen gegen Familienangehörige zu ergreifen. „Wahhabiten“ und ihre Familienmitglieder würden in ganz Russland verfolgt. Der Modus Operandi der Behörden des Nordkaukasus finde mittlerweile auch im übrigen Russland Anwendung. Seit 2009 sei die Zahl der Verhaftungen und Entführungen von Personen aus dem Nordkaukasus in ganz Russland gestiegen. Rund 20 Prozent der dokumentierten Entführungen fänden mittlerweile außerhalb des Nordkaukasus statt.

Diesen Ausführungen ist nichts dafür zu entnehmen, dass der russische Staat auch einer im europäischen Ausland entfalteten islamistisch-jihadistischen Betätigung – insbesondere Planung/Vorbereitung eines Terroranschlags in Deutschland – in der Russischen Föderation mit derart drastischen Maßnahmen begegnen würde. Ein vergleichbares Interesse der russischen Behörden, gegen eine Person wie den Ausländer menschenrechtswidrig vorzugehen, ist in einem solchen Fall mangels Referenzfällen nicht belegbar und kann auch nicht ohne Weiteres unterstellt werden. Denn spezifisch russische Interessen hat der Ausländer bisher nicht verletzt.

Das Bundesverwaltungsgericht hält es daher auch nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass in der Russischen Föderation gegen den Ausländer ein Strafverfahren eingeleitet wird oder er in Polizeigewahrsam genommen wird. Soweit der Ausländer in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass nach russischem Strafrecht für Auslandstaten russischer Staatsbürger das Personalitätsprinzip gilt, rechtfertigt dieser Hinweis auf die Rechtslage für sich allein noch nicht den Schluss auf eine entsprechende Praxis. Auch die Erklärung des russischen Generalstaatsanwalts von November 2015, wonach 650 Strafverfahren aufgrund der Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet wurden, wovon laut Chef des FSB (Inlandsgeheimdienst) 1 000 Personen betroffen seien62, lässt nicht hinreichend auf eine Betroffenheit auch des Ausländers schließen. Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass sich der Fokus der russischen Strafverfolgungsbehörden dabei auch auf Personen richten würde, die nicht aus Syrien, Irak oder der Türkei, sondern aus dem westeuropäischen Ausland zurückkehren.

Berichte über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus63 beziehen sich zumeist auf den Nordkaukasus. Gegen Tschetschenen (bzw. Personen aus dem Nordkaukasus), die sich in Moskau oder anderen Bereichen der Russischen Föderation niedergelassen haben, kommen Strafverfahren aufgrund falscher Anschuldigungen heute kaum noch vor64. Nach Angaben einer westlichen Botschaft in Moskau aus dem Jahr 2012 kommen fingierte Strafverfahren zwar vor, insbesondere gegen junge muslimische Personen aus dem Nordkaukasus, jedoch nicht in systematischer Weise65.

Das Risiko, dass die Behörden in Dagestan, soweit sie von der Abschiebung des Ausländers erfahren, den Ausländer außerhalb Dagestans aufsuchen und dort misshandeln oder nach Dagestan verbringen würden, hält das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls für gering. Das Auswärtige Amt führt in seinem aktuellen Lagebericht zwar aus, die regionalen Strafverfolgungsbehörden könnten Menschen auf der Grundlage von in ihrer Heimatregion erlassenen Rechtsakten auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation in Gewahrsam nehmen und in ihre Heimatregion verbringen. Kritiker, die Tschetschenien aus Sorge um ihre Sicherheit verlassen mussten, fühlten sich häufig auch in russischen Großstädten vor dem „langen Arm“ des Regimes von Ramsan Kadyrow nicht sicher. Bewaffnete Kräfte, die Kadyrow zuzurechnen seien, seien etwa auch in Moskau präsent66. Bei Umzügen in eine andere Region der Russischen Föderation informiert das FMS-Büro, bei dem die Registrierung erfolgt, das FMS-Büro am Ort der ursprünglichen Registrierung etwa in Tschetschenien. Ob diese Information durch die Behörden des ursprünglichen Wohnorts in irgendeiner Weise aktiv verwendet wird, ist aber eine andere Frage. Dies hängt davon ab, wie wichtig sie für die dortigen Behörden war/ist67. Ausgehend davon ist eher unwahrscheinlich, dass dagestanische Strafverfolgungsbehörden aufgrund der gegen den Ausländer in Deutschland erhobenen Vorwürfe Anlass sehen werden, ein Strafverfahren gegen ihn einzuleiten oder gegen ihn in irgendeiner Weise extralegal vorzugehen, wenn er – der Dagestan schon im Kleinkindalter verlassen hat – in keinen Kontakt zu Dagestan tritt und insbesondere andernorts seinen Wohnsitz nimmt.

