Abschiebungshaft – und das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft

Der Haftantrag muss nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung Ausführungen dazu enthalten, ob das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vorliegt, wenn sich aus dem Antrag selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist.

Abschiebungshaft – und das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft

Der Haftantrag ist unzulässig, wenn es an hiernach erforderlichen hinreichenden Angaben zum Vorliegen des staatsanwaltschaftlichen Einvernehmens mit der Abschiebung des Betroffenen fehlt.

Ohne dieses Einverständnis darf Sicherungshaft nicht angeordnet werden; dass das Einvernehmen später hergestellt werden könnte, ist unerheblich.

Das Fehlen entsprechender Ausführungen führt zur Unzulässigkeit des Antrags1.

Die Angabe zu dem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft soll den Betroffenen darüber informieren, woraus die antragstellende Behörde die Zustimmung der Staatsanwaltschaft entnimmt. Wenn sich aus dem Haftantrag oder den beigefügten Unterlagen ergibt, dass gegen den Betroffenen nicht offensichtlich zustimmungsfreie Strafverfahren anhängig sind, muss daher mitgeteilt werden, welche Staatsanwaltschaft für welches Verfahren das ggf. auch generelle Einvernehmen erteilt hat bzw. aufgrund welcher Überlegungen ein Einvernehmen entbehrlich ist. Andernfalls kann der Betroffene nicht überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 72 Abs. 4 AufenthG vorliegen.

Ob die Behörde die hiernach erforderlichen Angaben in dem Text des Haftantrags aufführt oder aber auf dem Antrag beigefügte, aussagekräftige Anlagen verweist, bleibt ihr überlassen2.

Diesen Anforderungen genügte im hier entschiedenen Fall der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht:

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Hierin teilt die Behörde mit, der Betroffene sei mehrfach wegen schweren Ladendiebstahls angezeigt und ihm seien Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz nachgewiesen worden. Darüber hinaus liege ein „Strafbefehl über illegale Einreise in die Bundesrepublik Deutschland aus Österreich“ vor. Am Nachmittag des 23.03.2017 sei der Betroffene anlässlich eines Ladendiebstahls aufgegriffen und in Gewahrsam genommen worden. Die Staatsanwaltschaft habe „fernmündlich und per Fax“ ihr Einvernehmen mitgeteilt. Am Ende des Haftantrages heißt es zudem „[S]oweit erforderlich liegen Einvernehmen vor. Darüber hinausgehende Delikte werden von § 72 Abs. 4 AufenthG erfasst“.

Diesen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, zu welchen der in dem Haftantrag genannten Verfahren das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen durch welche Staatsanwaltschaft erteilt wurde und für welche anderen Verfahren das Einvernehmen nach Ansicht der beteiligten Behörde entbehrlich gewesen sein soll. Erst Recht wird nicht ersichtlich, woraus sich die Entbehrlichkeit dabei jeweils ergeben soll, namentlich ob es sich nach Ansicht der Behörde um Delikte handelt, bei denen es des Einvernehmens nach § 72 Abs. 4 Satz 3 und 4 AufenthG nicht bedarf oder ob die jeweiligen Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen sind und das Einvernehmen deswegen entbehrlich ist3.

Dieser Mangel des Haftantrages ist auch nicht nachträglich geheilt worden. Das Amtsgericht hat in dem Haftanordnungsbeschluss insoweit ohne weitere Erläuterungen auf den Haftantrag der beteiligten Behörde Bezug genommen. Während des Beschwerdeverfahrens hat die Behörde ihre Angaben zwar insoweit ergänzt, als sie ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Krefeld vom 23.03.2017 vorgelegt hat, in dem diese ihr Einvernehmen „auch im Hinblick auf das hiesige Verfahren 5 Js 912/16“ erteilt. Es betraf, sofern für das genannte Verfahren überhaupt erforderlich, aber nur eines der zahlreichen gegen den Betroffenen geführten Verfahren; zudem wurde der Betroffene zu diesem ergänzenden Vortrag durch das Beschwerdegericht nicht angehört.

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Die ergänzenden Angaben der beteiligten Behörde in ihrer Erwiderung auf die Rechtsbeschwerde sind schon deshalb unbehelflich, weil neuer Vortrag im Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. § 559 ZPO nicht berücksichtigt werden kann. Im Übrigen änderte der neue Vortrag nichts an der Rechtswidrigkeit der Haft, weil eine Heilung von Mängeln des Haftantrages nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen kann4 und die angeordnete Haftzeit bereits abgelaufen ist.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. September 2018 – V ZB 145/17

  1. vgl. nur BGH, Beschluss vom 03.02.2011 – V ZB 224/10, FGPrax 2011, 148 Rn. 7; Beschluss vom 20.01.2011 – V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9; Beschluss vom 29.09.2011 – V ZB 61/11 5; Beschluss vom 30.10.2013 – V ZB 70/13 6[]
  2. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 09.02.2017 – V ZB 129/16, Rn. 6[]
  3. vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12.03.2015 – V ZB 197/14, FGPrax 2015, 181 Rn. 5[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 16.07.2014 – V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21; Beschluss vom 25.01.2018 – V ZB 71/17, FGPrax 2018, 136 Rn. 6 ff.[]