Weder einer Minderheitsfraktion/-gruppe noch einem einzelnen Kreistagsmitglied steht das Recht zu, die nach § 80 NKomVG mehrheitlich vom Kreistag beschlossene Verlängerung der Amtszeit des Landrates verwaltungsgerichtlich überprüfen zu lassen.

Es entspricht der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts1, dass der Antragsteller in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren – wie hier – entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt sein muss. Bei der vom Antragsteller als verletzt gerügten Rechtsposition muss es sich um ein durch das Innenrecht eingeräumtes, dem antragstellenden Organ oder Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesenes wehrfähiges subjektives Organrecht handeln. Geht es um die Verletzung organschaftlicher Mitwirkungsrechte, setzt die Antragsbefugnis voraus, dass ein subjektives Organrecht des antragstellenden Organs oder Organteils unmittelbar nachteilig betroffen wird.
Die streitigen Beschlüsse zur Amtszeitverlängerung des Landrates betreffen aber weder die Organrechte eines Kreistagsmitglieds noch einer Minderheitsfraktion bzw. Minderheitsgruppe unmittelbar nachteilig.
Dies gilt zunächst für die Minderheitsgruppe, der nach dem NKomVG kein eigenes Abstimmungsrecht zusteht. Die Möglichkeiten einer Minderheitenfraktion bzw. Gruppe als „Opposition“ im Kreistag würden zwar gestärkt, wenn ihr die Befugnis zustünde, von ihr für rechtswidrig erachtete Sachbeschlüsse des Kreistages gerichtlich überprüfen lassen zu können. Eine dafür erforderliche Rechtsgrundlage besteht jedoch nicht. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist das verwaltungsgerichtliche Organstreitverfahren bewusst kein objektives Beanstandungsverfahren, sondern dient der Durchsetzung subjektiver Rechte2
Hiergegen sprechen auch nicht die dem Landrat im Kreistag zustehenden Vorbereitungs, Teilnahme- und Rederechte sowie das ihm zustehende Einspruchsrecht, bei deren Wahrnehmung er jeweils Rechte der Minderheitsfraktion/-gruppe „durchaus beeinträchtigen könne“. Solche Befugnisse stehen hier nicht im Streit. Durch die streitigen Beschlüsse ist vom Kreistag nicht – wie erforderlich – unmittelbar etwa in Antragsrechte der Minderheitsfraktion eingegriffen, sondern nur die Grundlage für eine Verlängerung der Amtszeit des Landrats geschaffen worden.
Durch ein unterstelltes ersatzloses Ausscheiden des Landrates als Mitglied des Kreistages mit dem Ende seiner regulären Amtszeit verändern sich auch nicht die Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen. Denn die Besetzung der Ausschüsse richtet sich gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 NKomVG nach der Mitgliederzahl aller Fraktionen und Gruppen; Mitglieder einer Fraktion oder Gruppe können nach § 57 Abs. 1 NKomVG nur Abgeordnete sein. Der Landrat ist zwar kraft Amtes Mitglied des Kreistages, nicht aber Abgeordneter. Er kann damit nicht Mitglied einer Fraktion oder Gruppe im Kreistag sein, so dass sein etwaiges Ausscheiden aus dem Kreistag schon deshalb keinen Einfluss auf die Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen hat.
Ebensowenig ist ein einzelnes Kreistagsmitglied in eigenen Rechten betroffen.
Dies gilt zunächst, soweit er eine Verletzung des Erfolgswertes seiner Stimme als Kreistagsabgeordneter rügt. Dabei kann offen bleiben, ob der Ansicht zu folgen ist, das Abstimmungsrecht eines Abgeordneten im Kreistag schließe auch den Erfolgswert seiner Stimme ein, beinhalte also das Recht, einen unter Beteiligung nicht abstimmungsberechtigter Personen erlassenen Beschluss erfolgreich anzugreifen. Selbst wenn man hiervon ausgeht, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht, dass dieser Erfolgswert durch die Beschlüsse über die Amtszeitverlängerung beeinträchtigt wird. Der Landrat ist nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 NKomVG kraft Amtes immer stimmberechtigtes Mitglied des Kreistages. Mit seinem Ausscheiden nach Ablauf der Amtszeit tritt nicht eine potentiell zur Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Kreistag führende Vakanz ein. Dies gilt auch für den Fall, dass nach § 80 Abs. 5 Satz 7 NKomVG a. F. bzw. § 80 Abs. 4 Satz 5 NKomVG n. F. keine Verlängerung der Amtszeit des Landrates beschlossen wird. Denn anders als die Abgeordneten ist der Hauptverwaltungsbeamte nicht als Person, sondern kraft Amtes Mitglied des Kreistages. Im Falle seiner Verhinderung tritt deshalb keine Vakanz ein; vielmehr werden seine Aufgaben gemäß § 81 Abs. 3 NKomVG von seinem allgemeinen Stellvertreter wahrgenommen, soweit keine speziellere Vertretungsregelung im NKomVG eingreift3.
Die demnach im Organstreitverfahren unzulässigen Anträge richten sich im Übrigen vorliegend ohnehin gegen den falschen Antragsgegner. Ausschlaggebend für die Bestimmung des richtigen Antragsgegners ist die vom Antragsteller geltend gemachte Rechtsverletzung4. Die Rechtsverletzung soll hier in dem Beschluss des Kreistages liegen, die Amtszeit des Landrats um maximal zwei Jahre zu verlängern. Die Verantwortung für diesen Beschluss trägt der Kreistag und nicht der Landrat Unabhängig von der Frage nach der Vollzugsbedürftig- und -fähigkeit des Beschlusses und der Tatsache, dass der Landrat dem Beschluss über die Verlängerung seiner Amtszeit in der Sache bereits zugestimmt hat, steht ihm auch kein von den Antragstellern mit ihrem Antrag vorausgesetztes Recht auf schlichte Vollzugsverweigerung zu. Vielmehr regelt § 88 NKomVG abschließend, wie der Landrat als Hauptverwaltungsbeamter im öffentlichen Interesse auf einen für rechtswidrig erachteten Beschluss des Kreistages zu reagieren hat. Diese Norm sieht jedoch kein schlichtes Vollzugsverweigerungsrecht des Landrates vor.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 3. Juli 2014 – 10 ME 38/14
- vgl. zum Folgenden Nds. OVG, Urteil vom 31.10.2013 – 10 LC 72/12, NdsVBl.2014, 102 ff. 63, m. w. N.[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.01.1994 – 7 B 224/93, NVwZ-RR 1994, 352; DVBl.1994, 866 3[↩]
- vgl. Thiele, NKomVG, 2011, § 80 Nr. 3[↩]
- vgl. Nds. OVG, Urteil vom 04.12.2013 – 10 LC 64/12 – NdsVBl 2014, 164 ff.; NordÖR 2014, 236 ff. 29, m. w. N.[↩]