Hinreichend tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass dem Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, gegen seinen Willen durch russische föderale Stellen nach Dagestan zurückverbracht zu werden, waren den ausgewerteten Erkenntnisquellen nicht zu entnehmen. Soweit die Schweizerische Flüchtlingshilfe von rückgeführten Tschetschenen berichtet, die etwa vom russischen Geheimdienst nach Ankunft am Flughafen Moskau festgenommen und nach Tschetschenien gebracht oder nach Rückkehr aus dem westeuropäischen Ausland verhaftet und gefoltert worden seien68, werden die jeweiligen Hintergründe nicht mitgeteilt. Schlüsse für den hier zu entscheidenden Fall können daraus mithin nicht gezogen werden.

Der Ausländer hat auch bei einer möglichen Einziehung zum Wehrdienst in diesem Rahmen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten. Nach der aktuellen Auskunftslage liegen keine stichhaltigen Gründe (mehr) dafür vor, dass Wehrdienstleistende dem System der sogenannten Dedowschtschina, d.h. der systematischen Misshandlungen und Erniedrigung von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige ausgesetzt werden.

Es ist bereits nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Ausländer in absehbarer Zeit nach einer Rückkehr in die Russische Föderation zum Wehrdienst eingezogen wird.

Männliche Staatsbürger im Alter von 18 bis 27 Jahren unterliegen in der Russischen Föderation der einjährigen Wehrpflicht63. Darunter fällt grundsätzlich auch der …-jährige Ausländer. Die reale Gefahr, zum Wehrdienst eingezogen zu werden, wird durch die mit seiner Person verbundenen Sicherheitsbedenken jedoch deutlich vermindert:

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Die allgemeine Wehrpflicht besteht in der gesamten Russischen Föderation. Grundsätzlich wird einem 18- bis 28-jährigen Mann in der Russischen Föderation ein Musterungsbescheid zugestellt, um ihn für den Wehrdienst in den Streitkräften zu mustern. Eine Einberufung in die Streitkräfte ist damit jedoch nicht zwingend verbunden69. Junge Männer aus dem Nordkaukasus, insbesondere aus Tschetschenien, wurden in zurückliegenden Jahren über längere Zeit praktisch nicht zum Wehrdienst eingezogen. Dem lag im Wesentlichen zugrunde, dass man nicht „potenzielle Terroristen und Untergrundkämpfer“ an der Waffe ausbilden wolle. Nordkaukasier könnten einen radikalen Islam in der Armee verbreiten; sie seien besonders undiszipliniert und würden eine „Dedowschtschina“ auf ethnischer Grundlage betreiben70. Etwa nach dem Beginn des russischen militärischen Vorgehens gegen die Ukraine im Frühjahr 2014 änderten sich die Rahmenbedingungen aber. So wurden im Herbst 2014 wieder Rekruten aus dem Nordkaukasus einberufen (Dagestan: ca. 2 000, Tschetschenien: ca. 500)71. Bei den tschetschenischen Rekruten soll es sich dabei überwiegend um Freiwillige mit abgeschlossenem Hochschulstudium gehandelt haben, von denen viele eine militärische Karrierelaufbahn anstrebten72. In Dagestan wurden im Frühling 2016 1 800 junge Männer eingezogen, ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. Trotzdem seien mehr als 2 000 junge Männer nicht auffindbar, die eingezogen werden sollten73. Als ein Grund für die Änderung der Einberufungspraxis wird Personalnot bei den Streitkräften benannt, der mit einer Erhöhung der Einberufungsquote und auch durch den Rückgriff auf Wehrpflichtige aus dem Nordkaukasus begegnet werden sollte. Die kritische Personallage habe Sicherheitsbedenken gegenüber Rekruten aus dem Nordkaukasus zurücktreten lassen. Persönliche Garantien von Mitgliedern der jeweiligen Administrationen und Familienangehörigen sollen nun die wahrgenommenen Risiken eindämmen74.

