Anfechtung von Dauerverwaltungsakten

Ein Dau­er­ver­wal­tungs­akt kann – bei fort­be­ste­hen­der Be­schwer – für die ge­sam­te Dauer sei­ner Wirk­sam­keit und damit auch in An­se­hung ver­gan­ge­ner Zeit­räu­me an­ge­foch­ten wer­den. Ent­fällt die Be­schwer, so kann der Klä­ger in An­se­hung der ver­gan­ge­nen Zeit­räu­me zur Fort­set­zungs­fest­stel­lungs­kla­ge über­ge­hen, wenn hier­für ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se be­steht, und zu­gleich die Auf­he­bung des Ver­wal­tungs­akts „ex nunc“ be­geh­ren.

Anfechtung von Dauerverwaltungsakten

Was Streitgegenstand einer Anfechtungsklage ist, bestimmt der Kläger (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1, §§ 88, 90 Abs. 1 VwGO). Er entscheidet über den Umfang der Anfechtung eines Verwaltungsakts, und zwar auch in zeitlicher Hinsicht. Das gewinnt gerade beim Dauerverwaltungsakt Bedeutung. Der sog. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung weist die Besonderheit auf, dass seine Wirkung nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraums eintritt1. Er kann deshalb nicht nur für einen bestimmten Zeitpunkt, sondern auch für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit oder auch nur für Teile dieses Zeitraums angefochten werden2. Zwar wird der Kläger seinen Aufhebungsantrag häufig ohne nähere zeitliche Bestimmung stellen. Dann dürfte regelmäßig anzunehmen sein, dass er die Aufhebung des Dauerverwaltungsakts für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit begehrt. Entsprechendes gilt für ein einer solchen Anfechtungsklage stattgebendes Urteil; auch dadurch wird der Verwaltungsakt nicht nur für bestimmte Zeitpunkte oder Zeitabschnitte, sondern im Zweifel für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit beseitigt. Der Umstand, dass seine Rechtmäßigkeit in Ermangelung abweichender gesetzlicher Bestimmungen3 regelmäßig nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen ist, wie sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht4, ändert hieran nichts; er hat zur unausgesprochenen Voraussetzung, dass sich die Sach- und Rechtslage seit seinem Erlass nicht verändert hat. Hat sich die Sach- oder die Rechtslage seither in ausschlaggebender Weise verändert, so wird der Kläger entscheiden müssen, ob er sein Aufhebungsbegehren auf den Zeitraum nach der Veränderung beschränkt, und das Gericht wird, wenn der Verwaltungsakt erst durch die Veränderung rechtswidrig geworden ist, ihn nur für die nachfolgende Zeit aufheben und die ohne zeitliche Beschränkung aufrechterhaltene Klage im Übrigen, nämlich für den früheren Zeitraum abweisen. Alles dies ändert aber nichts daran, dass ein Dauerverwaltungsakt Wirkungen für einen längeren Zeitraum entfaltet und dass der Kläger auch in zeitlicher Hinsicht bestimmt, inwieweit er ihn der gerichtlichen Überprüfung zuführen will.

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Der Klagantrag, einen Dauerverwaltungsakt auch für vergangene Zeiträume aufzuheben, setzt freilich voraus, dass der Kläger von ihm auch insoweit noch beschwert ist. Ein Dauerverwaltungsakt wird sich häufig bei fortschreitender Zeit für die jeweils vergangenen Zeiträume – gewissermaßen fortlaufend – erledigen, auch wenn für die Annahme seiner Erledigung der bloße Zeitablauf nicht genügt, vielmehr erforderlich ist, dass von ihm auch für diese Vergangenheit keine dem Kläger nachteiligen Rechtswirkungen mehr ausgehen. Dies bietet dem Kläger einen zusätzlichen Grund, sein Aufhebungsbegehren auf den gegenwärtigen Zeitpunkt (und die weitere Zukunft – „ex nunc“) zu beschränken. Es zwingt ihn aber nicht dazu, sein Klagebegehren in Ansehung der Vergangenheit vollständig aufzugeben. Er kann vielmehr insoweit zu dem Feststellungsantrag übergehen, dass der Dauerverwaltungsakt in Ansehung der Vergangenheit rechtswidrig gewesen sei5. Ein solcher Feststellungsantrag muss sich nicht auf die gesamte zurückliegende Geltungszeit des Dauerverwaltungsakts erstrecken, sondern kann sich – ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung vorausgesetzt – auf bestimmte zurückliegende Zeiträume beschränken. Regelmäßig wird es sich um Feststellungsanträge nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO handeln. Das zeigt, dass mit einer Klage, die einen Dauerverwaltungsakt zum Gegenstand hat, zugleich dessen Aufhebung (in Ansehung von Gegenwart und Zukunft) als auch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit (in Ansehung der Vergangenheit) begehrt werden kann. Für die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit in der Vergangenheit wird ein Feststellungsinteresse namentlich in Betracht kommen, wenn sich zwischenzeitlich die maßgebliche Sach- oder Rechtslage geändert hat.

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Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. Januar 2012 – 8 B 62.11

  1. vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.1979 – 3 C 103.79, BVerwGE 59, 148, 160 = Buchholz 451.81 § 6a AWG Nr. 3[]
  2. vgl. BVerwG, Urteile vom 15.11.1967 – 1 C 43.67, BVerwGE 28, 202, 205 = Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 24 und vom 27.01.1993 – 11 C 35.92, BVerwGE 92, 32, 35 f. = Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 24[]
  3. vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 02.02.1982 – 1 C 146.80, BVerwGE 65, 1, 2 ff. = Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 37; Beschluss vom 23.11.1990 – 1 B 155.90, Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 47[]
  4. BVerwG, Urteile vom 27.01.1993 a.a.O. und vom 01.06.2011 – 8 C 2.10, NVwZ 2011, 1328 Rn. 18 ff., jeweils m.w.N.[]
  5. BVerwG, Urteil vom 01.06.2011 a.a.O. Rn.20[]