Altfehlbetragsumlage und die kommunale Neugliederung in Mecklenburg-Vorpommern

Das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat die Verfassungsbeschwerde der kreisangehörigen Stadt Parchim gegen § 25 Satz 2 bis 5 des Landkreisneuordnungsgesetzes – LNOG M-V – als unzulässig zurückgewiesen. Nach dieser Vorschrift sollen die neuen Landkreise eine sogenannte Altfehlbetragsumlage von denjenigen Gemeinden erheben, die aufgelösten Landkreisen angehörten, denen – wie dem bisherigen Landkreis Parchim – bis zur Kreisstrukturreform ein vollständiger Ausgleich der Haushalte nicht gelungen ist. Die Umlage soll dem Abbau der durch den neuen Kreis übernommenen Schulden dienen, soweit dafür auch die Anschubfinanzierung und Strukturbeihilfen nach § 44 LNOG M-V sowie eigene Einnahmen nicht eingesetzt werden.

Altfehlbetragsumlage und die kommunale Neugliederung in Mecklenburg-Vorpommern

Nach Auffassung des Landesverfassungsgerichts bestehen keine hinreichenden Grundlagen für die Annahme, dass die beschwerdeführende Stadt Parchim schon durch das Gesetz selbst in ihrem Recht auf Selbstverwaltung nach Art. 72 bis 75 der Landesverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern – LV – verletzt sein kann. Es ist bereits zweifelhaft, ob es den Darlegungsanforderungen entspricht, die an die Präzisierung des als verletzt angesehenen Rechts zu stellen sind. Jedenfalls aber ergibt sich daraus nicht, dass eine unmittelbare Rechtsverletzung zumindest möglich ist.

Im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung von Art. 72 Abs. 3 LV (Konnexitätsprinzip) ist schon nicht ersichtlich, dass es sich bei der Kreisneuordnung um eine übertragene Aufgabe im Sinne dieser Vorschrift handelt. Wie bereits der Begriff der „Altfehlbeträge“ zeigt, geht es insoweit auch nicht um eine neu auferlegte finanzielle Verpflichtung für die betroffenen Gemeinden.

Weiterlesen:
Festsetzung der Kreisumlage - und der gemeindliche Finanzbedarf

Im Übrigen fehlt es an der erforderlichen unmittelbaren Betroffenheit in eigenen Rechten, weil tatsächliche Belastungen mit finanziellen Verpflichtungen überhaupt erst durch eine entsprechende Heranziehung zur Altfehlbetragsumlage eintreten können. Die Handlungsanweisung in § 25 Satz 2 LNOG M-V („… sollen … erheben …“) richtet sich ausschließlich an die neuen Kreise. Diesen ist zudem eine zehnjährige Frist zum Handeln eingeräumt, die verlängert werden kann; ferner „soll“ – und darf – nur eine „angemessene“ Umlage erhoben werden (vgl. im Einzelnen § 25 Satz 2 bis 4 LNOG M-V). Aufgrund der angegriffenen Regelung allein steht somit für keine der potentiell betroffenen Kommunen auch nur annähernd fest, ob überhaupt und – falls ja – wann und in welcher Höhe sie eine Verpflichtung treffen würde.

Die Stadt Parchim muss sich daher darauf verweisen lassen, zunächst gegen erforderliche Umsetzungsakte des neuen Kreises (wie etwa Regelung in Haushaltssatzung, Umlagefestsetzung durch Bescheid) vorzugehen und insoweit den Rechtsweg auszuschöpfen. Letzteres wäre nur dann unzumutbar, wenn die angegriffene Regelung evident verfassungswidrig wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr spricht vieles dafür, dass es ein angemessener Weg sein kann, die Gemeinden der Altkreise zum Ausgleich der aufgelaufenen Altfehlbeträge heranzuziehen, zumal die Vorgaben des § 25 Satz 2 bis 5 LNOG M-V Raum lassen für die Berücksichtigung der spezifischen Belange der Beteiligten.

Weiterlesen:
Der nächtliche Alkoholverkauf in der Tankstelle

Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 20. Dezember 2012 – LVerfG 13/11