Trotz der zunehmenden Personalengpässe und der geänderten Einberufungspraxis in den russischen Streitkräften hält das Bundesverwaltungsgericht eine Einberufung des Ausländers zum Wehrdienst nicht für wahrscheinlich. Zwar liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei ihm Gründe für eine Befreiung vom Wehrdienst, Ausschlussgründe oder ein Recht auf Verschiebung/Aufschub des Militärdienstes gegeben sind75. Angesichts des anzunehmenden Bekanntwerdens der Abschiebungsgründe und der ihn nach Rückkehr in die Russische Föderation erwartenden Befragung und Überwachung durch den FSB oder die Polizei spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass eine Einberufung des Ausländers wegen des damit verbundenen erheblichen Sicherheitsrisikos unterbleiben wird. Dass Wehrpflichtige aus dem Nordkaukasus aktuell nicht mehr pauschal als Sicherheitsrisiko betrachtet werden, steht dem nicht entgegen, weil vom Ausländer individuell die Gefahr eines islamistisch motivierten terroristischen Anschlags ausgeht. Es ist nicht naheliegend, dass die für die Einberufung zuständigen Behörden in der Russischen Föderation das Risiko eingehen werden, eine solche Person an der Waffe auszubilden. Die Frage nach persönlichen Garantien stellt sich bei einem derart evidenten Sicherheitsrisiko schon nicht mehr; im Übrigen ist aber auch nicht ersichtlich, wer für den Ausländer außerhalb des Nordkaukasus bürgen könnte.

Unabhängig davon liegen keine stichhaltigen Gründe (mehr) dafür vor, dass Wehrdienstleistenden in der Russischen Föderation eine Art. 3 EMRK verletzende Behandlung droht, indem sie dem System der sogenannten Dedowschtschina, d.h. der systematischen Misshandlungen und Erniedrigung von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige, ausgesetzt werden. Nach aktueller Auskunftslage ist dies zwar weiterhin nicht auszuschließen, aber nicht mehr beachtlich wahrscheinlich.

Anders als das Verwaltungsgericht Bremen76 hält das Bundesverwaltungsgericht unter zusätzlicher Einbeziehung des jüngsten Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 24.01.2017 (Stand: Dezember 2016) trotz der weiterhin problematischen Menschenrechtslage in den Streitkräften aktuell nicht mehr die Feststellung für gerechtfertigt, dass einem Wehrpflichtigen eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Bereits im vorletzten Lagebericht hatte das Auswärtige Amt berichtet, die im Jahr 2013 eingeleiteten Maßnahmen zur „Humanisierung“ und Attraktivitätssteigerung des Wehrdienstes seien im Berichtszeitraum weiter umgesetzt worden. Diese Maßnahmen umfassten u.a. die Möglichkeit der heimatnahen Einberufung für Verheiratete, Wehrpflichtige mit Kindern oder Eltern im Rentenalter. Verbesserungen bei der Verpflegung, längere Ruhezeiten sowie die Erlaubnis zur Benutzung privater Mobiltelefone seien ebenfalls eingeführt worden. Offizielle Verlautbarungen zu Menschenrechtsverletzungen in den Streitkräften der Russischen Föderation habe es zuletzt nicht gegeben. Die Nichtregierungsorganisationen „Komitee der Soldatenmütter“ und „Armee.Bürger.Recht“ hätten jedoch von Soldaten berichtet, die sich aus ganz Russland mit der Bitte um Unterstützung beim Schutz ihrer Rechte an die Nichtregierungsorganisationen gewendet hätten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften weiterhin problematisch sei. Es sei zu vermuten, dass es nach wie vor zu Misshandlungen von Soldaten durch Vorgesetzte aller Dienstgrade oder ältere Wehrpflichtige komme, jedoch nicht mehr im Ausmaß der Vergangenheit. Die Bildung einer Militärpolizeibehörde, die vor allem die „Dedowschtschina“, aber auch Diebstahlsdelikte in den Streitkräften bekämpfen sollte, sei noch nicht vollständig abgeschlossen77. Im aktuellen Lagebericht, der eine im Übrigen unveränderte Einschätzung enthält, wird nunmehr ergänzend berichtet, Staatspräsident Putin habe im Jahr 2015 ein Dekret erlassen, das die Aufgaben der Militärpolizei erheblich erweitert habe und seitdem ausdrücklich die Bekämpfung der „Dedowschtschina“ sowie von Diebstählen innerhalb der Streitkräfte umfasse. Insgesamt seien zunehmend einzelne Verbesserungen zu erkennen, weil – teilweise auf Initiative der Soldatenmütter – vor drei bis vier Jahren ein Beschwerderecht für Soldaten eingeführt worden sei, seit kurzem jeder Soldat ein Gehaltskonto haben müsse, um Korruption und Erpressung durch Vorgesetzte zu verhindern, und sich die soziale Lage durch den Neubau von Kasernen und die damit einhergehende Abnahme der Überbelegung verbessert habe. Dadurch seien auch die Misshandlungen jüngerer durch ältere Soldaten zurückgegangen78.

Die darin zum Ausdruck kommende graduelle Verbesserung der Situation der Wehrdienstpflichtigen in den russischen Streitkräften wird bestätigt durch die vom Bundesverwaltungsgericht fallbezogen eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes. Darin wird ergänzend ausgeführt, das Ministerium der Verteidigung der Russischen Föderation veröffentliche zwar keine genauen Zahlen zu Misshandlungen innerhalb der Streitkräfte. Zahlreiche Indikatoren wiesen jedoch darauf hin, dass diese Art von Dienstvergehen in den Streitkräften zurückgehe. Seit Beginn der Reform der Streitkräfte im Jahr 2008, insbesondere jedoch unter dem derzeitigen Minister für Verteidigung Sergei Schoigu, liege das Hauptaugenmerk der militärischen und politischen Leitung der Streitkräfte auf der Steigerung der Attraktivität der Streitkräfte. Das Maßnahmenpaket umfasse z.B. eine Erhöhung der Besoldung, den Wohnungsbau für Soldatenfamilien und medizinische Versorgung von Soldaten und deren Angehöriger. Der Aufrechterhaltung der Disziplin werde ein höherer Stellenwert als in den Jahren zuvor eingeräumt, wozu auch die konsequente Ahndung von Dienstvergehen wie z.B. Misshandlung gehöre. Es liegen schließlich auch keine Erkenntnisse dazu vor, dass die islamistische Radikalisierung des Ausländers die allgemein nicht mehr den Grad einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit erreichende Gefahr, Opfer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK während eines Wehrdienstes zu werden, in relevanter Weise erhöhen würde79.

Es besteht auch nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer im Rahmen eines Wehrdienstes gegen seinen Willen nach Dagestan zurückkehren müsste. Allerdings führt Malek aus, dass Wehrpflichtige, die keine Bestechungsgelder leisten könnten oder wollten, riskierten, in die Krisengebiete des östlichen Nordkaukasus (Inguschetien, Tschetschenien, Dagestan) oder aber in einen Truppenteil geschickt zu werden, in denen eine harte „Dedowschtschina“ herrsche. Da die vom Auswärtigen Amt berichteten graduellen Verbesserungen der Menschenrechtslage in den russischen Streitkräften in den letzten beiden Jahren in diesem bereits Anfang 2015 erstellten Gutachten jedoch noch nicht berücksichtigt sein konnten, ist fraglich, inwieweit diese Aussage noch zutrifft. Im Ergebnis bestehen stichhaltige Gründe dafür, dass der Ausländer tatsächlich Gefahr läuft, im Nordkaukasus zum Einsatz zu kommen, jedenfalls aus den Gründen nicht, aus denen schon seine Einberufung nicht beachtlich wahrscheinlich ist.

Die weiteren Voraussetzungen für eine interne Ausweichmöglichkeit in die Gebiete der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus liegen vor.

Nach der Rechtsprechung des EGMR zur Berücksichtigung internen Schutzes muss die abzuschiebende Person in der Lage sein, in das betroffene Gebiet zu reisen, Zutritt zu diesem zu erhalten und sich dort niederzulassen. Außerdem dürfen die voraussichtlichen Lebensbedingungen dort nicht gegen Art. 3 EMRK verstoßen80.

Diese Voraussetzungen sind hier auch unter Berücksichtigung der individuellen Merkmale des Ausländers gegeben. Es besteht zunächst kein Zweifel, dass es der Antragsgegnerin gelingen wird, den Ausländer in die Russische Föderation außerhalb des Nordkaukasus abzuschieben. Eben dies ist hier beabsichtigt, weil er mit dem Flugzeug unter Sicherheitsbegleitung nach P. abgeschoben werden soll. Nach der vorliegenden Erkenntnislage ist es dem Ausländer auch grundsätzlich möglich, in der Russischen Föderation etwa in der weiteren, ländlicheren Umgebung von Moskau legal Wohnsitz zu nehmen und insbesondere registriert zu werden.

Entgegen seiner Annahme ist der Ausländer nicht gezwungen, sich für die erforderliche Ausstellung eines Inlandspasses nach Dagestan an seinen letzten Wohnort zu begeben. Sowohl Inlands- wie Auslandspässe können in der Russischen Föderation in jedem FMS-Büro beantragt und abgeholt werden. Beantragt eine Person den Pass beispielsweise in Moskau, erscheint das FMS-Büro Moskau als ausstellende Behörde, ohne dass es darauf ankommt, wo die Person mit ihrem Wohnsitz registriert ist81.

Auch Personen aus dem Nordkaukasus ist es möglich, in der übrigen Russischen Föderation eine Wohnung zu finden, auch wenn sie dabei auf größere Schwierigkeiten stoßen werden als ethnische Russen. Zwar haben Kaukasier größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, einen Vermieter zu finden82. In Moskau ist es besonders schwierig, eine Unterkunft zu finden, weil freie Wohnungen selten und die Mieten hoch sind. Die schon allgemein bestehenden Schwierigkeiten sind für Tschetschenen/Kaukasier infolge ihres allgemein schlechten Ansehens noch größer83. Letzten Endes gelingt es aber auch Tschetschenen immer, eine Bleibe zu finden, weil es keine obdachlosen Tschetschenen etwa in Moskau gibt; üblicherweise gelingt dies mit der Hilfe von Freunden oder Verwandten84. Dem Ausländer dürfte dies zumindest außerhalb von Moskau auch ohne Freunde oder Verwandte möglich sein, zumal nicht alle Vermieter nur an ethnische Russen vermieten.

Die Registrierung ist jedenfalls nach einem Aufenthalt von drei Monaten obligatorisch. Auch wenn es Fälle von geforderten Bestechungsgeldern oder Diskriminierungen durch Behördenvertreter gibt, sei letzten Endes jeder in der Lage, eine Registrierung zu erhalten, auch ohne ein Bestechungsgeld zu zahlen. Bei fehlender Bereitschaft zur Zahlung eines Bestechungsgeldes dauere die Registrierung nur länger, ungefähr drei Wochen, sie werde am Ende aber vorgenommen. Seitens einer tschetschenischen sozialen und kulturellen Vereinigung wird berichtet, die Registrierung sei deutlich einfacher geworden als noch vor zwei Jahren. Das FMS habe ein Service-Center in Moskau eingerichtet, bei dem man alle notwendigen Informationen erhalte und die geforderten Dokumente (etwa eine Kopie des Inlandspasses) einreichen und die Registrierungsunterlagen ausfüllen könne. Es sei nicht mehr notwendig, zur Polizei oder zur Hausverwaltung zu gehen, und das administrative Verfahren sei vereinfacht worden, einschließlich der Möglichkeit, es elektronisch durchzuführen. Das Verfahren sei nunmehr in ein paar Tagen abschließend durchzuführen85.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Ausländer auch außerhalb Dagestans seinen Lebensunterhalt auf einem einfachen Niveau sichern kann. Dazu ist erforderlich, dass er unter Berücksichtigung seiner persönlichen Voraussetzungen das wirtschaftliche Existenzminimum, sei es durch eigene Arbeit, sei es durch staatliche oder sonstige Hilfen, erlangen kann und nicht der Obdachlosigkeit ausgesetzt ist86. Dies ist vorliegend anzunehmen. Zwar wird die Arbeitsuche für einen Kaukasier, der in einem anderen Gebiet der Russischen Föderation dauerhaft Aufenthalt nehmen will, als schwierig bezeichnet83. Auch hat der Ausländer keine Berufsausbildung und verfügt soweit feststellbar nicht über Verwandte oder Bekannte außerhalb Dagestans. Der Ausländer ist aber ein gesunder und arbeitsfähiger junger Mann, der nicht nur über einen Hauptschulabschluss, sondern nach den obigen Ausführungen auch über grundlegende Russischkenntnisse verfügt. Ihm sind außer kriminellen Tätigkeiten alle Arbeiten zumutbar, auch solche, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können87. Eine solche Tätigkeit wird er nach entsprechend ausdauernder Arbeitsuche finden können. Dass der Ausländer nach dem Gutachten des Dr. K. noch nicht wie ein Erwachsener wirkt und ihm nach Beobachtungen von Pflegern in der B. Klinik „jegliche Alltagspraxis“ fehle, rechtfertigt keine andere Prognose.

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Der Entwurf einer Verbalnote des Auswärtigen Amtes rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Verbalnote lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass eine Zusicherung nach der Beurteilung des Auswärtigen Amtes erforderlich sei, um einer abschiebungserheblichen Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung zu begegnen. Sie ist vielmehr vorsorglich für den Fall vorgesehen, dass sich eine Zusicherung nach Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als erforderlich erweisen sollte. Die ist jedoch nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall. Daher bedurfte es auch nicht der von der Prozessbevollmächtigten des Ausländers beantragten Beiziehung der Dokumentation zum „deutsch-russischen Dialog zu Migration und Rückkehr“ am 21.06.2017 in Berlin.

Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis liegt nicht deshalb vor, weil konkret zu befürchten wäre, dass sich der Ausländer nach einer Abschiebung in die Russische Föderation dort das Leben nehmen könnte. Die sich aus der Aktenlage und dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K. ergebende Persönlichkeitsbewertung deutet nicht auf eine Bereitschaft oder Neigung des Ausländers, seinem Leben unabhängig von einem Terroranschlag ein Ende zu setzen. Die Äußerungen zu einer „Todessehnsucht“ stehen in untrennbarem Zusammenhang mit dem Wunsch des Ausländers, ins Paradies zu kommen, und der entsprechenden Märtyrerideologie des sogenannten Islamischen Staates. Soweit er bei seinem Zusammenbruch nach seiner Aussage bei der Polizei beteuert hat, die Religion stehe bei seinen Suizidgedanken nicht im Vordergrund, er wolle einfach sterben, ist dies nicht glaubhaft. Ein – damit allein in Betracht zu ziehender – Terroranschlag, bei dem er sein Leben bewusst und gezielt aufs Spiel setzt, begründete mangels relevanter psychiatrischer Störungen oder Beeinträchtigungen des Ausländers kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis.

Unter dem Aspekt der Suizidgefahr liegt derzeit auch kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vor. Vor Durchführung einer Abschiebung ist bei entsprechenden Anhaltspunkten sorgfältig ärztlich zu überprüfen, ob dem Vollzug eine Suizidgefahr entgegensteht bzw. ob und inwieweit einer eventuellen Suizidgefahr durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung – insbesondere durch ärztliche Begleitung – begegnet werden kann.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. Juli 2017 – 1 VR 3.17

  1. Bestätigung der Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21.03.2017 – 1 VR 1.17; und vom 31.05.2017 – 1 VR 4.17[]
  2. Bestätigung der Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse vom 21.03.2017 – 1 VR 1.17; und vom 31.05.2017 – 1 VR 4.17[]
  3. BVerwG, Beschluss vom 21.03.2017 – 1 VR 1.17 5 ff.[]
  4. BVerfG, Beschluss vom 21.03.2017 – 1 VR 1.17[]
  5. vgl. ebenda Rn. 15 ff.[]
  6. BVerwG, Urteil vom 22.02.2017 – 1 C 3.16 []
  7. vgl. BVerfG, Urteil vom 20.04.2016 – 1 BvR 966/09 u.a., BVerfGE 141, 220 Rn. 96[]
  8. vgl. BVerfG, Urteil vom 20.04.2016 – 1 BvR 966/09 u.a., BVerfGE 141, 220 Rn. 112[]
  9. vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2017 – 1 C 27.16 24, zu § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG[]
  10. BVerwG, Beschluss vom 21.03.2017 – 1 VR 1.17 13[]
  11. nicht vergleichbar daher BVerwG, Urteil vom 29.04.1983 – 1 C 5.83, Buchholz 402.241 2. AsylBeschlG Nr. 3[]
  12. vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl.2016, § 58a AufenthG Rn. 9[]
  13. vgl. näher EuGH, Urteil vom 05.11.2014 – C-166/13 [ECLI:EU:C:2014:2336], Mukarubega, Rn. 40 – 45[]
  14. vgl. EuGH, Urteil vom 05.11.2014 – C-166/13[]
  15. EuGH, Urteil vom 11.12 2014 – C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Boudjlida, Rn. 43[]
  16. ebenda, Rn. 45[]
  17. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 – 1 C 26.03, BVerwGE 123, 114, 120 17[]
  18. BVerwG, Beschluss vom 21.03.2017 – 1 VR 1.17 17[]
  19. BGBl.2003 II S.1923[]
  20. ABl. L 164 S. 3[]
  21. ABl. L 344 S. 93[]
  22. vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 – 1 C 26.03, BVerwGE 123, 114, 129 f.[]
  23. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 – 1 C 13.10, BVerwGE 141, 100 Rn.19 m.w.N.[]
  24. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Januar 2017, § 58a AufenthG Rn. 15[]
  25. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Januar 2017, § 58a AufenthG Rn. 11; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl.2016, § 58a AufenthG Rn. 27; Hailbronner, AuslR, Stand Dezember 2016, § 58a AufenthG Rn. 7; a.A. Erbslöh, NVwZ 2007, 155, 160, wonach eine Abschiebungsanordnung nur in Fällen außergewöhnlich hoher Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, mit dem in naher Zukunft zu rechnen ist, in Betracht kommt[]
  26. Hailbronner, AuslR, Stand Dezember 2016, § 58a AufenthG Rn. 7[]
  27. s.a. Eckertz-Höfer, in: Barwig u.a., Hrsg., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 1. Aufl.2007, S. 105, 117[]
  28. BVerwG, Beschluss vom 21.03.2017 – 1 VR 1.17 18[]
  29. Hailbronner, AuslR, Stand Dezember 2016, § 58a AufenthG Rn. 14 f.; a.A. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, 11. Aufl.2016, AuslR, § 58a AufenthG Rn. 28; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Januar 2017, § 58a AufenthG Rn. 18[]
  30. BVerwG, Beschluss vom 21.03.2017 – 1 VR 1.17 19[]
  31. vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.05.2017 – 1 VR 4.17 20, unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 20.04.2016 – 1 BvR 966/09 u.a., BVerfGE 141, 220 Rn. 112 f.[]
  32. Hailbronner, AuslR, Stand Dezember 2016, § 58a AufenthG Rn. 15; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Januar 2017, § 58a AufenthG Rn. 8; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl.2016, § 58a AufenthG Rn. 31[]
  33. Hailbronner, AuslR, Stand Dezember 2016, § 58a AufenthG Rn. 17; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Januar 2017, § 58a AufenthG Rn. 12; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl.2016, § 58a AufenthG Rn. 37 ff.[]
  34. AG Bremen 71 F 134/17 EAUB Bl. 57, 58[]
  35. dazu Pressemitteilung des Bundeskriminalamts vom 02.02.2017[]
  36. s. dazu Rettenberger, Die Einschätzung der Gefährlichkeit bei extremistischer Gewalt und Terrorismus, Kriminalistik 2016, 532[]
  37. vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 11.09.2015 – 1 B 39.15, Buchholz 402.261 § 6 FreizügG/EU Nr. 3 Rn. 12[]
  38. AA Bl. 593 ff.[]
  39. ABl. L 348 S. 98[]
  40. vgl. EuGH, Urteil vom 11.06.2015 – C-554/13 [ECLI:EU:C:2015:377], Rn. 70[]
  41. ebenda Rn. 50, 57[]
  42. vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.10.2016 – OVG 12 B 18.15 – InfAuslR 2017, 126 24 ff. [nicht rechtskräftig]; Beschlüsse vom 21.03.2014 – OVG 12 S 113.13 – juris; und vom 29.11.2016 – OVG 12 S 84.16 []
  43. vgl. BVerfG, Urteil vom 20.04.2016 – 1 BvR 966/09 u.a., BVerfGE 141, 220 Rn. 96, 132; Beschluss vom 18.07.1973 – 1 BvR 23/73 und 1 BvR 155/73, BVerfGE 35, 382 57[]
  44. P2 Bl. 100 und 139[]
  45. vgl. P2 Bl. 146[]
  46. zur fehlenden aufenthaltsrechtlichen Anerkennung vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.2009 – 1 C 40.07, BVerwGE 133, 72 Rn. 16[]
  47. vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Dezember 2016, S. 13[]
  48. vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1.06.2016, S. 40; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13.05.2016, S. 6 und 7; zu den o.g. Maßnahmen siehe auch Accord, ecoi.net-Themendossier zur Russischen Föderation: Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen[]
  49. Accord, ecoi.net-Themendossier zur Russischen Föderation: Sicherheitslage in Dagestan & Zeitachse von Angriffen[]
  50. vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Dezember 2016, S. 13 – 15[]
  51. Accord, Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Dagestan: Korruption bei der Polizei, 12.10.2016[]
  52. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25.07.2014, S. 1 f.; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1.06.2016, S. 52, 65[]
  53. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13.05.2016, S. 15[]
  54. vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25.07.2014, S. 3 und 15[]
  55. www.icnl.org/research/library/files/Russia/Yarovaya.pdf, GA Bl. 264[]
  56. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1.06.2016, S. 34; Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25.07.2014, S. 4 f.[]
  57. Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Dezember 2016, S.20[]
  58. vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29.05.2017 zu Frage 1a[]
  59. EASO, Country of Origin Information Report – Russian Federation State Actors of Protection, März 2017, S. 78[]
  60. vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Dezember 2016, S. 15[]
  61. A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, S. 3 f.[]
  62. vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1.06.2016, S. 27[]
  63. vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Dezember 2016, S. 10[][]
  64. vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 85 f.[]
  65. vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25.07.2014, S. 6; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1.06.2016, S. 82[]
  66. vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Dezember 2016, S. 15; siehe auch Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13.05.2016, S. 24[]
  67. vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 68[]
  68. vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Baudacci, Tschetschenien: Aktuelle Menschenrechtslage, Update vom 13.05.2016, S. 22[]
  69. vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29.05.2017, zu Frage 2[]
  70. vgl. Malek, Wien, Gutachten vom 02.02.2015 für VG Berlin, S.19 f.[]
  71. vgl. Malek, ebenda, S.20, sowie Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Bremen vom 13.11.2015[]
  72. vgl. Accord, Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Strafen bei Wehrdienstverweigerung etc., 12.11.2014[]
  73. vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 1.06.2016, S. 50[]
  74. vgl. Pester, Russlands Militärreform: Herausforderung Personal, SWP-Studie, November 2013, S. 24, 26; Klein/Pester, Russlands Streitkräfte: Auf Modernisierungskurs, SWP-Aktuell, Dezember 2013, S. 4[]
  75. vgl. dazu Malek, Wien, Gutachten vom 02.02.2015 für VG Berlin, S. 12 ff.[]
  76. VG Bremen, Urteil vom 18.11.2016 – 3 K 1982/09.A 52 ff.[]
  77. vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Januar 2016, S. 14 f.[]
  78. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Dezember 2016, S. 11[]
  79. vgl. dazu Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29.05.2017[]
  80. vgl. EGMR, Urteile vom 11.01.2007 – Nr.1948/04, Salah Sheekh/Niederlande, Rn. 141 ff.; vom 28.06.2011 – Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Rn. 278 ff.; und vom 13.10.2011 – Nr. 10611/09, Husseini/Schweden, Rn. 65; siehe auch § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG zum subsidiären Schutz[]
  81. vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 66; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Januar 2011, S. 38; anders Schweizerische Flüchtlingshilfe/A. Schuster, Russland: Verfolgung von Verwandten dagestanischer Terrorverdächtiger ausserhalb Dagestans, Auskunft vom 25.07.2014, S. 8, 10[]
  82. vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand: Dezember 2016, S.20[]
  83. vgl. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 83[][]
  84. Danish Immigration Service, a.a.O., S. 84[]
  85. Danish Immigration Service, Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation – residence registration, racism and false accusations, Januar 2015, S. 75 f.[]
  86. BVerwG, Urteil vom 01.02.2007 – 1 C 24.06, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz Nr. 30 Rn. 11; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.05.2017 – 2 BvR 157/17 21[]
  87. vgl. BVerwG, Urteil vom 01.02.2007 – 1 C 24.06, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz Nr. 30 Rn. 11[]